Spurensuche im Erzgebirge Ältester Schwibbogen verbirgt Rätsel der Weihnacht
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20. Dezember 2022, 16:47 Uhr
Vor fast 300 Jahren schuf ein Vorfahre von Harald Teller in Johanngeorgenstadt den ersten erhaltenen Schwibbogen - ein Zeichen für eine große Sehnsucht, die Menschen bis heute fasziniert. Ist der Lichterbogen Symbol für den Eingang eines Bergstollns oder hat er doch viel wahrscheinlicher eine himmlische Bedeutung - eine Spurensuche im Erzgebirge.
- Lichterbogen wird durch Engel, Bergmänner und nackte Menschen geschmückt.
- Die Johanngeorgenstädter Schmiedekunst steckt voller Symbolik und geheimnisvoller Rätsel.
- Der ältestete Schwibbogen könnte einen Schutzschirm symbolisieren.
Harald Teller kann ins Paradies gehen. Er muss nur den Lichterbogen in der Johanngeorgenstädter Kirche unterqueren, schon ist er da - ein bisschen zumindest. Der Zauber von Weihnachten liegt schon in der Luft und die ersten Kerzen brennen vor dem Altar. Einem Geheimnis jedenfalls ist er bei diesem Gang auf der Spur: dem der Erfindung des Schwibbogens.
"Dieser Bogen stellt das wieder geöffnete Himmelstor dar", da ist sich Harald Teller beim Blick nach oben sicher. So müssen es sich die Bergleute und ihre Angehörigen in früheren Jahrhunderten vorgestellt haben. Einen solchen Lichterbogen gibt es auch weiter östlich im Erzgebirge in der Scheibenberger Kirche. Eine Rechnung von 1716 belegt, dass er dort zur Christmette aufgestellt wurde - das früheste Zeugnis dieser erzgebirgischen Besonderheit. Und ein lange Vergessenes, aber nicht bei Tellers.
Ältesten Schwibbogen zieren nackte Menschen
Es gibt eine Legende über die Entstehung des Schwibbogens: dass er das Mundloch eines Stolln darstelle, an das die Bergleute ihr Geleucht hingen. Doch es war wohl anders. Den Beweis holt Harald Teller vorsichtig aus einem Pappkarton. "Das ist der älteste erhaltene Schwibbogen, er stammt aus dem Jahr 1740 und einer meiner Vorfahren, der auch Teller hieß, hat ihn geschmiedet."
Das ist der älteste erhaltene Schwibbogen, er stammt aus dem Jahr 1740 und einer meiner Vorfahren, der auch Teller hieß, hat ihn geschmiedet.
Es war ein Geschenk für eine Weihnachtsfeier der Johanngeorgenstädter Bergleute. Am 24. Dezember trafen sie sich zur Mettenschicht in ihrem Huthaus. Es wurde viel gesungen, Hochprozentiges machte die Runde, Kerzen rußten. Und da war dieser Lichterbogen des Bergschmieds Teller. Auf ihm Engel, Bergleute - aber auch zwei nackte Menschen.
"Der 24. Dezember war nach alter Tradition der Tag von Adam und Eva", erklärt Harald Teller das biblische Rätsel. "Deshalb ist hier auf der einen Seite der Sündenfall dargestellt, wo Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis essen. Von den beiden Erzengeln werden sie deswegen aus dem Paradies vertrieben." Auch das ist auf dem eisernen Lichterbogen zu sehen. Die Farben leuchten noch.
Schmiedewerk steckt voller symbolhafter Rätsel
Aber damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende, weiß Harald Teller. Er führt die alte Schmiede seiner Vorfahren in Johanngeorgenstadt noch immer weiter - heute als Autowerkstatt. Die Menschen lebten - damals wie heute - weiß Gott nicht in paradiesischen Zuständen. Doch in der Bibel, wie auf dem ersten Schwibbogen in Johanngeorgenstadt, ist das nur die Vorgeschichte von Weihnachten.
Harald Teller zeigt auf einen eisernen Schlüssel zwischen zwei Bergleuten. "Weihnachten wird Jesus geboren. Weil er sein Leben für die Menschen opfert, kann mit dem Schlüssel hier das Tor zum Paradies wieder geöffnet werden." All das ist auf dem ältesten erhaltenen Schwibbogen zu sehen, als wäre er selbst dieses Tor. Ganz so wie die Lichterbögen in den Kirchen von Johanngeorgenstadt und Scheibenberg. Sie waren das Vorbild für den Tischleuchter, glaubt Harald Teller. Er erforscht und sammelt Schwibbögen wie sein Vater und sein Bruder seit vielen Jahren.
Lichterbogen als Schutzschirm in kalter Jahreszeit
Wenn der Johanngeorgenstädter heute durch seine Stadt geht und in die Fenster blickt, dann sieht er, welchen Zauber diese Lichterbögen noch immer haben. Und wie sie sich ausbreiten über das Erzgebirge und über Sachsen hinaus. "Vielleicht ist er so etwas wie ein Schutzschirm", überlegt er, "wie eine Henne, die ihre Küken behütet. Dass er aufgemacht wird und in die kalte Winternacht hineinleuchtet."
Vielleicht suchen heute auch Menschen, die sich gar nicht für gläubig halten, ein Tor zum Paradies. So wie die Bergleute einst - gerade zu Weihnachten.
MDR (phb)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 16. Dezember 2022 | 19:00 Uhr