Kulturhistorisches Museum Magdeburg Luthers vergessenes Testament

14. Juli 2017, 22:04 Uhr

Worte wie "Hanswurst" oder "Rotzlöffel" verbinden die Wenigsten mit Martin Luther – und doch hat er sie benutzt. In einer Handschrift, die lange als verschollen galt, ledert der Reformator gegen seine Feinde. Eine Geschichte über eine halbe Weltreise voller glücklicher Zufälle. Das zeitgeschichtliche Dokument wird ab September in Magdeburg der Öffentlichkeit präsentiert.

Nichts weiter als "Kg 9" steht auf der Kiste, die der Direktor des Magdeburger Museums während des Zweiten Weltkrieges in den Salzstollen Staßfurts auslagern lässt. So unscheinbar die Kiste scheint, so besonders ist ihr Inhalt: drei Originalhandschriften von Martin Luther.

Eine der Schriften heißt "Wider Hans Worst". Eine Art Testament Luthers, in dem er seine Ansichten und sein Lebenswerk zusammenfasst. Luther schickt es einem katholischen Erzfeind, der seinen Freund und Reformationsförderer – den Wettiner Kurfürsten Friedrich – angegriffen hatte. Es fallen die Worte Hanswurst, Rotzlöffel und Teufelsmaul. Luther notiert all dies kurz vor seinem Tod. Doch nicht nur wütende Anschuldigungen, sondern eine sehr persönliche Zusammenfassung seiner Ideen und Visionen bringt er hier zu Papier. Der Reformator schreibt sich viel von der Seele.

In den Wirren der Nachkriegszeit geht alles, was im zerstörten Staßfurter Stollen lagerte, verloren. Spezialisten meinen, es wäre verbrannt. Auch die Kiste "Kg 9".

Über Missouri zurück in die Heimat

Doch das stimmt nicht. Zwangsarbeiter hatten die Kiste inklusive der drei Schriften gestohlen. Zwei nehmen sie mit, das Testament-Manuskript lassen sie liegen. Dies findet ein amerikanischer Militärkaplan. Der weiß genau, was er in den Händen hält. Er nimmt das wertvolle Original sofort an sich und später mit nach Hause. Dort übergibt er es dem Luther-Forschungszentrum St. Louis (Missouri).

Als die Mauer fällt, melden sich die Lutherforscher vom Mississippi in Magdeburg. Sie wollen, dass "Luthers letzter Wille" nach Hause zurückkehrt.

Der Historiker Tobias von Elsner und der damalige Museumsdirektor Matthias Puhle reisen in die USA. Puhle erinnert sich: "Die einzige Bedingung der Amerikaner war, dass der Museumsdirektor nach Amerika kommt, eigenhändig diese Lutherhandschrift entgegennimmt und sie nach Deutschland zurückführt." Sie hätten kein Geld gewollt, sondern lediglich einen Festakt als Übergabe. 1996 – nach vielen Untersuchungen – kehrt die Handschrift schließlich unversehrt nach Magdeburg zurück.

Was aus den anderen beiden Schriften geworden ist, weiß niemand. Auch Puhle, von Elsner und die Amerikaner nicht. "Also wir sind davon ausgegangen, dass die beiden nicht mehr existieren und haben dann auch gar nicht gefragt", sagt Puhle rückblickend, wenn er an seine USA-Reise denkt.

Nur eine Mitarbeiterin kann sich erinnern

Doch kaum ist das vermeintliche Luther-Testament in Magdeburg, da tauchen auch die beiden anderen Originale wieder auf – im Februar 1996. Sie waren bereits in den 1950er Jahren in Darmstadt beschlagnahmt und 1986 im Zuge des deutsch-deutschen Kulturabkommens nach Magdeburg zurückgegeben worden. Im Wende-Trubel interessiert sich jedoch keiner so recht dafür und die Verantwortlichen packen die beiden Lutheroriginale kurzerhand in einen Tresor der Stadtbibliothek. Dort lagen sie so sicher, dass man sie vergaß. Peter Pusch, damals Direktor der Stadtbibliothek, spricht von einem reinem Zufall: "Es gab noch eine einzige Mitarbeiterin, die bei uns im Lesesaal gearbeitet hat und die die Altbestände noch kannte und die sich an diesen Vorgang noch ganz schwach erinnern konnte."

Die drei wiedergefundenen Luther-Autographen sind ein einzigartiges Zeitdokument der Reformation – Schade nur, dass sie bislang kaum einer kennt. Das soll sich ändern. Ab 1. September 2017 werden sie ausgestellt – im Kulturhistorischen Museum Magdeburg.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 13.07.2017 | 19:00 Uhr

Quelle: MDR/ff

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