100 Sekunden Puppentheater Magdeburg: Neue Intendantin startet mit vier Uraufführungen

06. Oktober 2023, 20:45 Uhr

Sabine Schramm ist die neue Intendantin des Puppentheaters Magdeburg. Sie startet mit vier Uraufführungen rund um das Thema "100 Sekunden Leben". Im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT spricht sie über ihre Wurzeln und Ziele und darüber, was ihr Theater bedeutet. Eine Porträt von Heike Bade.

Was wäre, wenn wir nur noch 100 Sekunden zu leben hätten? Mit vier Welturaufführungen zusammengefasst in der Inszenierung "100 Sekunden" setzt die neue Intendantin Sabine Schramm vom Magdeburger Puppentheater ein Zeichen zu ihrem Start in der Landeshauptstadt. Das gab es so noch nie an dem 1958 gegründeten Puppentheater. In diesem Fall führt die Puppenspielerin und Theaterpädagogin nicht Regie. Sie steht auf der Bühne und führt die Zuschauer durch den Abend.

Hintergrundinfos zum Puppentheater

1958 gegründet, hat sich das Puppentheater Magdeburg heute zu einem der erfolgreichsten Ensemblepuppentheater Deutschlands entwickelt. Jährlich werden nach eigenen Angaben mehr als 52.000 Gäste in 400 Veranstaltungen auf den Bühnen des Hauses mit insgesamt über 200 Plätzen begrüßt. Internationale Gastspielreisen tragen die Magdeburger Inszenierungen in die ganze Welt. Zusammenarbeiten mit den Figurentheater-Studiengängen in Berlin und Stuttgart, mit internationalen Künstlern sowie eine kontinuierliche Weiterentwicklung des eigenen künstlerischen Ausdrucks machen das Theater zu einem lebendigen Ort zeitgenössischer Puppenspielkunst.

Der Weg zum Theater

Schramm wächst in Oberbayern auf. "Als Kind habe ich gedacht, dass ich Prinzessin werden wollte, dann kam eine Phase von Tiefseetaucher bis zum Astronauten. Danach dachte ich daran Eiskunstläuferin zu werden und dann - sehr, sehr lange - wollte ich Bildhauerin werden" erzählt sie. "Das Theater ist erst später zu mir gekommen und die Lust Geschichten zu erzählen".

Mit 20 Jahren entscheidet sich die heute 53-Jährige für ein Studium der Kunst- und Theaterpädagogik. Sie entwickelt sich weiter, wird Figurenspielerin und Schauspielerin. Sie probiert sich in Bildender Kunst aus, im Film, in der Bildhauerei, dann macht sie einen Abschluss in Personalentwicklung. Ihre Berufslaufbahn verläuft im Zick-Zack. Aber alles rankt sich um die Kunst, ums Theater. Sie macht mit dem, was sie tut und ihrer oft ungewöhnlichen Herangehensweise ständig auf sich aufmerksam.

In Gera ist sie zwölf Jahre lang die künstlerische Leiterin des Puppentheaters. Sie inszeniert und spielt selber. Ihre Liebe zur Bildhauerei, sagt sie, hätte sie fast zwangsläufig dazu gebracht, sich mit dem Figurentheater auseinander zu setzen.

"Die zwölfJahre in Gera haben mir gezeigt, wie man mit dem Publikum umgehen kann. Es ist auf der einen Seite wichtig, dass die Kunst stimmt. Das ist das Herzstück", so die neue Intendantin. "Und wenn wir dann noch drum herum, auf und hinter der Bühne als Team zusammenarbeiten, dann ist alles in der Waage". Das Gleichgewicht scheint Teil ihres Erfolgs zu sein. Hört sich leicht an, ist aber sehr schwer zu halten.

Von der Zwischenstation zur Intendanz

Anfang der 90er Jahre arbeitet Sabine Schramm schon einmal in Magdeburg am Puppentheater. Der damalige Intendant Michael Kempchen hat sie eingestellt. Knapp zwei Jahre dauert damals ihr Aufenthalt in der Stadt an der Elbe. Danach spielt sie in vielen großen Städten in Deutschland. Sie entwickelt sich immer weiter, bekommt Preise für ihre innovative Arbeit.

"Ich würde sagen, dass die Kunst in mannigfacher Weise mein Leben bestimmt. Ich habe immer versucht, über die Kunst einen Ausdruck zu finden. Je länger man auf der Bühne steht, entwickeln sich Dialogformen auch mit dem Publikum", erzählt Sabine Schramm. Auch die Stille sei eine Dialogform durch die sie mit den Zuschauern kommuniziert. Das alles hat sie zu dem gemacht, was sie heute ist – die neue Intendantin.

Verantwortung für mehrere Häuser

Mit Ehrfurcht und Respekt übernimmt sie damit nicht nur die Verantwortung für 45 Mitarbeiter, sondern auch für verschiedene Häuser, die zum Puppentheater Magdeburg gehören. Neben dem eigentlichen 65 Jahre alten Theater, sind da noch die "Figurenspielsammlung Mitteldeutschland" – eine Art Museum für Spielpuppen – und der Bau einer neuen Bühne. Acht Stunden an fünf Tagen in der Woche reichen vorn und hinten nicht aus, das alles im Blick zu behalten.

Um zwischendurch mal den Kopf frei zu bekommen, geht die Künstlerin an die nur knapp drei Minuten entfernte Elbe. "Der Fluß hat etwas Magisches", so Sabine Schramm. "Außerdem habe ich festgestellt, von wie vielen Orten aus man in Magdeburg den Dom sehen kann". Auch das ist schon ein neuer Lieblingsort für sie. "Das ist ein Raum in den man hineinkommt, da ist alles licht und hell. Da fühle ich mich wohl".

Niedrigwasser auf der Elbe in Magdeburg, Weisse Flotte
Die Ebe ist ein Ort, der Schramm beruhigt. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO / Christian Schroedter

Die Bedeutung von Theater

Natürlich sind ihre Pausen vom Theateralltag auch kreative Pausen, in denen sie ihre Erlebnisse verarbeitet und darüber nachdenkt, was Theater ihr eigentlich bedeutet: "Seitdem ich Theater mache, habe ich das Gefühl, dass Kunst die Welt ein bisschen besser macht. Kinder sitzen in der Vorstellung, stellen Fragen und kommen anders aus dem Theater heraus, als sie reingekommen sind."

Ein Bespiel sei ihr dabei besonders in Erinnerung geblieben, erzählt Sabine Schramm. Ein kleines traumatisierten Mädchen, dass schon lange nicht mehr gesprochen hat, hat durch das Theater wie durch ein Wunder die Sprache wiedergefunden. Die Familie, Ärzte, Therapeuten und Lehrer hatten das nicht geschafft. Theater als Therapie schon.

Überhaupt sieht Sabine Schramm neben der ganzen Digitalisierung und Hektik im Alltag, die ganz große Chance der Bühne. "Solange ein Mensch über die Bühne geht und ein anderer schaut zu, kann das ein großes besonderes Erlebnis sein".

Traditionen und neue Wege

Als neue Intendantin wird sie zwar neue Wege beschreiten, aber auch an alten liebgewonnenen Traditionen festhalten. Das Hofspektakel im Sommer wird es auf jeden Fall weiter geben, die Kinderkulturtage ebenso wie das internationale Figurentheaterfestival und das Weihnachtsmärchen für Kinder. Im Augenblick dreht sich alles um "100 Sekunden". Ein nahezu philosophisches Stück über die Frage: Was wäre wenn wir nur noch einhundert Sekunden Zeit hätten? Was würden wir tun oder auch lassen?

Ein schwerer Stoff, mit einer Leichtigkeit auf die Bühne gebracht und mit einer wirklichen Überraschung am Ende des Stückes, nachdem der Vorhang schon gefallen ist. So viel sei schon mal verraten. Und auch, dass Sabine Schramm, die neue Intendantin des Puppentheaters Magdeburg, maßgeblich damit zu tun hat.

MDR (Heike Bade, Leonard Schubert)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 06. Oktober 2023 | 19:00 Uhr

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