Rarität Legenden gesucht: Museum in Chemnitz will Rennräder von Textima zeigen

25. Februar 2023, 05:00 Uhr

Bis zu 33.000 Werktätige bauten in der DDR im Textima-Kombinat Textilmaschinen für die ganze Welt. In einer kleinen Textima-Abteilung im damaligen Karl-Marx-Stadt hatte man sich aber dem Radsport verschrieben. Hier wurden die Räder der Weltmeister gebaut. Nicht in Großserie, sondern als maßgeschneiderte Unikate. Eine Ausstellung soll daran erinnern.

Im Juni wird im Chemnitzer Museum für Sächsische Fahrzeuge bei einer Sonderausstellung eine Fahrradmarke im Mittelpunkt stehen, die es so eigentlich gar nicht gab: Bahn- und Zeitfahrräder von Textima.

Die speziellen Räder wurden in Handarbeit in der Fahrrad-Manufaktur des Textilmaschinen-Kombinats Textima Karl-Marx-Stadt zusammengeschraubt. Etwa 30 Mitarbeiter entwickelten und bauten in den 1980-er Jahren in der Manufaktur gerade einmal 1.000 Textima-Räder. Wie viele heute noch existieren, ist nicht genau bekannt. Gebaut wurden die Räder bis 1990.

Die Idee zur Ausstellung kam von den beiden passionierte Radfreunden Florian Grund und Marko Neumann. Sie seien fast zwangsläufig auf die Textima-Story gestoßen, sagt Marko Neumann. "Ich wusste natürlich, dass es Diamant-Fahrräder gibt." Wenn man sich mehr mit Diamant beschäftige, komme man zwangsläufig zu den Textima-Fahrrädern. "Und da habe ich gedacht, dass ich der Sache auf den Grund gehen muss und habe gemeinsam mit Florian versucht, die ehemaligen Mitarbeiter der Textima-Abteilung zu finden."

Jetzt haben die beiden Chemnitzer einige der Zeitzeugen interviewt, Fotos gesammelt und natürlich auch mehrere der originalen Textima-Räder aufgetrieben. "Dass hier solche Fahrräder für den Spitzensport produziert wurden, ist relativ unbekannt", sagt Florian Grund. "Natürlich hoffen wir, dass Leute, die sich für Fahrräder oder für Fahrzeuge im Allgemeinen interessieren, damit auf ein Thema stoßen, von dem sie noch nie was gehört haben und ganz entzückt sind, dass solche verrückten Sachen auch hier gebaut wurden."

Museum sucht weitere Exponate

Museumsleiter Dirk Schmerschneider hofft, dass bis zum Ausstellungsbeginn am 11. Juni noch weitere Exponate auftauchen. Wer noch Textima-Fahrräder, Teile davon oder auch andere Dokumente hat, könne sich an das Fahrzeugmuseum wenden und so die Sonderausstellung zu Textima-Fahrrädern aus Karl-Marx-Stadt bereichern.

Michael Hübner flog auf Textima zu WM-Gold

Der Chemnitzer Radsportler Michel Hübner, der Ende der 1980-er und Anfang der 1990-er Jahre mehrfach Bahnweltmeister im Sprint und Keirin wurde, war selbstverständlich auch auf einer Textima-Maschine unterwegs. "Ab Mitte der 80-er Jahre sind wir nur mit Textima-Fahrrädern gefahren", erzählt er. "Die Räder waren speziell für unsere Fähigkeiten entwickelt und gebaut worden."

Bei der Entwicklung hätten sich die Radbauer an den beiden Spitzen-Sprintern Lutz Heßlich und Michael Hübner orientiert. "Daraus sind dann die zwei verschiedenen Varianten von Rennmaschinen entstanden." Hauptsächlich sei es um Aerodynamik gegangen. "Aber auch am Tretlager wurden zum Beispiel Versteifungen eingebaut, um die Kraft optimal ans Hinterrad zu bringen. Ein normaler Rahmen wäre nach zwei Monaten kaputt gewesen."

Ein normaler Rahmen wäre nach zwei Monaten kaputt gewesen.

Michael Hübner ehemaliger Bahnrad-Weltmeister

"Textima hat es auch geschafft, das Tretlager so weit nach oben zu verlegen, dass wir auf steilen Bahnen nie mit der rechten Pedale die Bahn berühren konnten", erzählt Hübner. Das habe vor dem Sprint, wenn durch langsames Fahren und Stehversuche um die richtige Antrittsposition gekämpft werde, taktische Vorteile gebracht: "Wir konnten unsere Rivalen in die Position bringen, in der wir sie brauchten." Die Räder von Textima seien zwar schwer gewesen, aber die Qualität habe zu dieser Zeit kein anderer Hersteller erreicht.

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Dreißig Jahre nach der Textima-Ära haben längst Rennmaschinen aus Carbon die alten Stahlrösser von den Bahnen verdrängt. Bildrechte: imago images / ZUMA Press

Textima und der verbogene japanische Lenker

Eine Geschichte kann Hübner erzählen, die für die ausgezeichnete Qualität der Textima-Räder spricht: "Ich bin in Japan 1991 Keirin gefahren. Dort sollten wir bestimmte Radmodelle fahren. Da haben die Japaner gesagt, dass ich mein Rad - damals auch ein Textima - nicht fahren dürfe." Da sei er zu dem ihm in Japan gestellten Rad gegangen und habe den Lenker verbogen. "Da durfte ich wieder mein Rad fahren", lacht er.

Solche und andere Geschichten werden ab Juni im Museum für sächsische Fahrzeuge Chemnitz zu finden sein - und natürlich Textima-Räder, Teile und Dokumente aus der Zeit, als die Männer aus Stahl noch auf Rädern aus Stahl der Konkurrenz davonfuhren.

MDR (tfr/mwa)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Chemnitz | 23. Februar 2023 | 16:30 Uhr

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