"Der Asiate" Rapper aus Sachsen: "Sie nannten mich Bimbolippe oder Rassenschande"
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14. Oktober 2023, 05:00 Uhr
Andy Zirnsteins Lieder wurden im Internet millionenfach abgerufen. Als "Der Asiate" wurde der Sohlander Rapper bekannt. Vor zwei Jahren ist er aus Leipzig in die Oberlausitz zurückgekehrt. Dabei wurde er dort aufgrund seiner Herkunft in seiner Jugend gejagt, geschlagen und beleidigt. Doch er kann auch viel Gutes über seine Heimat sagen.
- Andy wird als Jugendlicher in Sohland an der Spree häufig angefeindet.
- Später wird er als Rapper mit dem Künstlernamen "Der Asiate" bekannt.
- Seit der Trennung von Rapperin Lumaraa lebt er wieder in Sohland an der Spree und fühlt sich dort sehr wohl.
Seine Kindheit in Sohland an der Spree war "wunderschön", sagt Andy Zirnstein. "Damals hatten wir noch keine Handys. Wir waren jeden Tag im Freibad oder auf dem Sportplatz." Er hat viele Freunde, spielt Fußball, trainiert Karate und Taekwondo oder baut mit den Nachbarskindern eine Hütte. Wenn er Glück hat, kocht seine deutsche Mama für ihn Nudeln mit Jagdwurst zum Mittagessen.
Dass er etwas anders aussieht als die anderen, ist für ihn als Kind kein Thema. Sein Vater ist der einzige Vietnamese im Ort. "Meine Oma hat immer gesagt: 'Andy, du wirst es mal nicht so leicht haben.' Die hat versucht, mich darauf ein bisschen vorzubereiten", erzählt der Rapper. "Das habe ich als Kind natürlich nicht gepeilt."
Auch dass die Eltern eines Kindergartenfreundes nicht wollen, dass er mit ihrem Sohn spielt, kriegt er damals nicht mit. Als sie sich dafür bei ihm entschuldigen, ist er schon erwachsen. Sie haben ihn inzwischen kennengelernt und schämen sich für ihr Verhalten von damals. "Das war halt die Angst vor dem Fremden", erklärt Andy Zirnstein, als wollte er die Eltern des Freundes in Schutz nehmen.
Zum Hip-Hop-Fan durch Eminem
Dass sein Aussehen für viele in dem Ort ein Problem ist, merkt er erst so richtig in seiner Jugend. Zu dieser Zeit kommt Hip-Hop in Andys Leben. Zum Fan wird er durch Eminem. Da ist er elf Jahre alt. "Der hatte eine Kettensäge auf der Bühne, beleidigte Britney Spears und so. Da dachte ich: Was für ein geiler Typ!".
Als Jugendlicher liest und schaut Andy alles über Hip-Hop, was er kriegen kann und fängt an, sich zu kleiden wie seine Idole. Er trägt viel zu große Hosen und T-Shirts, so wie die amerikanischen Rapper um die Jahrtausendwende. Dazu macht er sich Rastazöpfe.
Sein Vater prophezeit ihm: "Wenn du so raus gehst, wirst du Probleme kriegen". Und so kommt es auch. "Sobald ich die Haare hatte, hatte ich Stress", erzählt Andy Zirnstein in der MDR-Doku "Generation Crash".
Vier Typen schlagen nachts auf ihn ein
Böse geguckt hätten die "Dorffaschos" ja immer schon, aber ab da muss er immer wieder wegrennen. Einmal schafft er es nicht. "Vier Typen sind aus dem Auto ausgestiegen und im Dunkeln haben sie mir voll auf die Nase gehauen und haben mich richtig zerschrotet", erzählt der Rapper.
Etwa zu dieser Zeit hat er auch seine erste Freundin. Sie darf ihn nicht mit nach Hause bringen. Die Eltern wollen keinen "Ausländer" für ihre Tochter. Schließlich bricht sie auf Druck ihrer Familie den Kontakt ab. Und selbst Leute, die nichts gegen ihn haben, nennen ihn nur "Asien" oder "Reis".
"Für die Vietnamesen zu Deutsch"
Außer seinem Vater gibt es keine anderen Vietnamesen im Dorf. Aber wenn er bei Verwandten in Westdeutschland oder in Vietnam zu Besuch ist, fühlt er sich häufig auch nicht ganz angenommen, weil er eine deutsche Mutter hat und nicht so gut Vietnamesisch spricht. "Für die Deutschen war ich zu sehr Ausländer, für die Vietnamesen zu Deutsch".
"Mein Vater hat mir immer gesagt: 'Du bist kein Deutscher'", erzählt Andy Zirnstein. Gleichzeitig hätte er aber auch immer gesagt. "Pass dich an". "Wer bin ich denn jetzt?", fragt er. "Bin ich ein Deutscher oder bin ich ein Asiate, der in Deutschland aufwächst?" Bei ihm habe diese Unklarheit zu großen Identitätsproblemen geführt, erzählt er.
"Zwischen den Stühlen"
Auf seinem linkem Arm ist ein Tattoo, von der Schulter bis zum Handgelenk. Unten ist Europa, oben Asien. "Ich bin zwischen den Stühlen, soll das symbolisieren", erklärt der Rapper.
Hip-Hop gibt Andy in seiner Jugend Halt. Außerdem hat er in seinem Wohnort einige enge Freunde, die mit ihm durch dick und dünn gehen. "Ich habe meine Freunde auch mit Hip-Hop infiziert, die haben auch XXL-Shirts und riesige Hosen getragen."
Er fängt an, eigene Texte zu schreiben und träumt davon, selbst Rapper zu werden. Nach der Realschule macht er in Chemnitz eine Ausbildung zum Fachangestellten für Bäderbetriebe, was ihn später zu dem Lied "Bademeister" inspiriert. Schließlich zieht er nach Leipzig, wo er an seiner Rap-Karriere arbeitet. Um das Jahr 2012 wird "Der Asiate" im Internet plötzlich bekannt durch seine humorvollen, oft selbstironischen Texte.
Anti-Mobbing-Song wird größter Erfolg
Sein größter Hit wird jedoch ein ernstes Lied: Der Anti-Mobbing-Song "Für die Ewigkeit", den er vor vier Jahren zusammen mit der Rapperin und damaliger Freundin Lumaraa aufnimmt. Alleine auf Youtube wird er 4,3 Millionen mal abgerufen. In dem Song verarbeitet "Der Asiate" auch seine eigenen Erfahrungen aus der Jugend.
In dem Lied zieht ein Mobber über einen Menschen mit dunklerer Haut her, bevor er die Revanche dafür bekommt: "Guck mal wie hässlich der ist, der sieht eher aus, als hätt' er Dreck im Gesicht", sagt er, oder "diese ekelhaften Bimbolippen machen mich krank".
Es ist wohl kein Zufall, dass der fiktive Mobber genau die Begriffe genutzt, die Andy Zirnstein in seiner Jugend in der Oberlausitz auch an den Kopf geknallt wurden: "Ich wurde Bimbolippe, Bratwurstlippe, Kongolippe oder Rassenschande genannt", erzählt er.
Nach Trennung zurück in die Oberlausitz
Doch ausgerechnet in die Oberlausitz zieht es ihn zurück, als vor etwa zwei Jahren seine langjährige Beziehung zu Rapperin Lumaraa in die Brüche geht. Nach dem Beziehungsende hält ihn nicht mehr viel in Leipzig. Richtig gewöhnen an das Leben in der Großstadt konnte er sich eh nie.
"Man hat immer das Elend gesehen." Besonders an eine Situation erinnert er sich: Ein Obdachloser habe bei Minusgraden vor der Sparkasse im Schnee gelegen. Andy will helfen, sagt, dass er in die Sparkasse gehen soll. "Die schmeißen mich sofort wieder raus", sagt der Mann. Andy fragt, ob er jemand anrufen kann. Der Mann verneint, er will keine Hilfe. Er habe Glück, in zwei Wochen dürfe er bei einer Freundin auf der Couch schlafen. "Und dann habe ich realisiert, was für eine krasse Welt. Das würde im Dorf nie gehen."
Auch findet er die Kontakte in der Großstadt oft oberflächlich, vor allem nach der Trennung wird ihm das klar. "Kein Schwanz interessiert das, ob ich hier bin oder nicht", sagt er über die letzte Zeit in Leipzig.
Herzlicher Empfang bei Rückkehr nach Sohland
In Sohland sei das ganz anders: "Ich habe wirklich das Gefühl, dass die Leute sich um mich scheren und sich freuen, dass ich wieder da bin." Sogar der Bürgermeister habe ihn begrüßt, erzählt er. "Toll, dass du wieder hier bist", das hätte er oft gehört, seit er wieder in der Oberlausitz lebt.
Weil er das Landleben so genießt, hat er ihm sogar einen Song gewidmet. Gewohnt humorvoll rappt er in "Mein Dorf": "Wir achten auf Ernährung, aber keine gesunde. Wenn der Bus zum Supermarkt fährt, dann nur einmal die Stunde". Aber in dem Lied geht es auch um den Zusammenhalt, den Andy so nur in seiner Heimat erlebt hat: "Wir Dorfkinder, ey da kannst du jeden fragen, passen aufeinander auf in allen Lebenslagen."
Frieden gemacht mit den Tätern von früher
Und die seelischen Verwundungen, die er erlebt hat? Die nächtlichen Hetzjagden auf ihn, die Gewalt, die Anfeindungen? "Ich habe meinen Frieden gemacht mit den Leuten, weil dann auch viele mir den Respekt gegeben haben", sagt er. Sogar Leute, die ihn früher auf Dorffesten gejagt haben, hätten sich bei ihm gemeldet und sich bei ihm entschuldigt. "Wer nicht vergibt, dem wird nicht vergeben. Ich bin kein Fan von Rache."
Seit er wieder in Sohland ist, ist er zur Ruhe gekommen, erzählt Andy. "Meine Seele ist angekommen". Und auch auf die Frage nach seiner Identität hätte er inzwischen eine Antwort gefunden: "Ich bin Deutscher mit asiatischen Wurzeln." Seine "Identitätsprobleme" habe er zwar noch. "Aber in den letzten drei, vier Jahren habe ich gelernt, damit umzugehen."
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Generation Crash | 10. Oktober 2023 | 22:10 Uhr