Blockade im Bundesrat Viel Kritik an Sachsen-Anhalts Enthaltung zum Bürgergeld

14. November 2022, 19:50 Uhr

Wie angekündigt haben sich die unionsgeführten Länder am Montag im Bundesrat gegen das geplante Bürgergeld gestellt. Sachsen-Anhalt enthielt sich. Nicht nur die Opposition im Landtag zeigte sich davon enttäuscht, auch aus der Regierungskoalition meldeten sich kritische Stimmen zu Wort.

Sachsen-Anhalt hat sich am Montag bei der Abstimmung über das geplante Bürgergeld im Bundesrat enthalten und dafür viel Kritik kassiert. Der Magdeburger SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Kröber erklärte etwa, das Bürgergeld zu verhindern, sei feige und reiner Populismus. "Die Union hat die Ebene der Sachpolitik leider verlassen." In Sachsen-Anhalt erhielten knapp 55.000 Menschen Arbeitslosengeld II. "Viele wissen nicht, wie sie den nächsten Winter überstehen sollen. Diese Menschen lässt unser Ministerpräsident hängen."

Das soll sich mit dem Bürgergeld ändern

Mit dem neuen Bürgergeld soll Hartz IV ersetzt werden. Vorgesehen ist eine Erhöhung des heutigen Regelsatzes von 449 Euro auf 502 Euro für alleinstehende Leistungsempfänger. Arbeitslose sollen künftig weniger durch einen angedrohten Leistungsentzug unter Druck gesetzt werden, speziell im ersten halben Jahr ("Vertrauenszeit"). Vorgaben zur erlaubten Vermögenshöhe und zur Wohnungsgröße bei Leistungsbeziehern will die Ampel lockern.

Was bei der Abstimmung passierte

Das Bürgergeld der Ampel-Koalition wurde im Bundesrat vorerst gestoppt. Der Gesetzentwurf für die Sozialreform erhielt am Montag nicht die erforderliche Mehrheit. Damit kann das zum 1. Januar geplante Vorhaben zunächst nicht in Kraft treten. Wie zuvor angekündigt, verweigerten mehrere Landesregierungen unter Führung beziehungsweise mit Beteiligung der Union dem Vorhaben des SPD-Arbeitsministers Hubertus Heil ihre Zustimmung. CDU/CSU sind der Meinung, dass die allgemeine Bereitschaft zu Arbeiten mit dem Bürgergeld sinken könnte. Das schwarz-rot-gelb-geführte Sachsen-Anhalt beließ es vermutlich mit Rücksicht auf den eigenen Koalitionsfrieden bei einer Enthaltung.

"Dadurch wird Leistungswille gerade nicht anerkannt"

Für die Enthaltung des schwarz-rot-gelb geführten Sachsen-Anhalts gab es auch Kritik aus den eigenen Reihen. Der sozialpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Konstantin Pott, sagte: "Mit der heutigen Ablehnung des Bürgergeldes im Bundesrat haben CDU und CSU lediglich erreicht, dass zum Beispiel Auszubildenden aus einem Hartz-IV-Elternhaus – bei 800 Euro Ausbildungsvergütung - nur 240, statt zukünftig 604 Euro von ihrer eigenen Arbeit bleiben. Dadurch wird der Leistungswille gerade nicht anerkannt." Das neue Bürgergeld stehe für eine moderne, unbürokratische, faire und chancenorientierte Grundsicherung, so Pott.

Auch aus der Opposition hagelte es erwartungsgemäß Kritik. Der Grünen-Landesvorsitzende Dennis Helmich sieht im Verhalten von CDU und CSU im Bundesrat "eine Niederlage für die Betroffenen". "Auch in Sachsen-Anhalt würden sehr viele Menschen vom neuen Bürgergeld profitieren. Den Ärmsten in der Gesellschaft ausgerechnet in diesen äußerst schwierigen Zeiten vorzuenthalten, dass sie besser durch den Winter kommen, ist zynisch und respektlos."

Die Linke-Landtagsfraktion sprach von einem rückwärtsgewandten Bürgergeld-Blockadeversuch der CDU, der zur gesellschaftlichen Spaltung beitrage und dazu führe, "dass noch mehr Menschen abgehängt werden", kritisierte Fraktionschefin Eva von Angern.

CDU-Generalsekretär Mario Karschunke verteidigt Vorgehen

Sachsen-Anhalts CDU-Generalsekretär Mario Karschunke erklärte: "Die Entscheidung, das Bürgergeld abzulehnen, ist richtig." Hohes Schonvermögen und fehlende Sanktionen bei ausbleibender Mitwirkung und Pflichtverletzungen wären aus Karschunkes Sicht ein "gefährlicher Schritt hin zur Bedingungslosigkeit". Der Anreiz, eine Arbeit aufzunehmen, würde massiv verringert. "Das Bürgergeld wäre damit eine Respektlosigkeit gegenüber unseren Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, die durch ihre tägliche Arbeit unser Sozialsystem mit finanzieren", so der Generalsekretär.

Gewerkschaftsbund ebenfalls enttäuscht über Bürgergeld-Blockade der CDU

Die Landeschefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes Sachsen-Anhalt, Susanne Wiedemeyer, sagte MDR SACHSEN-ANHALT am Montag: "Es ist schon sehr erstaunlich, dass die CDU beim Bürgergeld so viel Wert drauf legt, dass die Menschen bestraft werden, wenn sie nicht den Anordnungen der Agentur für Arbeit folgen." Denn in anderen Bereichen, zum Beispiel bei der Kontrolle des Mindestlohns, habe sich die Partei bisher nicht mit der Forderung hervorgetan, dass diese deutlich verschärft werden müsse.

dpa/MDR (Ulli Wittstock, Daniel Salpius)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 14. November 2022 | 18:00 Uhr

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