Zwei moderne Mehrfamilienhäuser von oben
In Cottbus gibt es bereits seit 2018 energieautarke Wohnungen mit Pauschalmiete und Energieflaterate. Bildrechte: Umschau/MDR

Aschersleben Zur Pauschalmiete wohnen mit Energie-Flaterate

10. März 2023, 15:22 Uhr

In Aschersleben wird gerade eine ehemalige DDR-Platte zum weitestgehend energieautarken Wohnhaus umgebaut. Im Frühjahr soll es fertig sein. Nebenkostenabrechnungen wird es für die Mieter fünf Jahre lang nicht geben, denn solange soll ihr Mietvertrag mit integrierter Energieflaterate laufen. Wie das finanziert werden soll, haben wir uns angesehen.

Fertigstellung im Frühjahr geplant

Ein ehemaliger DDR-Plattenbau in der Kopernikusstraße in Aschersleben wird von der Ascherslebener Gebäude- und Wohnungsgesellschaft mbH (AGW) zu einem energieautarken Mietshaus umgebaut. Der Altbau wurde dazu entkernt, die Sanierungsarbeiten sind seit März 2022 in vollem Gange. Wer nach Abschluss der Arbeiten dort einzieht, bekommt einen Mietvertrag mit Pauschalmiete mit einem darin verankerten Fixbeitrag für Strom und Heizung.

Ablesungen und Abrechnungen für Heiznebenkosten oder vom Stromanbieter wie bei "normalen Mietverhältnissen" sind dann für die fünf Jahre Laufzeit des Mietvertrages Geschichte – unabhängig davon, ob die Energiepreise steigen. Lediglich eine recht komfortabel ausgelegte Verbrauchsobergrenze gilt es nicht zu überschreiten. Dafür sollen auch eine gute Dämmung und dreifach verglaste Fenster sorgen. Noch im Frühjahr 2023 sollen die Sanierungsarbeiten abgeschlossen sein. Solartechnik und Stromspeicherakkus versorgen die Wohnungen dann weitestgehend mit Energie. Wenn es im Winter nicht reicht, wird Ökostrom zugekauft.

Baugerüste vor einem grauen Gebäude
Dieser ehemalige DDR-Altbau in Aschersleben wird mit Solartechnik und Akkus ausgestattet zum energieautarken Wohnobjekt. Bildrechte: Umschau/MDR

Umbau eines Altbaus zum energieautarken Mietobjekt ist Neuland

An dem Ascherslebener Projekt maßgeblich beteiligt ist Energieexperte Timo Leukefeld aus Freiberg in Sachsen. Mit seinem Team hat er schon Neubauten für Inklusivmieten in Cottbus und Lübbenau geplant. Der Umbau eines Altbaus ist für ihn Premiere. Das Haus kommt mit wenig Technik aus, besonders bei der Heizung. "Normalerweise würde man bei der Heizung jetzt hier Heizkörper und jede Menge Rohre verlegen. Wir ersetzen das ganze Rohrleitungssystem nur durch Kabel, nutzen eine Infrarotheizung", erklärt er. Diese sei doppelt so langlebig wie eine Wärmepumpe und dazu noch völlig wartungsfrei.

Eine Infrarotheizung an der Zimmerdecke
An der Decke angebrachte Infrarotheizungen beheizen die Wohnung. Bildrechte: Umschau/MDR

Solch eine elektrische Infrarotheizung ist auch die Heizquelle der energieautarken Neubauanlage einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft in Lübbenau. Sie hängt als Platte unter der Decke. Das Modell verbraucht zwar etwas mehr Strom als eine Wärmepumpe, aber Strom wird zum Großteil billig im Haus selbst produziert. Patrick Reder ist einer der Mieter und zufrieden: "Für uns war das total komisch am Anfang, weil wir Fußbodenheizung und Heizkörper gewohnt waren. Aber mittlerweile ist es ein super angenehmes Wärmegefühl, was von oben kommt". Um die im Mietvertrag enthaltene Obergrenze an Energiekosten zu erreichen, müsste er den ganzen Tag das Fenster offen lassen. Grundbausteine des energieautarken Systems sind eine effiziente Solartechnik und Stromspeicher-Akkus.

Timo Leukefeld
Timo Leukefeld hat Energetik an der Bergakademie in Freiberg studiert. Heute leehrt er auch als Honorarprofessor. Bildrechte: Leukefeld/Foto: Stefan Mays

2018 bundesweit erster energieautarker Wohnungsneubau in Cottbus

Die bundesweit ersten Mietshäuser dieser Art wurden 2018 von einer Cottbusser Wohnungsgenossenschaft gebaut. Auch dieses Projekt wurde von Energieexperte Leukefeld betreut. "Die beiden Häuser sind monolitisch gebaut, mit einer dicken Ziegelwand. Sie haben sehr steile Dächer, die nach Süden ausgerichtet sind und die tiefstehende Sonne im Winter auch optimal nutzen können", sagt er.

Was an Energie nicht sofort verbraucht wird, wird in Akkus gespeichert. Integriert ist zudem ein Wärmespeicher, der 25.000 Liter Wasser fasst. Nach Angaben des Experten wird damit das Gebäude beheizt und Warmwasser erzeugt. "Waschmaschinen und Geschirrspüler bekommen schon warmes, von der Sonne vorgeheiztes Wasser und verbrauchen so 80 Prozent weniger Strom", erklärt Leukefeld einen Vorteil der Wirkungsweise der Anlage.

Und was wenn die Sonnenenergie den benötigten Strom nicht abdeckt? "Im Winter müssen wir Strom dazu kaufen. Aber übers Jahr produzieren wir insgesamt mehr Strom, als wir tatsächlich hier in dem Haus verbrauchen. Wir speisen also sehr viel ein", so die Erfahrungen von Frank Freyer von der Lübbener Wohnungsbaugesellschaft mbH mit Blick auf die energieautarken Wohnungen in Lübbenau.

Seit 2018 wurden in Deutschland nach Angaben von Tomo Leukefeld insgesamt bereits 650 Wohnungen nach diesem Modell geplant.

Der Kostencheck: Was müssen Mieter dafür bezahlen?

Vor der Sanierung kostete eine Wohnung mit 60 Quadratmetern im ehemaligen DDR-Plattenbau in Aschersleben an Kaltmiete, Heiz- und Nebenkosten sowie rund 2.200 Kilowattstunden Strom insgesamt rund 490 Euro. Das war noch weit vor dem Krieg in der Ukraine und den später folgenden Energiekosten-Explosionen.

Nach der Modernisierung soll dieselbe Wohnung inklusive Heizung und Strom pauschal 690 Euro kosten. Darin enthalten ist dann sogar Strom für ein E-Mobil. Die Höhe ist dann für fünf Jahre garantiert, auch wenn die Energiepreise steigen.

Die Kosten für die Energietechnik sind Teil der Baukosten. Die holt der Vermieter wieder rein, weil die Pauschalmiete höher ist als eine normale Kaltmiete. Der Vermieter kassiert sozusagen das Geld, das normalerweise der Stromversorger bekäme. Frank Freyer, von der Lübbener Wohnungsbaugesellschaft mbH (LWG) ist von dem Konzept überzeugt. Bezogen auf die Mietpreise seiner Objekte erklärt er: "Wenn ich das mit einem anderen Neubau, den wir letztes Jahr auch fertig gestellt haben vergleiche, zahlt der Mieter in dem anderen Objekt Euro 1,50 je Quadratmeter weniger im Monat als hier. Aber hier hat er seinen Haushaltsstrom noch mit dabei." Dabei sei garantiert, dass die Energiekosten für fünf Jahre festgeschrieben seien. "Was ich bei dem anderen Objekt nicht garantieren kann."

Die Umsetzung solcher Pauschalmiet-Projekte ist allerdings noch recht kompliziert, denn der Verzicht auf eine genaue Heizkostenabrechnung ist in Deutschland nur in Ausnahmefällen erlaubt. Das Team um Energieexperte Timo Leukefeld hat mit seinen Rechtsanwälten aber für Vertragssicherheit gesorgt.

MDR (cbr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 07. März 2023 | 20:15 Uhr

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