Kay Barthel, Präsident vom Landesrechnungshof Sachsen-Anhalt, zeigt eine Tabelle zur Gesammtverschuldung, Nettokreditaufnahme und Tilgung der vergangenen Jahrzehnte
Hatte die Schuldenkurve zur Pressekonferenz mitgebracht: Sachsen-Anhalts Rechnungshofpräsident Barthel Bildrechte: picture alliance/dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Rekordschulden Landesrechnungshof fordert sorgsamen Umgang mit Geld von Politik

01. Juli 2022, 16:46 Uhr

Der Landesrechnungshof kritisiert Landesregierung und Landtag für ihre Finanzpolitik. Besonders viele Fragezeichen gibt es bei zwei Vorzeigeprojekten der neuen Koalition: das Corona-Sondervermögen und die neue Projektgesellschaft für Großbauvorhaben. Rechnungshofpräsident Kay Barthel sieht sich teilweise mit seinen Hinweisen ignoriert.

Thomas Vorreyer
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Sachsen-Anhalt lebt über seine Verhältnisse. Die politisch Verantwortlichen hätten "das Augenmaß verloren". Zu diesem Fazit kommt zumindest der Landesrechnungshof mit Blick auf die Landesfinanzen im vergangenen Jahr. Bei der Vorstellung des zweiten Teils des Jahresberichts mahnte er nun eine "politische Ausgabenpriorisierung" an.

Angesichts einer Rekordverschuldung des Landes von 23,2 Milliarden Euro und erwarteter Zinssteigerungen durch die Europäische Zentralbank dürften die Spielräume zukünftig merklich schrumpfen, so Barthel. Sprich: Die Politik müsse jetzt stärker Kredite tilgen und beim Haushalt Abstriche machen. Welche das sein könnten, wollte der Rechnungshofpräsident mit Verweis auf seine Rolle als Prüfer aber nicht sagen.

Neben Rekordschulden hatten CDU, SPD und FDP im Landtag im Mai auch den größten Haushalt der Landesgeschichte verabschiedet. Finanzminister Michael Richter (CDU) sagte dabei, dass das Volumen schon jetzt für ein kleines Land wie Sachsen-Anhalt fast zu groß sei. Die Landesregierung habe aber mit der "Schwerpunktsetzung" bereits begonnen.

Vorzeigeprojekte gegen Corona-Pandemie und für Bauprojekte mit vielen Fragezeichen

Im Fokus des Rechnungshofes stehen vor allem zwei Vorzeigeprojekte von Richter der schwarz-rot-gelben Koalition: das Corona-Sondervermögen und die neue Immobilien- und Projektmanagementgesellschaft des Landes, die IPS.

Zwar seien die Maßnahmen im Sondervermögen sicherlich "keine Geldverschwendung", sondern politisch sinnvoll, aber: Für die Finanzpolitik des Landes funktioniere das zwei Milliarden Euro teure Schuldenpaket wie ein "Blitzableiter". "Man hat sich fünf Jahre Zeit erkauft", sagte Barthel. Danach blieben kaum Spielräume. Da helfe es auch nicht, dass sich andere Bundesländer deutlich größere Corona-Hilfspakete genehmigt hätten. In der Vergangenheit hatte der Rechnungshof bei der Mehrheit der Maßnahmen deutliche Zweifel angemeldet, dass diese tatsächlich mit der Pandemie zusammenhängen.

Um ein differenziertes Bild bemühte sich Barthel auch bei der IPS. Diese sei grundsätzlich eine "gute Idee", Großbauvorhaben wie das Herzzentrum am Uniklinikum Magdeburg würden tatsächlich zu lange dauern. Warum das allerdings nicht mit Änderungen beim bereits bestehenden Bau- und Liegenschaftsmanagement des Landes möglich gewesen wäre, erschließe sich nicht. Zudem biete die IPS dem Land die Möglichkeit, an der Schuldenbremse vorbei weitere Kredite aufzunehmen.

Im Jahresbericht heißt es weiterhin, die Gründung der IPS verstoße gleich doppelt gegen die Landeshaushaltsordnung. Schließlich sei eine eigentlich nötige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung weder vor der Gründung noch danach erfolgt. Diese, fordern die Prüfer, müsse nun nachgeholt werden.

Kritik an Landtagsabgeordneten: "Leidensdruck noch nicht hoch genug"

Neben der Landesregierung nahm Barthel auch auch die Abgeordneten im Landtag in die Verantwortung. Diese hätten seine Hinweise während der Haushaltsberatungen vielfach nicht berücksichtigt. "Dann nicken viele freundlich und beschließen es trotzdem", so Barthel. "Vielleicht ist der Leidensdruck noch nicht hoch genug." Auch würden Koalitionen aus drei Fraktionen oftmals politische Kompromisse mit Geld lösen.

Allein der Haushalt des Justizministeriums wies so 2021 einen Überschuss von rund 50 Millionen Euro zwischen den eingeplanten Ein- und Ausgaben und den tatsächlichen Zahlen auf. Insgesamt geht Barthel von einem hohen dreistelligen Millionenbetrag aus, der so aus dem Landeshaushalt gestrichen werden könnte, ohne dass es sich in der Realität bemerkbar mache.

Aus der Koalition heißt es dazu, unter der neuen Ministerin Franziska Weidinger (CDU) werde das komplizierte Einstellungsmanagement in der Justiz mittlerweile effizienter gestaltet. Finanzminister Richter hatte zudem im Landtag angekündigt, den Mittelabfluss aller Häuser stärker in den Blick zu nehmen.

Der Bericht des Landesrechnungshofes hat für die Politik keine bindende Wirkung. Am Montag befasst sich der Unterausschuss für Rechnungsprüfung des Landtags mit den Ergebnissen.

MDR (Thomas Vorreyer, Ronald Neuschulz)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 01. Juli 2022 | 17:00 Uhr

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