Arbeitsmarkt Mehr Arbeitslose trotz Fachkräftemangel - wie passt das zusammen?
Hauptinhalt
03. Januar 2024, 16:21 Uhr
In Sachsen werden händeringend Fachkräfte gesucht, andererseits steigt die Zahl der Arbeitslosen. Das liegt vor allem an der Wirtschaftslage und einer veränderten Struktur des Arbeitsmarktes. Grund sind auch die Energiepreise und weniger Aufträge.
- Die Arbeitsagentur in Sachsen rechnet für dieses Jahr mit einem weiteren Anstieg der Arbeitslosenzahlen.
- Die geringste Arbeitslosenquote wird aus dem Landkreis Mittelsachsen gemeldet, die höchste aus Görlitz.
- Der Anteil von Migranten bei den Erwerbslosen ist auf mehr als 25 Prozent gestiegen.
Die Zahl der Arbeitslosen in Sachsen ist im Dezember auf mehr als 132.000 gestiegen. Das waren 2.100 Erwerbslose mehr als im November, wie die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit in Chemnitz mitteilte. Die Arbeitslosenquote lag damit bei 6,2 Prozent. Binnen Jahresfrist stieg die Zahl der Arbeitslosen in Sachsen um rund 9.900.
Behördenchef Klaus-Peter Hansen erklärte, in Anbetracht der wirtschaftlichen Lage, der bestehenden Risiken und Rahmenbedingungen sei der sächsische Arbeitsmarkt im Jahr 2023 noch gut davongekommen: "Für das Jahr 2024 rechne ich auf Grund der vorherrschenden Unsicherheit mit steigenden Arbeitslosenzahlen und weniger guten Nachrichten vom Arbeitsmarkt." Daran werde sich auf mittlere Sicht leider wenig ändern.
Für das Jahr 2024 rechne ich auf Grund der vorherrschenden Unsicherheit mit steigenden Arbeitslosenzahlen und weniger guten Nachrichten vom Arbeitsmarkt.
Auch die Bilanz für das vergangene Jahr fiel durchwachsen aus. "2023 ist ein schönes Beispiel dafür, wie sich Risiken und Chancen einer Transformation zeigen", sagte Hansen. Einerseits habe man bei der Beschäftigung den Höhepunkt erreicht, andererseits habe sich die Struktur in den Unternehmen durch hohe Energiepreise und Auftragsrückgänge verändert. Dadurch würden weniger Waren produziert. Die Beschäftigung sinke deshalb in diesem Bereich.
Kräftigste Anstiege der Arbeitslosigkeit in Chemnitz, Leipzig und im Landkreis Bautzen
Laut Arbeitsagentur entwickelte sich die Arbeitslosigkeit im regionalen Vergleich relativ einheitlich. In fast allen Regionen stieg die Zahl der Arbeitslosen von November bis Dezember leicht, auch im Vergleich zum Vorjahresmonat ist das so. Die Stadt Chemnitz und der Landkreis Bautzen fallen da aus dem Rahmen. Sank dort die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum November leicht, ist sie im Jahresvergleich um 13,2 Prozent in Chemnitz und in Bautzen um 11,7 Prozent am stärksten gestiegen. Auch die Stadt Leipzig verzeichnete im Jahresvergleich mit rund 10 Prozent ein kräftigen Anstieg.
Die geringsten Anstiege bei der Zahl der Arbeitslosen im Jahresvergleich hat die Arbeitsagentur in Mittelsachsen (plus 2,1 Prozent), im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge (plus 4,7 Prozent) und im Landkreis Zwickau (plus 5,6 Prozent) registriert.
Geringste Arbeitslosenquote im Landkreis Mittelsachsen, die höchste im Kreis Görlitz
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Arbeitslosenquoten im Dezember 2023. Die niedrigste vermeldet laut Statistik Mittelsachsen mit 5,0 Prozent, am höchsten war sie demnach in Görlitz mit 8,7 Prozent und in der Stadt Chemnitz mit 8,5 Prozent. Dresden, Bautzen und der Vogtlandkreis liegen mit Arbeitslosenquoten um die 6 Prozent im Mittelfeld.
Im Fall von Chemnitz führte Agenturchef Hansen das vor allem auf den hohen Anteil arbeitsloser Migranten zurück. Da die Mietpreise in Chemnitz vergleichsweise niedrig seien und die Stadt genügend Wohnraum biete, blieben viele Menschen nach der Erstaufnahme in der Stadt. Im Fall von Görlitz sei die Möglichkeit zum Pendeln in andere Regionen durch die Grenzlage eingeschränkt. Einerseits seien in Tschechien und Polen die Löhne niedriger, andererseits gebe es auch Sprachbarrieren.
11.900 arbeitslose Menschen aus der Ukraine gemeldet
Wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sind von dort auch viele Menschen nach Sachsen geflüchtet. Das macht sich auch in der Arbeitslosen-Statistik bemerkbar. So waren im Dezember rund 11.900 Ukrainerinnen und Ukrainer arbeitlos gemeldet. Das sind nach Angaben der Arbeitsagentur 42 weniger als im November und 1.678 mehr als vor einem Jahr. Hinzu kommen noch Erwerbsfähige aus der Ukraine, die an Integrations- und Qualifizierungskursen teilnehmen oder bereits arbeiten, aber aufstockende Leistungen aus der Grundsicherung erhalten.
Nach neusten Hochrechnungen der Arbeitsagentur sind in Sachsen etwa 8.300 Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit beschäftigt. So waren im Oktober 2023 insgesamt 6.700 ukrainische Frauen und Männer sozialversicherungspflichtig beschäftigt – in Voll- oder Teilzeit. Das sind 4.210 mehr als im Februar 2022 – vor Ausbruch des Krieges in der Ukraine. Gleichzeitig arbeiten weitere 1.600 Menschen aus der Ukraine im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung (Minijob) in Sachsen.
Höherer Anteil von arbeitslosen Migranten - auch wegen Sprachbarrieren
Insgesamt sei der Anteil von Migranten bei der Zahl der Arbeitslosen kontinuierlich gestiegen, hieß es. Sie würden die unmittelbaren Voraussetzungen für eine Beschäftigungsaufnahme nicht erfüllen. Hansen verwies auf mangelnde Sprachkenntnisse und eine fehlende Anerkennung von Abschlüssen. Die Quote ausländischer Arbeitsloser sei auf mehr als 25 Prozent gestiegen. Der Ausländeranteil an der Beschäftigung liegt in Sachsen bei acht Prozent, bundesweit sind es 15 Prozent.
MDR (kbe)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 03. Januar 2024 | 19:00 Uhr