Maßnahme gegen Lehrermangel Warum die Zusatzstunde nicht den gewünschten Effekt hat
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vom Sabine Falk-Bartz, MDR SACHSEN-ANHALT
08. Dezember 2023, 06:41 Uhr
Mit einer Zusatzstunde wollte das Bildungsministerium in Sachsen-Anhalt dem Lehrermangel im Land und dem Unterrichtsausfall entgegenwirken. Doch an vielen kleinen Schulen funktioniert das System nicht, wie das Beispiel der Grundschule in Hadmersleben im Landkreis Börde zeigt. Eltern sind besorgt um die Qualität des Unterrichts.
- Die in Sachsen-Anhalt eingeführte Zusatzstunde wirkt dem Unterrichtsausfall nur bedingt entgegen.
- An der Grundschule Hadmersleben liegt die Unterrichts-Versorgung momentan bei knapp 67 Prozent.
- Das Bildungsministerium setzt verstärkt auf Seiteneinsteiger. Auch eine Verkürzung des Lehramtsstudiums wird diskutiert.
An Sachsen-Anhalts Schulen fallen trotz der Zusatzstunde rund 4 bis 6 Prozent des Unterrichts aus. Die im April eingeführte sogenannte Vorgriffsstunde, mit der das Land rechnerisch 500 neue Lehrer generiert hat, funktioniert nicht, bemängeln etwa die Eltern der Grundschule in Hadmersleben im Landkreis Börde. So ist es auch an vielen anderen kleinen Standorten.
In Hadmersleben gibt es vier Klassen, pro Jahrgang eine. Vier Lehrkräfte arbeiten dort, eine davon ist die Direktorin. Erkrankt ein Lehrer, dann wird es schwierig. Die Ausfall-Quote an Schulen in Sachsen-Anhalt variiert. An Sekundarschulen ist sie mit mehr als 6 Prozent am höchsten, an Grundschulen sind es 4,3 Prozent des Unterrichts.
Eltern: Unterrichts-Abdeckung von 67 Prozent
In Hadmersleben fällt der Unterricht nicht gleich aus, er wird im Idealfall vertreten. Im Beamtendeutsch heißt das: Vertretung des zeitweilig nicht planmäßig erteilten Unterrichts. Der liegt an Grundschulen durchschnittlich bei 63 Prozent. An Gymnasien ist der Wert geringer, da man dort zum Beispiel auf Selbststudium ausweichen kann.
Die Eltern in Hadmersleben sprechen auch von einer Abdeckung von nur 67 Prozent. Doch sie machen der Schule keinen Vorwurf, denn die Lehrer tun, was sie können. Mütter und Väter sorgen sich um die Qualität des Vertretungs-Unterrichts. Erst letztens seien wieder zwei Klassen in der Aula zusammengelegt worden und es lief ein Film, sagte Mutter Marie Gombert-Rumpf MDR SACHSEN-ANHALT. "Wenn ein Lehrer ausfällt, dann springt der pädagogische Mitarbeiter ein, dann ist es keine Schulbildung mehr, sondern nur noch Betreuung."
Bildungsministerium: 300 zusätzliche Mitarbeiter
Das Bildungsministerium kennt die Probleme. 340 zusätzliche pädagogische Mitarbeiter wurden dieses Jahr eingestellt. Unterrichten sollen die aber nicht, sagt Bildungsministerin Eva Feußner (CDU): "Pädagogische Mitarbeiter können keinen wertigen Unterricht ersetzen, sie können unterstützen. Man kann sie einsetzen, wenn mal kein Lehrer da ist, sie können beim Selbststudium betreuen. Regulärer Unterricht an Schulen durch sie ist nicht geplant."
Viel Ausfall und Vertretungsstunden
Doch viele der rund 900 pädagogischen Mitarbeiter im Land springen regelmäßig ein. Sonst würde noch viel mehr ausfallen. Laut Feußner fällt der Unterricht vor allem in den sogenannten Mangel-Fächern aus, also Musik, MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik), aber auch im Kernfach Deutsch sowie Sport. Den hat die 1. Klasse von Hadmersleben übrigens auch nur einmal in der Woche, weil ein von einer anderen Schule abgeordneter Lehrer aushilft. Üblich wären drei Stunden.
Zu Unterrichtsausfall und Vertretungsstunden kommen noch die hohen Klassenstärken hinzu. In Hadmersleben besuchen 32 Schülerinnen und Schüler die erste Klasse. Alle Versuche der Eltern, das zu verhindern, scheiterten am Lehrermangel.
Und das bedeutet letztendlich: zu Hause nacharbeiten. Das stresst Eltern wie Schüler – und ist nicht für alle machbar, sagt Eltern-Sprecherin Juliane Giggel: "Bei unserer großen Tochter waren 15 Kinder in der Klasse, da merkt man den Unterschied. Nicht alle Kinder bekommen im Unterricht die gleiche Zeit dranzukommen. Und es gibt immer Elternhäuser oder Kinder, die das zu Hause zeitlich nicht können". Diesen Kindern würde jetzt schon die Zukunftsperspektive genommen.
Bildungsministerium setzt auf Seiteneinsteiger
Das Bildungsministerium setzt derweil auf Seiteneinsteiger, denn die Zahl der Lehramtsstudenten, wenn sie überhaupt fertig studieren, reicht bei weitem nicht, sagt Feußner: "Wir haben derzeit im Schuldienst rund 14.000 Lehrer in Vollzeit, davon sind 11 Prozent, also 1.500 Lehrer, im Seiteneinstieg. Wenn wir derzeit neu einstellen, ist die Hälfte aus dem Seiteneinstieg, die andere Hälfte sind ausgebildete Lehrer."
Für die Seiteneinsteiger wünscht sich Eva Gerth von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), dass sie besser im Schulalltag aufgenommen würden und nicht gleich das volle Stunden-Pensum übernehmen müssten. Darüber hinaus wäre eine Entlastung der älteren Lehrer wünschenswert, so Gerth. "Im Moment verlässt über die Hälfte der Lehrkräfte mit dem erstmöglichen Renten-Eintritt den Schuldienst. Die älteren würden vielleicht eher länger bleiben mit Entlastung, wenn sie sich auf Unterricht konzentrieren könnten."
Kultusminister diskutieren verkürztes Lehramtsstudium
Der Druck an den Schulen und aufs Ministerium ist immens: Fast jeder zweite Lehrer in Sachsen-Anhalt ist über 55 Jahre alt. So soll jetzt auf der Kultusministerkonferenz die Verkürzung der Studienzeiten diskutiert werden, zumindest für Grund- und Sekundarschule. Und in Sachsen-Anhalt sollen Abordnungen an andere Schulen beschleunigt werden, bei gleichzeitiger "Anreiz-Zulage", sprich "Schmerzensgeld" für die betroffenen Lehrkräfte.
Und nicht zuletzt sind seit Ende November erneut hunderte Lehrerstellen für Sachsen-Anhalt ausgeschrieben, darunter auch drei für Hadmersleben.
MDR (Sabine Falk-Bartz, Cornelia Winkler, Annekathrin Queck)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 07. Dezember 2023 | 19:00 Uhr
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