Weg zu neuer Landesregierung Wie die Koalitionsverhandlungen von CDU, SPD und FDP jetzt ablaufen – und wo Streit droht
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19. Juli 2021, 18:30 Uhr
Auf dem Weg zu einer neuen Regierung in Sachsen-Anhalt soll es am Dienstag zu den ersten Verhandlungen zwischen CDU, SPD und FDP kommen. Zu besprechen gibt es viel, denn in den Vorgesprächen konnten nur einige der vielen möglichen Konfliktfelder geklärt werden. MDR SACHSEN-ANHALT fasst zusammen, welche Punkte nun im Detail verhandelt werden müssen und wer bei den Parteien für welchen Posten gehandelt wird. Denn um Letztere geht es nun auch.
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Die CDU will. Die FDP will. Und die SPD will nun auch. Nach dem Parteitag der Sozialdemokraten am Freitag können in Sachsen-Anhalt die Verhandlungen über eine schwarz-rot-gelbe Koalition beginnen. Am Montag sprachen sich die Parteien noch einmal intern ab, in den kommenden Tagen will man sich zusammensetzen.
So sind die Verhandlungen strukturiert
Die Gespräche sollen vorerst drei Wochen dauern, so der Plan. Dafür haben die Parteien die Diskussionen in elf Themenfelder aufgeteilt. In diese Verhandlungsgruppen entsendet man jeweils rund eine Handvoll Vertreterinnen und Vertreter. Die großen Eck- und Streitpunkte klärt eine Spitzengruppe. Diese setzt sich aus dem Spitzenpersonal von CDU, SPD und FDP zusammen.
Zuvor hatten sich die drei Parteien bei mehreren Vorgesprächen auf einige Zwischenergebnisse geeinigt. Etwa, dass die Gemeinschaftsschulen im Land erhalten bleiben sollen. Dass der Ausbau der A14 weiter vorangetrieben wird. Und dass die Kita-Beiträge auch dann gesenkt bleiben sollen, wenn die Bundesmittel dafür auslaufen.
Diese Voreinigung soll Vertrauen zwischen den möglichen Partnern schaffen und ein Scheitern der Verhandlungen erschweren. MDR SACHSEN-ANHALT liegt eine Version dieses Papiers vor. Es zeigt, dass noch allerhand Konfliktpotenzial zu überwinden ist.
Innenpolitik sowie Tariftreue- und Vergabegesetz könnten Knackpunkte werden
Ein mögliches Streitfeld ist der Bereich Inneres, Sicherheit und Integration. Schnell dürfte man sich darauf einigen, die Anzahl der Polizeivollzugsbeamten auf 7.000 zu erhöhen. Das haben CDU, SPD und FDP gleichsam im Wahlkampf gefordert. Bei anderen Punkten liegen die Parteien noch auseinander. Die SPD hat beispielsweise am Freitag ihre Forderungen nach einem unabhängigen Polizeibeauftragten und einem Antidiskrimierungsgesetz erneuert. Beides lehnt die CDU ab. In der Zusammenfassung der bisherigen Sondierungsergebnisse fehlt der gesamte Bereich völlig. Das bedeutet allerdings, dass die Parteien ihn nicht als derart kritisch eingeschätzt haben, als dass die Verhandlungen hier scheitern könnten.
Eine Kernforderung der SPD ist zudem ein Tariftreue- und Vergabegesetz. Damit würde geregelt, unter welchen Bedingungen öffentliche Einrichtungen Aufträge an Unternehmen vergeben können. Vor allem geht es darum, wie die Unternehmen ihre Angestellten bezahlen. Die SPD möchte über das Gesetz für bessere Löhne im Land sorgen. CDU und FDP wollen sich darauf einlassen. Dann müssten Unternehmen, um die Aufträge zu bekommen, sich entweder an die Tarife ihrer jeweiligen Branchen halten oder einen sogenannten Vergabemindestlohn zahlen. Wie hoch der wird, ist allerdings noch strittig. Die SPD hat ursprünglich 13 Euro pro Stunde gefordert. Bislang hat man sich aber nur darauf geeinigt, dass der Wert über dem bundesweiten Mindestlohn liegen soll. Der liegt aktuell bei 9,60 Euro, ab Sommer 2022 dann 10,45 Euro. Also deutlich unter 13 Euro.
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In der Gesundheitspolitik wollen CDU, SPD und FDP die Schließung weiterer Krankenhäuser nicht vorantreiben. Gleichzeitig sollen im Land neue Lösungen für die Gesundheitsversorgung vor Ort eingeführt werden. Welche das sind, muss nun geklärt werden. Schließlich sollen diese Neuerungen aus Landesmitteln bezahlt werden.
Einen neuen Wirtschaftsaufschwung wollen die drei Parteien dadurch anschieben, dass Unternehmen staatliche Gelder schneller anzapfen können. Es soll neue Hilfen geben. Für die vereinbarte Investitionsbeschleunigung und den Abbau von Bürokratie braucht es jetzt aber genaue Angaben, welche Vorschriften und Hürden wegfallen sollen. Auch die Vergabe öffentlicher Aufträge soll trotz neuer Vorgaben (Tarifetreue und Mindestlohn) einfacher werden.
Corona-Finanzen wurden bereits in bisheriger Regierung angegangen
Die Parteien wollen mit einem sogenannten Sondervermögen die Folgen der Corona-Krise stemmen und dafür neue Schulden machen. Vorbereitet wurde dieses Vorhaben bereits von der derzeit noch geschäftsführenden Regierung. In einer Analyse aus dem Finanzministerium, die MDR SACHSEN-ANHALT vorliegt, werden drei Säulen für die Ausgaben genannt: Digitalisierung – sofern sie zur Pandemiefestigkeit beträgt –, ein neuer Aufschwung von Wirtschaft und Gesellschaft sowie die Stärkung des Gesundheitswesen und -managements.
Bei jeder Maßnahme müsste allerdings ihre Notwendigkeit begründet werden. Deshalb ist noch unklar, was genau finanziert werden soll. In dem Papier des Finanzministeriums werden zum Beispiel Überbrückungshilfen, Investitionen in schulische Nachhilfen und der Breitbandausbau als positive Beispiele genannt. Bereits kritischer sieht man Bauvorhaben oder die Digitalisierung der Verwaltung. Schlechte Chancen räumt das CDU-geführte Haus dem Ausbau von Radwegen ein. Der wichtigste Punkt: Das Sondervermögen soll sich am tatsächlichen Bedarf bemessen – die Gesamthöhe wird also nicht vorab festgelegt.
Den Gemeinden im Land will man durch die Corona-Pandemie weggebrochene Steuereinahmen ausgleichen. Dafür sind 66 Millionen Euro eingeplant. Zudem sollen die klammen Kommunen statt bislang 1,63 Milliarden Euro nun 1,72 Milliarden Euro pro Jahr erhalten – fast 100 Millionen Euro mehr. Bis 2024 soll dann dieser Finanzausgleich zwischen Land und Kommunen neu aufgestellt werden.
Viele Themen kommen erst jetzt auf den Tisch
Weniger weit sind CDU, SPD und FDP in der Landwirtschaftspolitik. Zum Agrarstrukturgesetz wurde bislang lediglich vereinbart, die Diskussion in den kommenden fünf Jahren abzuschließen. Mit dem Gesetz soll unter anderem der Verkauf wertvollen Ackerlands neu geregelt werden. Mehrere Anläufe dazu waren zuletzt gescheitert. Andere potentielle Streitthemen wie der Abschuss von Wölfen kommen wohl bereits früher auf den Tisch. CDU und FDP wollen die Tiere in das Jagdrecht aufnehmen, die SPD lehnt das ab.
Im Bildungsbereich sollen Lehrerinnen und Lehrer keine Verwaltungsaufgaben mehr übernehmen. Wie allerdings noch mehr Tempo bei der Gewinnung neuer Lehrkräfte erreicht werden kann, darüber muss nun gesprochen werden. Denn der Lehrermangel bleibt im Land akut.
Andere Themen, die nicht im Sondierungspapier genannt sind: Klima- und Umweltschutz, der Fachkräftemangel, die Situation im Handwerk, Leben im ländliche Raum, der Strukturwandel im Süden oder die Wasserstoffstrategie des Landes – immerhin setzen Politikerinnen und Politiker aller Parteien große Hoffnungen in den als umweltfreundlich geltenden Energieträger. Auch hier braucht es nun Gespräche und Einigungen.
Verhandlungen entscheiden auch über Aufteilung der Ministerien
Mit den Koalitionsverhandlungen nimmt eine andere kontroverse Diskussion endgültig Fahrt auf: die Aufteilung, der Zuschnitt und die Besetzung der Ministerien; also die Frage, wie Sachsen-Anhalts neue Landesregierung aussieht.
In CDU-Kreisen gelten neben Ministerpräsident Reiner Haseloff der bisherige Finanz- und Innenminister Michael Richter und der Landesvorsitzende Sven Schulze als gesetzt. Ebenfalls gute Chancen werden Rainer Robra, seit fast zwanzig Jahren Staatsminister, eingeräumt. Die bisherige Bildungsstaatssekretärin Eva Feußner könnte aufrücken. Verkehrsminister Thomas Webel wird gehen. Die bisherige Justizministerin Anne-Marie Keding ist zudem gerade zur Vizepräsidentin des Landtags gewählt worden.
Die SPD hat ihren beiden bisherigen Ministern bzw. Ministerinnen Armin Willingmann (Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung) und Petra Grimm-Benne (Arbeit, Soziales und Integration) auf ihrem Parteitag demonstrativ den Rücken gestärkt. In der Partei hätte man allerdings auch gerne das Bildungsministerium. Für dieses käme etwa auch die Fraktionsvorsitzende Katja Pähle infrage.
In der FDP hält man vor allem die Fraktionsvorsitzende Lydia Hüskens und den langjährigen Präsidenten des Landessportbunds, Andreas Silbersack, als Anwärter für Regierungsposten. Zu den verschiedenen Ministerien, mit denen die Partei, zuletzt in Verbindung gebracht wurde, gehören Bildung, Wirtschaft- und Wissenschaft und Justiz- und Gleichstellung. Auch ein mögliches neu geschaffenes Digitalisierungsministerium könnte zu den Plänen der Liberalen passen. Letzteres war eine CDU-Forderung.
Allerdings gibt es in der Partei auch Vorbehalte dagegen: Die FDP will schließlich schlankere Strukturen und weniger Bürokratie. Laut einer Aufstellung der oppositionellen Linksfraktion würde ein eigenständiges Digitalisierungsministerium zudem mindestens 23 Millionen Euro mehr pro Jahr kosten. Das hatte die "Mitteldeutsche Zeitung" zuerst berichtet. Denkbar wäre auch deshalb eine Neuordnung der Zuständigkeiten der bestehenden Ministerien.
Neu zu besetzen ist in jedem Fall das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie. Das führt derzeit noch Claudia Dalbert von den Grünen. Die CDU war im Wahlkampf angetreten, um dieses Ministerium wieder zu übernehmen.
MDR SACHSEN-ANHALT/Thomas Vorreyer
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 19. Juli 2021 | 19:00 Uhr
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