Naturschutz Auswilderung geplant: Hat das Birkhuhn in Sachsen trotz Wolf eine Chance?
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23. April 2024, 16:03 Uhr
Noch vor 30 Jahren war das Birkhuhn in der Oberlausitz verbreitet. Inzwischen ist die Population der gefährdeten Vogelart verschwindend gering. Das könnte sich bald ändern. Doch wie kann die Wiederansiedlung gelingen? Und haben die seltenen Birkhühner überhaupt eine Chance im Wolfsgebiet?
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- Fachleute haben eine Exkursion gemacht, um Ideen für die Birkhuhn-Auswilderung in der Oberlausitz zu sammeln.
- Das Birkhuhn soll Kulturgut im ehemaligen Tagebau Nochten werden.
- Experten rechnen mit guten Chancen für die Wiederansiedlung der geschützten Vogelart - trotz Wolf.
Das Birkhuhn soll zurück in die Oberlausitz kommen. Daran arbeitet die Landesstiftung Natur und Umwelt (Lanu). Um sich anzuschauen, wie die Auswilderung gelingen kann und was zum Schutz der seltenen Vogelart getan werden muss, haben sich in der vergangenen Woche zehn Fachleute aus Deutschland auf den Weg nach Polen gemacht. Ziel der Exkursion war Ruszów in der Woiwodschaft Niederschlesien, etwa 50 Kilometer von Görlitz, wo Birkhühner leben. Mit dabei waren Fachleute aus der sächsischen Vogelschutzwarte, der Naturforschenden Gesellschaft der Oberlausitz, des Bundesforstes und der Lanu.
Weil die polnische Population von Birkhühnern instabil sei, laufen mit polnischer Förderung und mit Förderung durch die EU seit zehn Jahren Auswilderungsversuche mit Birkhühnerküken aus den polnischen Masuren und aus Schweden, sagte Lanu-Sprecher Tomas Brückmann MDR SACHSEN. "Die Erfahrungen lassen sich auf jeden Fall auf Sachsen übertragen." Erste Erfolge würden sich bereits zeigen. Das Fazit der Exkursion: "Ohne die Lebensräume und ohne ausreichende Nahrung können wir das Birkhuhn nicht wieder ansiedeln."
Lanu-Sprecher: Tagebau hat Lebensraum zerstört
Auch in der Oberlausitz waren der Lanu zufolge noch vor 30 Jahren Birkhühner zu Hause. Heute leben dort zwar noch vereinzelt Birkhühner, doch es seien so wenige, dass sie sich nicht mehr fortpflanzen könnten. Als Grund für die Schrumpfung der Population nannte der Lanu-Sprecher den Braunkohleabbau. Wie er MDR SACHSEN sagte, ist durch den Tagebau Nochten der Lebensraum der seltenen Tiere zerstört worden: "Mit dem Tagebau sind ganz viele Moore verschwunden. Dadurch fehlten Nahrungsgrundlagen und Versteckmöglichkeiten vor Feinden."
Der Braunkohleabbau hat dem Birkhuhn seinen Lebensraum geraubt. Deshalb soll die Vogelart, auch im Zuge der Entstehung von Bergbaufolgelandschaften, wieder zurückgeholt werden.
Birkhuhn soll Kulturgut werden
Langfristig sollen im ehemaligen Tagebau Nochten wieder Lebensräume für das Birkhuhn geschaffen werden. Das Ziel: das Birkhuhn in der Lausitz wieder anzusiedeln und es zum Kulturgut zu entwickeln, teilte die Lanu mit. Im gleichen Zuge wie Arbeitsplätze in der ehemaligen Braunkohleabbauregion geschaffen werden, solle auch Platz für das "Kulturgut Birkhuhn sein", so Stiftungsdirektor Dietmar Kammerschen.
"Der Braunkohleabbau hat dem Birkhuhn seinen Lebensraum geraubt. Deshalb soll die Vogelart, auch im Zuge der Entstehung von Bergbaufolgelandschaften, wieder nach Sachsen zurückgeholt werden", sagte Kammerschen weiter. Zudem würden sich dann auch weitere streng geschützte Tierarten wieder in der Region niederlassen. Denn wo das Birkhuhn vorkomme, würden auch andere streng geschützte Arten leben - zum Beispiel Heidelerche, Brachpieper, Sperbergrasmücke, Steinschmätzer und weitere Arten des Offenlandes.
Noch keine konkreten Pläne
Im Braunkohleplan für den Tagebau Nochten sei im Jahr 2014 festgeschrieben worden, auf den rekultivierten Flächen wieder Lebensräume für die streng geschützte Vogelart zu schaffen, so die Umweltstiftung. Doch konkrete Pläne und Zahlen, wie viele Tiere künftig in der Oberlausitz leben sollen, gibt es Lanu-Sprecher Brückmann zufolge derzeit noch nicht. "Zunächst müssen im nächsten Schritt Auswilderungsstationen in Europa gefunden werden, die Birkhühner haben, die genetisch der Population um Görlitz gleichkommen", sagte Brückmann.
Ansiedlung trotz Wolf denkbar
Die Wiederansiedlung des Birkhuhns im Raum Görlitz habe trotz des hier inzwischen wieder heimischen Wolfs eine Chance. Das zeigten Erfahrungen in Niederschlesien, sagte der Lanu-Sprecher weiter. Bei den polnischen Kollegen sei der Wolf ein sehr zentrales Thema gewesen. Dort sei dessen Dichte höher als in der Lausitz.
Die Auswilderungsstationen selbst seien großräumig mit Wolfszäunen geschützt. Und es habe zudem Schutzvorrichtungen gegen Waschbären und Marderhunden gegeben. Die Chancen für die Birkhühner trotz Wolf in der Oberlausitz zu überleben, stünden gut: "Der Wolf frisst viele Wildarten, zum Beispiel auch Rehwild, Rot- und Schwarzwild. Das Birkhuhn ist mehr ein Snack für ihn."
Der Wolf frisst viele Wildarten, zum Beispiel auch Rehwild, Rot- und Schwarzwild. Das Birkhuhn ist mehr ein Snack für ihn.
MDR (kav)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Bautzen | 23. April 2024 | 07:30 Uhr