12 Euro Mindestlohn Das sagen Arbeitgeber aus Sachsen-Anhalt zur Mindestlohn-Erhöhung
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20. Februar 2022, 17:28 Uhr
Zum 1. Oktober soll der Mindestlohn nach den Plänen der Bundesregierung deutschlandweit auf zwölf Euro pro Stunde steigen. Hier erklären Arbeitgeber aus Sachsen-Anhalt, welche Folgen die Mindestlohnerhöhung für sie und ihre Mitarbeitenden hat.
- In Sachsen-Anhalt können mehr als 215.000 Arbeitnehmer von der Erhöhung des Mindestlohns profitieren.
- Für Unternehmen bedeutet das aber auch höhere Ausgaben. Einige haben sich deshalb Alternativen überlegt und beispielsweise die Arbeitszeit verkürzt.
- Jobs seien jedoch nicht in Gefahr.
Kartoffeleintopf, Rindergulasch oder Hühnerfrikassee: Tausende Portionen von diesen und anderen Gerichten produzieren die Mitarbeitenden bei Alexmenü in Magdeburg täglich, für Kindergärten, Schulen und Altersheime im Großraum Magdeburg, aber auch über die Landesgrenzen hinaus. Rund 160 Mitarbeitende hat das Unternehmen, etwa die Hälfte von ihnen verdient derzeit 10,45 Euro pro Stunde.
Doch spätestens ab Herbst dürften die Löhne für diese Mitarbeitenden und viele andere Menschen in Sachsen-Anhalt steigen. Denn die Bundesregierung hat angekündigt, den Mindestlohn deutschlandweit zum 1. Oktober auf zwölf Euro in der Stunde zu erhöhen. In Sachsen-Anhalt könnten davon mehr als 215.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer profitieren. Das zeigt eine Schätzung des Pestel-Instituts, die MDR SACHSEN-ANHALT vorliegt.
"Ich finde die Mindestlohnerhöhung im Grunde positiv", sagt Alexandra Krotki, die Geschäftsführerin von Alexmenü. "Wir kochen gutes Essen, also sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch gut entlohnt werden." Schon jetzt zahle das Unternehmen den Mindestlohnsatz von 10,45 Euro, der eigentlich erst ab 1. Juli verbindlich wäre. Die Erhöhung auf zwölf Euro ab Herbst sei intern bereits beschlossene Sache, berichtet Krotki, unabhängig von der Gesetzeslage.
Höhere Löhne, höhere Preise
"Zwölf Euro pro Stunde", sagt sie, "halte ich im Moment für einen angemessenen Lohn. Wir überlegen derzeit, den Lohn bereits ab Sommer entsprechend zu erhöhen." Insgesamt solle das Lohnniveau in dem Unternehmen steigen. Große Margen, die finanzielle Spielräume für Lohnerhöhungen böten, gebe es jedoch nicht. Deshalb sollen bei Alexmenü zum einen "Prozesse optimiert" werden, wie es Alexandra Krotki formuliert. Aber auch um Preiserhöhungen werde man mittelfristig nicht herumkommen: "Letztlich bezahlt der Kunde den Lohn."
Eines stellt Gerd Maserak gleich klar: "Gut" findet er die geplante Erhöhung des Mindestlohns, obwohl seine Meinung in Unternehmerkreisen nicht alle teilen würden. "Ich stehe hinter den zwölf Euro", sagt der Inhaber der Magdeburger Druckerei Fricke. Seinen vier Angestellten, allesamt Fachkräfte, zahlt er bereits 13,50 Euro pro Stunde. Doch indirekt sei er trotzdem von der Erhöhung betroffen. Denn Maserak treibt die Sorge um, dass sich seine Mitarbeiter beruflich umorientieren. "Wenn man woanders für einen deutlich einfacheren Job nur 1,50 Euro weniger verdient, besteht die Gefahr, dass Leute gehen könnten", sagt Maserak.
Mehr Freizeit statt Geld
Eigentlich wollte er deshalb seinen Angestellten den Lohn erhöhen. 60 Euro netto mehr im Monat sollten alle bekommen. "Aber 60 Euro netto für den Arbeitnehmer bedeuten für mich als Arbeitgeber 120 Euro", sagt Maserak. Bei vier Angestellten wären das zusätzliche Lohnkosten von 480 Euro im Monat – und die könne er sich nicht leisten. Stattdessen haben Maserak und seine Mitarbeiter gemeinsam beschlossen, die Vier-Tage-Woche mit 36 Stunden Wochenarbeitszeit einzuführen. Mehr Freizeit statt mehr Geld – Maserak hofft, seine Angestellten dadurch langfristig halten zu können.
Der Unternehmer wünscht sich, dass der Staat nicht nur den Mindestlohn erhöht, sondern auch "die Finger aus unseren Taschen nimmt". Abgabenlast und bürokratischer Aufwand müssten reduziert werden, dann würde bei den Mitarbeitern mehr netto vom brutto ankommen und er als Chef könnte mehr Zeit in die Kundenakquise investieren.
Beschluss im Wahlkampfzimmer?
"Die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die hierzulande im Mindestlohnbereich beschäftigt sind, arbeiten in der Dienstleistungsbranche", sagt Marco Langhof, der Präsident der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt. Im bundesweiten Vergleich gebe es in Sachsen-Anhalt aufgrund der hiesigen Wirtschaftsstruktur überdurchschnittlich viele Menschen, die für Mindestlohn oder nur wenig mehr arbeiten gingen.
Langhof kritisiert das Verfahren, in dem der Wert von zwölf Euro festgelegt worden sei: "Ich hätte mich gefreut, wenn man die Höhe des Mindestlohns nicht in einem Wahlkampfzimmer der Parteien festgelegt hätte, sondern da, wo sie hingehört, nämlich in der Mindestlohnkommission", sagt Langhof. Nun sei der Mindestlohn auf einen plakativen Wert festgesetzt worden, ohne dabei die möglichen Effekte ausreichend zu bedenken.
Wir sprechen von einer Lohnsteigerung um 25 Prozent. Das ist ein durchaus riskantes Spiel. Die Menschen können sich freuen, deutlich mehr Geld zu bekommen, wenn sie sich nicht darüber ärgern müssen, dass vielleicht ihr Job wegfällt.
Mindestlohnkommission
Die Mindestlohnkommission ist eine unabhängige Kommission aus Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer und der Wissenschaft, die über die Anpassung des Mindestlohns entscheidet.
Gewünscht hätte sich Langhof zudem Ausnahmeregelungen für junge oder berufsunerfahrene Menschen, um diese an den Arbeitsmarkt heranzuführen. "Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, die Mindestlohnpflicht erst nach der Probezeit beginnen zu lassen", sagt Langhof.
Folgen auch für höhere Lohngruppen
Der Arbeitgeberpräsident rechnet damit, dass sich die Erhöhung des Mindestlohns auch auf höhere Lohngruppen auswirken wird: "Die nächsten Tarifverhandlungen werden sehr spannend. Wenn sie die unterste Lohngruppe erhöhen, folgen andere Lohngruppen mit einem gewissen Abstand automatisch." Die Folge dieser Entwicklung sei eine Fahrt aufnehmende Lohn-Preis-Spirale, die bereits jetzt spürbar sei.
Um Preiserhöhungen wird wohl auch Druckerei-Chef Gerd Maserak nicht herumkommen, unter anderem wegen steigender Papier- und Energiekosten. Er befürchtet, dass dadurch alte Kunden wegbrechen könnten. Schon jetzt gebe es manchen Verein, der früher seine Vereinszeitung bei ihm habe drucken lassen und diese inzwischen nur noch digital veröffentliche.
Jobs in Gefahr? Unternehmer verneinen
Ein Stellenabbau ist für Maserak allerdings keine Option. "Wir sind bei der Anzahl der Mitarbeiter in einem Bereich, wo es mit weniger Leuten nicht mehr funktionieren würde", sagt er. Und wenn künftig tatsächlich weniger Aufträge reinkommen sollten? "Dann", sagt Maserak, "werde ich mir als Unternehmer überlegen müssen, wie ich das kompensieren kann, etwa durch das Erschließen neuer Geschäftsfelder."
Auch beim Großcaterer Alexmenü in Magdeburg müsse sich wegen der steigenden Lohnkosten niemand Sorgen um seinen Job machen, betont Geschäftsführerin Alexandra Krotki: "Wir haben von Jahr zu Jahr mehr Mitarbeiter, und das soll so weitergehen. Ich gehe davon aus, dass die Auftragszahlen weiter steigen, so dass wir die Mitarbeiter brauchen, selbst wenn wir gleichzeitig Prozesse rationalisieren."
Schade findet sie allerdings, dass die steigenden Löhne nicht im vollen Umfang bei den Mitarbeitenden ankommen. "Mein Wunsch wäre gewesen, dass man bei der Erhöhung des Mindestlohnes eine Regelung gefunden hätte, bei der die Lohnnebenkosten nicht in gleichem Maße mitsteigen und die Mitarbeiter letztlich auch tatsächlich mehr Geld im Portmonee haben."
Über den Autor
Lucas Riemer arbeitet seit Juni 2021 bei MDR SACHSEN-ANHALT. Der gebürtige Wittenberger hat Medien- und Kommunikationswissenschaft in Ilmenau sowie Journalismus in Mainz studiert und anschließend mehrere Jahre als Redakteur in Hamburg gearbeitet, unter anderem für das Magazin GEOlino.
Bei MDR SACHSEN-ANHALT berichtet er vor allem über kleine und große Geschichten aus den Regionen des Landes.
MDR (Lucas Riemer)
Dieses Thema im Programm: MDR S-ANHALT | SACHSEN-ANHALT HEUTE | 20. Februar 2022 | 19:00 Uhr
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