Gottesdienst am Jahrestag Kirchenruine Großröhrsdorf: Offene Wunde, kollektiver Schmerz und Zuversicht
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04. August 2024, 14:05 Uhr
Im vergangenen August macht ein Brandstifter die Stadtkirche Großröhrsdorf zur Ruine. Die Kirchgemeinde will das Gotteshaus neu aufbauen. Wie das neue Gebäude aussehen soll, darüber ist noch nicht entschieden. Beim Gottesdienst zum Jahrestag des Brandes ist von offenen Wunden, aber auch Zuversicht die Rede.
Ein Jahr nach dem verheerenden Brand der Stadtkirche Großröhrsdorf ist am Sonntag mit einem Gottesdienst an das Feuer erinnert worden. Der Pfarrer der evangelischen Kirchgemeinde, Stefan Schwarzenberg, warb dabei um Zuversicht. Die Ruine sei zwar eine offene Wunde in der Stadt, ein kollektiver Schmerz. Die Aussicht auf die Weihe einer neuen Kirche lasse jedoch nach vorn schauen.
Online-Umfrage zum Wiederaufbau bis zum 1. September
Für den Wiederaufbau der Stadtkirche in Großröhrsdorf seien bislang fast 512.000 Euro an Spenden zusammengekommen, so Schwarzenberg. Er nannte den Jahrestag eine "weitere Station" auf dem Weg. "Es wird weitergehen", versicherte er. Der Gedenktag ein Jahr nach dem Brand der "barocken Schönheit" sei auch ein Anlass, "sich von der historischen Stadtkirche zu verabschieden", sagte der Pfarrer.
Wie ein neues Gebäude aussehen soll, hat die Kirchgemeinde noch nicht entschieden. Bis zum 1. September findet eine Online-Umfrage statt, deren Ergebnisse die Grundlage für einen Architektenwettbewerb bilden sollen. Entstehen soll laut Gemeinde eine zeitgemäße und innovative Kirche. Reste des historischen Gebäudes sollen möglichst integriert werden.
Wetterkapriolen zwingen beim Gottesdienst zur Programmänderung
Der Gedenkgottesdienst war zunächst auf dem Friedhof neben der Kirchenruine geplant, wurde jedoch wetterbedingt in das Kirchgemeindehaus in Großröhrsdorf verlegt. Weit mehr als 100 Menschen nahmen daran teil. Wegen begrenzter Platzkapazitäten verfolgten einige Besucherinnen und Besucher die Veranstaltung draußen vor dem Gebäude. Für den Nachmittag hatte die evangelisch-lutherische Kirchgemeinde auf die Pfarrwiese in Großröhrsdorf zu einem Konzert mit Posaunenchören eingeladen.
Wandel in der Stimmung
Die Absicht, die Kirche wieder aufzubauen und die große Solidarität habe zu einem Wandel in der Grundstimmung gesorgt, so der Pfarrer: "Von Schock und Entsetzen zu Zuversicht und Vorfreude." Die Kirche war in der Nacht zum 4. August 2023 durch Brandstiftung zerstört worden. Ein Drittel des seit dem 18. Jahrhundert weithin sichtbaren Turms stürzte ein, die Flammen vernichteten die Innenausstattung, auch historische Kunstschätze und Architektur - vom Kirchenschiff blieben nur die Außenmauern übrig.
Kleine Glöckchen für den Wiederaufbau
Es seien viele Werte verloren gegangen, erzählt Schwarzenberg bei MDR SACHSEN. Aus Teilen des Kupferdaches sollen nun aber kleine Glöckchen gegossen werden. Diese werden erstmals beim Stadtfest am 10. und 11. August verkauft. "Das ist ein Erinnerungsstück an die alte Kirche und gleichzeitig dann ein Beitrag zum Bau der Neuen", so Schwarzenberg.
Millionen für neue Kirche
Und der Neubau wird teuer. Von rund 35 Millionen Euro Schaden war im Gerichtsprozess die Rede. Das Landgericht Görlitz hatte einen Familienvater zu neun Jahren Haft wegen schwerer Brandstiftung verurteilt. Während in dem Verfahren die Revision läuft, schreiten die Wiederaufbaupläne voran.
Inzwischen ist die Ruine von den Trümmern befreit, ein Notdach schützt den historischen Fußboden. Welche Teile der Ruine in die neue Kirche genau integriert werden können, sei auch nach erfolgter Prüfung der Standsicherheit noch offen, sagt Jens Großmann, Vorsitzender des Kirchenvorstandes.
Rückbesinnung auf Gemeindeleben
Insgesamt habe der Brand trotz des neugewonnenen Optimismus Spuren hinterlassen, meint der Pfarrer. In den Blick nach vorn mische sich immer wieder auch Trauer. Es gebe aber auch eine Rückbesinnung auf die Kirche, was sich in Taufen und Wiedereintritten zeige, erzählte Schwarzenberg. Bis Ende August läuft eine Befragung auf der Internetseite der Kirchgemeinde, wie die neue Kirche gestaltet werden soll, so zum Beispiel ob es ein Kirchencafé oder eine Küche geben sollte. "Es ist eine großartige Aufgabe, aber wirklich ein Jahrhundertbau", so Pfarrer Schwarzenberg.
MDR (ben/ahi/ali)/dpa/epd
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 04. August 2024 | 19:00 Uhr