Eine Frau hält ein Werbeplakat in den Händen, an der Tür hinter ihr sind zwei ähnliche Plakate zu sehen.
Ein neues Projekt: Maria Gebhardt vom Landeszentrum Freies Theater freut sich über den Start von "Theatris". Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

Mit landesweitem Spielplan Theatris: Neue Website soll freien Theatern einen Wumms verschaffen

07. Dezember 2022, 15:06 Uhr

Sachsen-Anhalt wirbt als Bundesland mit reicher Geschichte und Kultur für sich. Etwas hinten runter fällt dabei oft das freie Theater. Dabei sorgt gerade diese Szene dafür, dass Kultur auch im ländlichen Raum geboten wird. Um das sichtbarer zu machen, hat das Landeszentrum freies Theater ein neues Projekt angestoßen, von dem nicht nur das Publikum, sondern auch Puppenspielerinnen oder Theaterpädagogen profitieren sollen. Wie das gelingen – und eine weitere Karteileiche verhindert werden soll.

Luca Deutschländer
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Im Besprechungsraum riecht es nach frisch bedrucktem Papier. Maria Gebhardt zieht stolz einen Karton aus dem Regal und zeigt auf einen Stapel zehntausender, dünner Lesezeichen. "Menschen, die lesen, gehen auch ins Theater", sagt sie – um dann zu erzählen, dass die Kartons mit den Lesezeichen schon jetzt in Dutzenden Buchhandlungen überall in Sachsen-Anhalt liegen. Der Deal ist: Wer ein Buch kauft, bekommt ein Lesezeichen – mit Werbung für die freien Theater in Sachsen-Anhalt.

Kampagne für neue Website Theatris gestartet

Maria Gebhardt ist die Chefin von deren Interessenvertretung, dem Landeszentrum Freies Theater – kurz: LanZe. Und sie hat sich vorgenommen, ihr neues Projekt mit mächtig Wumms der Öffentlichkeit vorzustellen. Und weil das Budget nicht reicht, "damit ich LED-Wände anmieten kann", liegt neben den Lesezeichen ein Karton mit Plakaten, einige hängen schon an der Tür des Besprechungsraums. Direkt daneben: eine Kiste mit schwarzen Beuteln, bedruckt mit der Aufschrift: "Wann warst du das letzte Mal im Freien?" Klar: die Doppeldeutigkeit ist bewusst gewählt.

Und wozu das alles? Maria Gebhardt und LanZe wollen Theatris bekannt machen – eine neue Website, die zum 1. Dezember an den Start gegangen ist und so vieles in einem sein soll: landesweiter Spielplan der freien Theater, Partner für Kulturbüros und Verwaltungen, Plattform zum Austausch für Schauspieler und Theatermacher, irgendwann auch mal Ticketing-Portal. Große Vision: die freien Theater besser miteinander zu vernetzen – und sichtbarer beim Publikum zu machen. 180.000 Euro lassen sich das das Land Sachsen-Anhalt und die Kulturstiftung der Länder kosten.

Was ist Theatris?

Eine neue Website, die alles rund um die freie Theaterszene in Sachsen-Anhalt bündeln soll.

Für wen ist Theatris gedacht?

Für Publikum, Schulen und Verwaltungen einerseits – für die Szene selbst andererseits. Während das Publikum einen benutzerfreundlichen und den Bedürfnissen angepassten Spielplan findet, soll die Szene selbst sich untereinander einfacher vernetzen können – und mehr voneinander wissen.

Was kann ich dort aktuell sehen?

Registriert sind aktuell etwa 50 Profile freier Theater. Das sind längst nicht alle, denn die Plattform soll wachsen. Geboten werden einerseits Informationen zu Spielplänen, andererseits zu Ensembles, freien Künstlerinnen und Künstlern und Pädagogen.

Wie können freie Theater mitmachen?

Indem sie Kontakt zum Landeszentrum freies Theater aufnehmen.

Wie wird das Projekt weiterentwickelt?

Das eigens für die Website gebaute Content Management System wird Mitte Dezember unter Entwicklern veröffentlicht. Dann können andere von der technischen Grundlage profitieren – und Vorschläge zur Weiterentwicklung machen. Darüber hinaus soll auch die Seite selbst wachsen, nicht nur inhaltlich. Für später sind auch die Abwicklung von Ticketkauf oder aber ein Forum geplant.

Um zu verstehen, warum es all das braucht, sollte man sich zuerst mal klar machen, wie die Theaterlandschaft aufgebaut ist: Es gibt die großen staatlichen Häuser, das Anhaltische Theater in Dessau, die Bühnen in Halle oder das Theater Magdeburg, das Theater der Altmark in Stendal – und noch einige mehr.

Freie Szene belebt mit Kultur den ländlichen Raum

Und dann gibt es die freie Szene: Die besteht einerseits aus Theaterprofis, die in ihren kleinen Häusern zum Beispiel in Stolberg Theater in den ländlichen Raum bringen, andererseits aus den Menschen, die mit ihren Puppenbühnen durchs Land reisen – und den mehr als 100 Amateurtheatern, deren Vorstellungen in kleinen Ortschaften oft liebgewonnene Tradition sind und Menschen zusammenbringen in einer Zeit, in der der ländliche Raum immer mehr Orte verliert, an denen sich Menschen überhaupt treffen können.

Das aber fällt in der Öffentlichkeit ganz gern mal herunter. Die Sichtbarkeit der freien Szene – sehr ausbaufähig, findet das Landeszentrum Freies Theater.

Die freie Theaterszene in Sachsen-Anhalt Nach einer Erhebung des Landeszentrums freies Theater gehören zur Szene rund 85 professionelle, freie darstellende Künstler, etwa 80 freie Tanz-, Theater- und Zirkuspädagogen und um die 130 Amateurtheater.

Maria Gebhardt hat deshalb die Vision, dass Theatris allen helfen soll, die sich mit der Szene beschäftigen – entweder, weil sie ins Theater gehen wollen oder aber, weil sie gemeinsam Theater machen wollen. Zuerst das Publikum: "Theatris", sagt Maria Gebhardt, "soll die eine Adresse sein für alles, was in der Umgebung stattfindet". Sie betont: Wer dort sucht – Eltern zum Beispiel, die jetzt in der Vorweihnachtszeit ein Märchen mit ihren Kindern anschauen wollen –, kann nach der Entfernung vom Wohnort suchen, nach der Altersgruppe filtern – und bekommt dann ein Ergebnis ausgespuckt.

Unsere Idee ist, dass man sich wunderbar auf der Plattform verlieren kann.

Maria Gebhardt Landeszentrum Freies Theater

Das hält sie vor allem im ländlichen Raum für wichtig. Denn dort, wo es keine Kulturbüros mehr gibt und der Veranstaltungskalender oft an der Gemeindegrenze endet, muss man erst einmal mitbekommen, dass ein paar Kilometer entfernt ein netter Nachmittag im Theater wartet. "Unsere Idee ist, dass man sich wunderbar auf der Plattform verlieren kann."

Und die, die Theater machen? "Sind oft Einzelkämpfer", sagt Maria Gebhardt. Theater macht man nicht eben mal so nebenbei – im Gegenteil. Planung, Bühne, Spielplan, Organisation, Öffentlichkeitsarbeit: ein Vollzeitjob. Mit Überstunden. "Wir wollen, dass sich die Szene untereinander kennenlernt", erzählt Gebhardt. "Dass sie Kooperationspartner findet für Folgeprojekte und einfach weniger Aufwand damit hat." Deshalb soll Theatris auch die Funktion bieten, Aufführungen in Veranstaltungskalender zu exportieren – mit wenigen Klicks, so benutzerfreundlich wie möglich.

So geht es der freien Theaterszene in Sachsen-Anhalt

Erst Corona – jetzt die Energiekrise. Die Zeiten waren schon mal leichter, für Theatermacher gilt das, wie für alle anderen auch. Der Unterschied: die meisten von ihnen haben kein gesichertes Einkommen, das Monat für Monat auf dem Konto landet. Wie also geht es der Szene? Maria Gebhardt sagt: den einen besser, den anderen weniger gut. Einige Theater hätten die Corona-Zeit und Fördergeld vom Staat genutzt, um ihre Bühnen weiterzuentwickeln, anderen war das Risiko zu groß.

Gebhardt nimmt deshalb eine wachsende Schere innerhalb der Szene wahr. Was bleibt, sei bei allen die Motivation. Die meisten Macher seien der Meinung: Wir machen weiter. Für das Publikum.

Glaubt man den ersten Stimmen einiger Akteure, könnte Theatris der richtige Weg für all das sein. Kevin Schulz etwa von den Magdeburger Kammerspielen sagte der Deutschen Presse-Agentur, Theatris könne die eigene Website fast ersetzen. Und Jennifer Krannich, die mit "niedlich&groß" Theaterstücke für Kinder ab zwei Jahren anbietet, spricht von einer "echt großen Chance". Bislang verteile sie Kärtchen nach ihren Auftritten in Kitas, Horten oder Grundschulen mit dem Ziel, wieder gebucht zu werden. Theatris könnte auch da Abhilfe schaffen – weil neben Schulen auch Stadt- und Gemeindeverwaltungen Adressaten sind.

Nun ist die Gefahr einer neuen Website in den Tiefen des Netzes immer auch, dass sie krachend scheitert – und niemand drauf klickt. Maria Gebhardt weiß das. "Das muss sich jetzt einspielen", sagt sie. Und dass die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer freies Theater erst einmal kennenlernen müssten. LanZe, so scheint es, will den Fokus deshalb zuallererst auf die freie Szene legen und ihr mit der Website weiterhelfen.

Spielplan für freie Theater soll entwickelt werden

Im Hintergrund laufen gerade viele Gespräche, in der Geschäftsstelle in Magdeburg klingelt ständig das Telefon. Es wird wohl klassisches Klinkenputzen. Und ständiges Weiterentwickeln der Seite. "Wir haben gerade erst angefangen", sagt Maria Gebhardt.

MDR (Luca Deutschländer)

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR – Das Radio | 01. Dezember 2022 | 16:30 Uhr

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