Generationswechsel in der Landwirtschaft Was eine junge Landwirtin aus Niederndodeleben antreibt
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05. Februar 2023, 13:33 Uhr
In Sachsen-Anhalts Landwirtschaft fehlt es an Nachwuchs. Arbeiten im Sommer, wenn andere Urlaub machen. Techniker, Betriebswirt, Pflanzenbauer – alles in einer Person. Lange Arbeitstage, unternehmerisches Risiko, das Wetter, dazu wechselnde Vorgaben in der Politik. Einen landwirtschaftlichen Betrieb zu übernehmen, das muss man sich erstmal trauen. Was eine junge Landwirtin aus der Börde antreibt.
In sanft geschwungenen Hügeln verläuft das Land bei Niederndodeleben. Bei Temperaturen knapp über null Grad, Wind und Regen stapft Isabel Schnehage über den schlammigen Acker. Sie hat einen Eimer mitgebracht und eine Schippe.
Auf dem Feld
"Es ist wichtig zu wissen, wie sich der Boden zusammensetzt, damit man ihn bedarfsgerecht düngen kann", sagt sie. Die Pflanzen sollen optimal versorgt sein. Das Landwirtschaftsjahr, das beginnt erst noch.
Die meisten Sachen lernt man wirklich, wenn man sie macht. Und wenn man sich zu Hause auch am Abendbrotstisch unterhält.
Die junge Landwirtin ergänzt: "Wir warten jetzt vielleicht die letzten Fröste noch ab, hoffen auf noch einmal ein bisschen Schnee, damit der Wasservorrat in den Beständen oder im Boden wieder aufgefüllt werden kann." Das Erdreich ist feucht. Der Boden feinkrümelig. "Das heißt, der PH-Wert ist in Ordnung", stellt Isabel Schnehage fest. "Und wenn wir Glück haben, finden wir vielleicht noch einen Regenwurm, unseren wichtigsten Helfer."
Die Arbeit auf dem Feld erfordert viel Wissen. Fachlich, aber vor allem praktisch. Und dieses Wissen hat Isabel Schnehage im Familienbetrieb quasi von Zuhause aus mitbekommen. "Die meisten Sachen lernt man wirklich, wenn man sie macht. Und wenn man sich zu Hause auch am Abendbrotstisch unterhält." Kein Tag sei wie der andere. "Es kann mittags regnen, und der ganze Plan, den man morgens um sieben gemacht hat, ist vorbei."
Überhaupt: Den Takt des Lebens, den gibt die Arbeit vor. Die Arbeit auf dem Feld. Die muss getan werden. "Wenn meine Freunde in den Urlaub fahren, in den Sommermonaten, dann hab ich halt das große Glück und sitz auf dem Mähdrescher", sagt sie. Aber das mache den Beruf aus. "Und dafür weiß ich ja am Ende, was ich geerntet habe." Darauf wird das ganze Jahr hingearbeitet. "Aber, dafür muss man schon geboren sein."
Ein Hof in Niederndodeleben
Isabel Schnehage und ihre Familie bewirtschaften von ihrem Hof in Niederndodeleben in der Börde aus rund 550 Hektar Land mit Raps, Getreide, Erbsen. Marktfrüchte wachsen auf den Feldern. Der Pflanzenanbau und die Arbeit auf dem Acker sind aber nur ein kleiner Teil des Jobs. Große Landmaschinen fahren und reparieren, gehört auch dazu. Landwirt zu sein, das bedeutet heutzutage, mit High Tech zu arbeiten. Und dann ist da noch die Verwaltung, das Management.
Landwirte sind Unternehmer und Netzwerker
Landwirte sind Unternehmer. Isabel Schnehage verbringt viel Zeit im Büro. Eigentlich mehr als sie will. Buchhaltung, Rechnungen, Dokumentation schreibt sie. Diejenigen, die sich für die Selbstständigkeit entscheiden, brauchen Austausch. Ansprechpartner, ein Netzwerk. Und das hat die Landjugend organisiert. Das Landwirtschaftsministerium unterstützt dabei. Bei der "Nacht der jungen Betriebsleiter" haben junge Landwirte auch Tacheles gesprochen. Wir waren mit der Kamera dabei.
Landwirtschaft als Lebensentscheidung
Arbeiten im Familienbetrieb und selbstständig: Das ist eine Lebensentscheidung. Feierabend kann da durchaus relativ sein. Abschalten mitunter schwierig. "Findet man die Grenze, wenn man hier abends die Tür zumacht und ins Bett geht?", fragt sie. "Da muss man dann selber auch gucken, damit man da nicht auf der Strecke bleibt. Sobald jeder kleine Tropfen Regen kommt, ist das ein Segen. Und das Gewissen ist wieder ein bisschen beruhigter."
Sich als junger Mensch für die Landwirtschaft zu entscheiden, dafür braucht es Mut. Viele würden mit Landwirtschaft nicht viel Positives verbinden, stellt Isabel Schnehage fest. Die Akzeptanz und Anerkennung nehme stetig ab. "Und viele wissen auch gar nicht, wie vielfältig der Beruf eigentlich ist." Schnehage hat sich eingearbeitet. "Am Anfang habe ich so viele Fehler gemacht. Die würde ich heute natürlich nicht machen. Learning-by-Doing", sagt sie.
Viele wissen auch gar nicht, wie vielfältig der Beruf eigentlich ist.
Viel Zeit am Schreibtisch
Neben der Feldarbeit verbringt sie auch viel Zeit im Büro. "Ich hätte nie gedacht, dass es so viel Bürokratie und so viel Schreibaufwand ist." Eigentlich fahre sie aber auch total gern Trecker. Tage- und wochenweise kommt sie aber selten weg, vom Schreibtisch. Wann ist der beste Zeitpunkt, Dünger zu kaufen? Wann der richtige, Weizen zu verkaufen? Das passiert alles im Büro. Die Qualität ihrer Produkte ist ihr wichtig. Nicht stetig zu wachsen oder mehr Fläche zu bewirtschaften, stellt sie fest. Einen Hof als Familienbetrieb zu führen, das ist nicht der Standardfall in Sachsen-Anhalt. Die Strukturen sind hier, historisch gewachsen, eher größer.
Ein Generationswechsel steht an
Es gibt Hilfen für junge Landwirte, die in die Selbstständigkeit gehen. Dennoch fehlt es an Nachwuchs. Landwirtschaft stehe an einem Wendepunkt, stellt Isabel Schnehage fest. Sie beobachtet, dass junge Menschen sich sträuben, ihren Weg einzuschlagen. "Weil es einfach gerade so viele Risiken gibt."
Das Wetter, die Weltpolitik, die Börse, sich ständig ändernde politische Vorgaben, nach denen Landwirte wirtschaften müssen. Sie wünscht sich: Sicherheit. "Dass man da einfach sagt: Okay, ich kann planen, ich kann wirtschaften. Und ich kann davon noch meine Familie ernähren."
Die Natur gibt den Takt der Arbeit vor
Auf dem schlammigen Acker jedenfalls herrscht noch Winterruhe. "Ja, man wird robuster, man muss ja bei Wind und Wetter draußen sein", sagt Isabel Schnehage. "Wenn wir denn jetzt, im Frühjahr oder im Herbst über den Acker laufen und die Steine sammeln, dann spart man sich das Fitnessstudio." Arbeit, die getan werden muss. Denn trotz aller Unwägbarkeiten, eines wird sich in der Landwirtschaft wohl nie ändern: Auf den Feldern kann nur geerntet werden, wenn es auch in Zukunft genug Landwirte gibt, die sie bewirtschaften
MDR (Tom Gräbe)
MDR SACHSEN-ANHALT
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