Birgit Pitschmann 1 min
Vor dem Amtsgericht in Stendal wurde erneut über die Kündigungen der Grundschullehrerin Birgit Pitschmann (zweite von rechts) verhandelt. Bildrechte: MDR/Katharina Häckl

Arbeitsgericht Stendal Prozess um verweigerte Zusatzstunde: Grundschullehrerin darf nicht wieder unterrichten

24. Juni 2024, 10:46 Uhr

Eine Grundschullehrerin aus dem Altmarkkreis Salzwedel, die eine Zusatzstunde verweigerte, darf nicht in den Schuldienst zurückkehren. Das Arbeitsgericht Stendal erklärte die fristlose Kündigung für ungültig, bestätigte jedoch die spätere ordentliche Kündigung. Die Lehrerin hat nun möglicherweise Anspruch auf sechs Monate Gehaltsfortzahlung, weil die fristlose Kündigung unwirksam war. Ob sie gegen das Urteil vorgeht, ist noch unklar.

Eine Grundschullehrerin aus dem Altmarkkreis Salzwedel, die keine Zusatzstunde für Lehrkräfte leisten wollte, kann nicht in den Schuldienst zurückkehren. Das Arbeitsgericht Stendal hat am Donnerstag zwar die fristlose Kündigung von Lehrerin Birgit Pitschmann für ungültig erklärt, die später ausgesprochene ordentliche Kündigung sei aber rechtens gewesen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Möglicher Anspruch auf Gehaltsfortzahlung

Die Lehrerin, so das Gericht, hätte sich direkt auf dem gerichtlichen Wege gegen die Zusatzstunde wehren müssen, statt diese zu verweigern. Da die fristlose Kündigung für unwirksam erklärt wurde, hat die Lehrerin nun möglicherweise Anspruch auf sechs Monate Lohnfortzahlung.

Ein Selbstläufer ist der Anspruch dem Bildungsministerium zufolge nicht. Vielmehr müsse noch gerichtlich darüber entschieden werden, ob und über welchen Zeitraum Gehaltsnachzahlungen in Frage kämen, stellte ein Ministeriumssprecher gegenüber MDR SACHSEN-ANHALT klar. Zudem müssten diese Ansprüche zunächst einmal geltend gemacht werden.

"Schmach der fristlosen Kündigung weg"

"Die Schmach der fristlosen Kündigung ist weg. Die fristgemäße Kündigung hat das Gericht aber für in Ordnung befunden. Jetzt warten wir auf die schriftlichen Entscheidungsgründe und dann entscheiden wir, wie wir weitermachen", sagte Pitschmanns Anwalt Marco Slotta MDR SACHSEN-ANHALT. Ob Pitschmann gegen das Urteil vorgeht, steht demnach noch nicht fest.

Noch Ende Mai hatte das Arbeitsgericht in Stendal die Urteilsverkündung im Prozess um eine gekündigte Lehrerin vertagt. Nach MDR SACHSEN-ANHALT-Informationen waren mehrere Schriftsätze noch nicht begutachtet worden. Das Gericht begründete dies mit einem ehrenamtlichen Richter der entscheidenden Kammer, der im Verlaufe des Prozesses aus Altersgründen ausgeschieden sei. Es brauche zwingend zwei ehrenamtliche Richter, das stünde so im Gesetz, erklärte der Vorsitzende Richter damals.

Vergleich abgelehnt

Wie die 60-jährige Lehrerin Birgit Pitschmann MDR SACHSEN-ANHALT sagte, hatte sie den zuvor mit dem Landesschulamt geschlossenen Vergleich im Streit um die Zusatzstunde abgelehnt.

Im April war von dem Arbeitsgericht entschieden worden, dass die Pädagogin ab Mai wieder unbefristet als Grundschullehrerin arbeiten kann. Auch ihre 30 Dienstjahre sollten demnach anerkannt werden. Allerdings hätte sie nun die vom Land verfügte Zusatzstunde leisten müssen. Im Gegenzug sollte sie auf alle etwaigen finanziellen Ansprüche an das Land verzichten.

Zusatzstunde um keinen Preis

Das Vergleichsangebot des Gerichts kam im April für die Beteiligten überraschend. Nach reiflicher Überlegung lehnte Pitschmann es ab. Denn gerade gegen die Zusatzstunde hatte sich Pitschmann die ganze Zeit gewehrt, deshalb war sie vom Land gekündigt worden. Als Grund für ihre Entscheidung nennt Pitschmann die Überlastung, die sie in den vergangenen Jahren erlebte.

"Am 1. August habe ich 40 Dienstjahre hinter mir. Und ich habe in den letzten zwölf Jahren immer Klassen gehabt, die so 26, 27 Kinder waren, die ich eingeschult habe, vier Jahre begleitet habe", sagt Pitschmann damals und ergänzt: "Die unterschiedlichen Lerntypen in den Klassen, das war immer wieder eine Herausforderung, und ich hab gemerkt, dass ich auch dort meine Grenzen erreicht hab." Mit der Vorgriffsstunde sei dann eine rote Linie überschritten worden, so die Lehrerin.

Zusatzstunde 2023 eingeführt

Um für weniger Unterrichtsausfall zu sorgen, müssen Lehrerinnen und Lehrer seit den Osterferien 2023 eine Stunde pro Woche zusätzlich vor der Klasse stehen. Diese Stunde können sie sich auszahlen lassen oder auf einem Arbeitszeitkonto ansammeln. Die betreffende Lehrkraft hatte sich mehrmals geweigert, die sogenannte Vorgriffsstunde zu leisten.

Das Landesschulamt sah darin eine Arbeitspflichtverweigerung und zog Konsequenzen. Die Lehrerin zog daraufhin vor Gericht. Laut Landesregierung Sachsen-Anhalt müssen Lehrer bis zum 62. Lebensjahr die so genannte Vorgriffsstunde halten. Birgit Pitschmann wird im August 61.

MDR (Katharina Häckel, Oliver Leiste, Moritz Arand, Lucas Riemer, Daniel Salpius) | erstmals veröffentlicht am 23. Mai 2024

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 20. Juni 2024 | 19:00 Uhr

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