Traditionsunternehmen Endgültiges Aus für Waggonbau in Niesky
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26. August 2023, 15:48 Uhr
Nach monatelangen Mahnwachen, Appellen an den Eigentümer und schließlich der Suche nach neuen Investoren ist nun alles vorbei. Niesky verliert einen großen Traditionsbetrieb. Eine Beschäftigungsgesellschaft soll die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übergangsweise auffangen.
- Der insolvente Waggonbau Niesky muss Ende August endgültig schließen.
- Laut Insolvenzverwalter erwirtschaftet das Unternehmen keine Umsätze mehr.
- Eine Beschäftigungsgesellschaft soll die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auffangen.
Der Waggonbau Niesky stellt den Geschäftsbetrieb zum 31. August endgültig ein. Das bestätigte der Betriebsrat MDR SACHSEN. Zuerst hatte die "Sächsische Zeitung" berichtet.
Damit werde der letzte Hersteller von Güterwagen in Deutschland gezielt vom Markt genommen, äußert sich der Betriebsratsvorsitzende Peter Jurke in einem Schreiben an die Belegschaft. "Wir haben den Kampf verloren", bedauerte er.
Der Waggonbau Niesky, so wie wir ihn seit vielen Jahren bzw. Jahrzehnten kennen, gibt es nicht mehr und wird es leider in dieser Form auch nicht mehr geben.
Insolvenzverwalter: Auftragsbücher sind leer
Das Büro von Insolvenzverwalter Ludwig Danko teilte auf Anfrage von MDR SACHSEN mit, dass die Auftragsbücher des Waggonbaus Niesky praktisch leer sind. Das Unternehmen erwirtschafte keine Umsätze mehr, weshalb der Geschäftsbetrieb zum 31. August 2023 eingestellt werden müsse, hieß es. Hintergrund ist den Angaben zufolge, dass die Geschäfte laut Insolvenzrecht nur fortgeführt werden dürfen, wenn die Gläubiger dadurch keine Nachteile erleiden.
Beschäftigungsgesellschaft statt Entlassung
Dem Insolvenzverwalter ist es nach eigenen Angaben trotzdem gelungen, Massenentlassungen zu vermeiden. Demnach können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens zum 1. September in eine sogenannte Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft wechseln, wo sie für vier weitere Monate Beschäftigung finden und einen großen Teil ihrer Nettobezüge erhalten.
Parallel werden sie bei der Suche nach einer Beschäftigung sowie mit Fortbildungen unterstützt. Der Insolvenzverwalter hofft, dass während dieser Zeit doch noch eine Investorenlösung für den Waggonbau Niesky zustande kommt.
Trotz monatelanger Kurzarbeit und vieler Mahnwachen der Waggonbauer hatte der slowakische Eigentümer für das Werk im Mai Insolvenz angemeldet. Die Insolvenzverwaltung war seitdem in Gesprächen mit möglichen Investoren, um das Blatt zu wenden. Weil keine neuen Aufträge reinkamen, gab es zuletzt für die Belegschaft nichts zu tun.
Unsichere Zukunft für Belegschaft
Nun sieht es also so aus, dass sich knapp 200 Mitarbeitende einen neuen Job suchen müssen. Der Traditionsbetrieb in der Oberlausitz wird abgewickelt. Ob die Beschäftigungsgesellschaft für die Belegschaft eine Brücke in eine neue Zukunft schlagen kann, ist nicht klar.
Deutschland investiere zu wenig in den Güterverkehr auf Schienen, kritisierte Jurke im ZDF-Morgenmagazin. "Die Nachbarländer Österreich und Schweiz machen es uns seit Jahrzehnten vor, wie man über rechtliche Handhabungen Lastwagen von der Straße holt." Man unterstütze und investiere dort in die Schiene, in Deutschland sei das nur im Wahlkampf Thema.
Waggonbau Niesky
- 1835 gründete Johannes Ehregott Christoph in Niesky eine Kupferschmiede.
- 1862 wird die Schmiede zur Maschinenfabrik.
- 1917 begann in Niesky die Produktion von Schienenfahrzeugen, wie Güter-, Post-, Reisezugwagen und Straßenbahnen.
- 1950 konzentrierte man sich auf die Herstellung von Güter- und Kesselwaggons sowie Drehgestellen.
- Nach der Wende firmierte das Werk innerhalb der Deutschen Waggonbau AG (DWA).
- 1998 übernahm Bombardier die DWA.
- 2005 wurde Waggonbau Niesky eigenständig, 2008 dann 100-prozentige Tochter der Deutschen Bahn AG.
- 2014 folgte die Übernahme durch Quantum Capital Partners AG.
- Nach einer Insolvenz 2018 wurde das Werk vom slowakischen Waggonbauer Tatravagonka Poprad gekauft.
Wirtschaftsministerium unterstützt weiterhin bei Investorensuche
Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig bedauerte die Entwicklungen in Niesky. Sein Ministerium habe das "industriepolitische Interesse [...] am Erhalt einer Güterwaggonproduktion in Niesky stets betont". Er begrüße die Gründung einer Auffanggesellschaft, stehe aber auch weiterhin unterstützend bei der Suche nach einem Investor bereit, so Dulig weiter. Ziel sei eine langfristige Perspektive für die Beschäftigten.
MDR (ama,dkö)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 25. August 2023 | 19:00 Uhr