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Parteien im Online-Wahlkampf "Das Schlimmste: nicht wahrgenommen werden"

02. Februar 2016, 14:56 Uhr

Eine Webseite pflegen, bei Facebook und Twitter den Dialog zum User suchen. Das machen auch in Sachsen-Anhalt die meisten Parteien. Doch wie kommuniziert man dort mit dem User? Wie können Parteien es mit Blick auf die Landtagswahl am 13. März schaffen, guten Online-Wahlkampf zu machen? Was gehört dazu? MDR SACHSEN-ANHALT hat darüber mit Martin Fuchs gesprochen. Er arbeitet als Politikberater und Blogger. Und: Er sagt, dass Sachsen-Anhalts Parteien in vielen Bereichen Nachholbedarf haben.

Langweilig, berechenbar und wenig innovativ: So präsentieren sich nach Meinung von Martin Fuchs Sachsen-Anhalts Parteien im Online-Wahlkampf. Fuchs ist Politikberater und Blogger und analysiert regelmäßig Wahlkämpfe in ganz Deutschland. Was er auf den Webseiten und Social Media-Kanälen von Sachsen-Anhalts Parteien gesehen hat, hat ihn nicht überzeugt. "Ich habe den Eindruck, dass die Parteien noch schlafen", sagt Fuchs im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT.

Der Blogger betont, dass Wahlen nicht im Netz gewonnen werden. Aber: "Der Online-Wahlkampf wird immer wichtiger, gerade für die Generation unter 35 Jahren." Die informiere sich überwiegend im Internet, konsumiere also dort auch politische Nachrichten. "Für diese Leute muss man ein gutes Angebot machen", sagt er.

Doch was heißt das, ein gutes Angebot machen? Welche Tools sollte man nutzen? "Es gibt eine Reihe ganz klassischer Tools, die fast schon zum Repertoire gehören", so Fuchs. Das seien etwa Facebook und Twitter - wobei auch die in Sachsen-Anhalt noch relativ neu seien. "Auch hier ist mein Eindruck, dass Sachsen-Anhalt noch Entwicklungsland ist." Das erkenne man auch an den Fanzahlen der Seiten. 1.500 Facebookfans seien in einem Bundesland von rund zwei Millionen Einwohnern "stark ausbaufähig". "An der Art, wie dort kommunziert wird, sehe ich, dass das für viele noch Neuland ist", erklärt der Politikberater.

Instagram, Snapchat und Co.

Neu hinzugekommen seien in den vergangenen Jahren Tools wie Instagram und Snapchat. "Aber es gibt sehr wenige, die das aktiv im Wahlkampf nutzen." Claudia Dalbert (Grüne) oder die FDP nutzten zwar Instagram - weit verbreitet sei die Foto-App aber noch nicht. Dabei böten gerade Social Media-Plattformen die Gelegenheit, eine hohe Reichweite zu erzielen - ohne dass viele Menschen sich aktiv für Parteien und Politik interessieren müssten.

"Soziale Netzwerke funktionieren mit einer Push-Logik. Das heißt, dass Informationen auch zu mir kommen können, wenn ich mich nicht mit Politik beschäftige. Wenn aber ein Facebook-Freund Inhalte von Parteien teilt, liked oder kommentiert, erscheinen sie auch in meiner Facebook-Timeline", sagt der 36-Jährige.

So könne man mit relativ geringem Aufwand eine relativ große Menge an Menschen erreichen, beschreibt er. "So viele Menschen würde man auf einem Marktplatz oder in einer Bürgersprechstunde wahrscheinlich nicht erreichen." Anders sei es bei Webseiten. Die würden von Usern aufgesucht, die aktiv nach Informationen suchen. Martin Fuchs erklärt das so: "Wenn ich an einem Schlagloch stehe und dann bei Google 'Schlaglöcher in Sachsen-Anhalt' eingebe, muss ich in den Ergebnissen zuerst die Partei finden, die sagt: Wir sind diejenigen, die Schlaglöcher beseitigen." Das nennt man Search Engine Optimization (SEO), also Suchmaschinenoptimierung.

Online und Offline kombinieren

Optimal sei ohnehin, den Wahlkampf online und offline miteinander zu kombinieren. Wenn man über Facebook eine Wahlkampfveranstaltung kommuniziere, müsse man viele Leute zur Teilnahme in der "realen Welt" mobilisieren. "Vor Ort kann der Politiker dann sagen: Alle Details, die ich zu dieser Idee habe, findet ihr online dort und dort."

Rechte und rechtspopulistische Parteien hätten das verstanden. "Sie haben schon vor sieben, acht Jahren angefangen, Strukturen aufzubauen und sich professionelle Hilfe eingekauft." Das sehe man auch bei der AfD in Sachsen-Anhalt - einer Partei, die bis vor kurzem gar nicht existierte. "Sie hat den mit Abstand größten Facebook-Auftritt und fast doppelt so viele Likes wie die Linke auf dem zweiten Platz", erklärt Fuchs (Stand: 2. Februar 2016, A.d.R.). Parteien wie die AfD wüssten sehr genau, wie man bei Facebook Fans sammele und sie mit Blick auf den 13. März mobilsiere.

Frauenversteher und Star-Wars-Referenz

Darauf angesprochen, was man im Online-Wahlkampf möglicherweise nicht tun sollte, gibt Fuchs sich entspannt. "Das Schlimmste, was einer Partei im Wahlkampf passieren kann ist, dass sie nicht wahrgenommen wird", sagt er. Natürlich gebe es Menschen, die im Internet Aspekte aufgreifen, die im Wahlkampf vermeintlich schlecht liefen - dazu gehöre er schließlich selbst. "Das Beste, was man daraus ziehen kann, ist, dass über die Partei gesprochen wird."

Ein gutes Beispiel sei das Frauenversteher-Plakat vom Linken-Spitzenkandidat Wulf Gallert. In der Logik einer Partei werde es vielleicht als negativ wahrgenommen, dass sich darüber viele lustig machten.

Aber: "Wulf Gallert ist Talk of the town, man redet über ihn. Über Frau Budde (SPD-Spitzenkandidatin, A.d.R.) oder Herrn Sitta (FDP-Spitzenkandidat, A.d.R.) wird nicht gesprochen. Wenn ich Wulf Gallert wäre, würde ich die Themen, die ich mit dem Frauenversteher-Plakat kommunizieren wollte, jetzt kommunizieren", so Fuchs.

Auch wünsche er sich, dass Parteien tagesaktuell auf Dinge reagieren. Ein gutes Beispiel sei das Plakat der Jungen Union im Dezember gewesen, das Ministerpräsident Haseloff als Sith Lord mit Lichtschwert aus Star Wars gezeigt hat. "Da haben dann zum Beispiel die Grünen und die FDP drauf reagiert", erinnert der Experte.

Bei den Liberalen habe er ohnehin den Eindruck, dass sie vom Wahlkampf der Parteikollegen in Hamburg und Bremen gelernt hätten. "Die FDP-Kandidaten sind online auch stark unterwegs." In den Reihen der SPD ist Oliver Lindner, Listenkandidat im Wahlkreis Zerbst, dem Blogger positiv ins Auge gefallen. "Er ist der Kandidat, der glaube ich in Sachsen-Anhalt auf den meisten Plattformen im Social Web unterwegs ist." Lindner sei experimentierfreudig und damit auf dem richtigen Weg.

Zur Person

Martin Fuchs, Politikberater und Blogger
Martin Fuchs Bildrechte: Martin Fuchs

Martin Fuchs ist 36 Jahre alt und lebt in Hamburg. Fuchs wurde in Halle geboren und arbeitet als Politikberater und Blogger. Er berät Parlamente, Regierungen, Parteien, Fraktionen und auch einzelne Abgeordnete - parteiübergreifend und in ganz Deutschland.

Nur am rechten und linken Rand gebe es Parteien, die er aufgrund seines Wertegerüsts nicht beraten würde. "Ich versuche, Politikern klarzumachen, wie sie das Netz nutzen müssen, um Bürger zu erreichen", sagt Fuchs.

Tipps für guten Online-Wahlkampf Martin Fuchs erklärt, was seiner Meinung nach zu einem rundum gelungenen Online-Wahlkampf gehört. Er sagt aber auch, dass entsprechende Initiativen schon vor Monaten hätten aufgegriffen werden müssen.

- eine Strategie: welche Menschen möchte ich ansprechen mit dem, was ich online tue?

- Manpower: Ein bisschen Personal müsse man schon vorrätig haben. Das kümmert sich um den Dialog zu den Usern im Netz. Bei den meisten Facebook-Seiten, die Fuchs sich bei Sachsen-Anhalts Parteien angeschaut hat, gebe es "null Dialog". Er sagt: Das ist das Schlimmste, was passieren kann, wenn Reaktionen kommen.

- Kritik aufgreifen, online auf eine lockere Art und Weise aber auch souverän und routiniert antworten

- experimentierfreudig sein: so könne man Leute erreichen, die man sonst nicht erreichen würde

- dem Bürger zeigen, dass man ihn erreichen will. "Es muss nicht perfekt sein", sagt Fuchs. Der Bürger müsse nur bemerken, dass man sich bemühe, mit ihm in Dialog zu treten.

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