Erneut Spitzenkandidat der CDU Haseloff macht's noch mal: Generationenwechsel in der CDU muss warten

21. September 2020, 18:47 Uhr

Er will es noch einmal wissen: Reiner Haseloff will im kommenden Jahr zum dritten Mal Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt werden. Dass Haseloff wieder Spitzenkandidat der CDU werden will, ist nach den vergangenen Monaten keine Überraschung mehr. MDR SACHSEN-ANHALT beantwortet die wichtigsten Fragen. Eine Einschätzung.

Luca Deutschländer
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Reiner Haseloff will noch einmal Ministerpräsident werden. Warum?

66 Jahre alt ist Reiner Haseloff in diesem Jahr geworden. Wenn kommendes Jahr ein neuer Landtag gewählt wird, könnte der Ministerpräsident sich also getrost zurückziehen – und als Pensionär die schönen Seiten des Lebens genießen und Jüngeren in der CDU Platz machen. Macht er aber nicht. Stattdessen will Haseloff noch einmal Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt werden – für weitere fünf Jahre. Er tritt erneut als Spitzenkandidat der CDU an. Überraschend ist das nicht: Denn in den vergangenen Monaten hatte sich abgezeichnet, dass der Machtwechsel in der CDU noch einmal verschoben wird. Reiner Haseloff – das haben ihm auch Kritiker attestiert – hat zur Hochzeit der Coronavirus-Pandemie einen guten Job als Krisenmanager gemacht.

Wenn die Landesregierung ihre neuen Verordnungen zur Eindämmung des Virus präsentierte, riss Haseloff oft das Wort an sich. Er erklärte Entscheidungen, zeigte sich in Talkshows immer wieder sehr menschlich. Er war das, was viele einen "Landesvater" nennen. "Amtsmüde", wie die Linke Haseloff am Montag nach Bekanntgabe seiner Ambitionen nannte, wirkte Haseloff nicht. Das Gegenteil war der Fall.

Er selbst hat bei einer Pressekonferenz am Montag gesagt, er und seine CDU wollten auf Kontinuität setzen. Darauf setzen, den Herausforderungen der gesellschaftlichen Polarisierung als Demokraten zu begegnen. Das ist kein leichter Job – doch Haseloff traut ihn sich offenbar zu. Er, der "Mr. Stabil", hat zudem noch einen ganz persönlichen Grund, wieder zu kandidieren: Haseloff will ein linkes Regierungsbündnis in Sachsen-Anhalt verhindern. Das hat er am Montag recht unverblümt gesagt. So ein Bündnis sei "nicht gut für das Land", sagte Haseloff. Er wolle für eine stabile und demokratische Mitte werben.

So reagieren die anderen Parteien auf die Entscheidung von Reiner Haseloff

Sachsen-Anhalts SPD-Vorsitzender, Andreas Schmidt, sagte MDR SACHSEN-ANHALT, die CDU habe sich für Stillstand und Weiter-So entschieden. Das motiviere die SPD umso mehr zu sagen, man wähle den Aufbruch. Natürlich müsse bis zum nächsten Sommer die jetzige Regierungskoalition arbeiten. Aber gleichzeitig müssten im Wettbewerb die Auseinandersetzungen um die Wählergunst geführt werden. Das bringe auch ein paar Belastungen mit sich, aber das gehöre unter Demokraten dazu.

Für Grünen-Landeschef Sebastian Striegel kam der Schritt nicht wirklich überraschend. Es sei dahingestellt, ob eine bloße Fortsetzung des bisherigen Kurses angesichts der Herausforderungen unserer Zeit ein erfolgversprechender Weg sei. Es geht hier aber um eine Entscheidung der CDU. Die Grünen stünden weiter für eine Koalition bereit, für eine ökologische Erneuerung Sachsen-Anhalts. Mit der Klimakrise, dem Artensterben und der Corona-Pandemie gebe es eine Menge von Aufgaben.

Auch die stellvertretende FDP-Landesvorsitzende Lydia Hüskens zeigte sich wenig überrascht über die Absicht Haseloffs, erneut ins Rennen zu gehen. Sachsen-Anhalts CDU müsse wissen, was sie mache. Ein Wechsel für die Zukunft sei das nicht.

Stefan Gebhardt, Parlamentarischer Geschäftsführer der Landtagsfraktion DIE LINKE, sagte MDR SACHSEN-ANHALT, man sei darauf eingestellt, dass die CDU hier sehr mutlos agiere und ihren Zustand mehr konservieren, mehr verwalten wolle. Haseloffs Kandidatur spreche nicht für ein Aufbruchssignal. Der Ministerpräsident gelte ja schon seit längerem als amtsmüde und habe ursprünglich vorgehabt, die Aufgaben in jüngere Hände zu legen. Davon habe er nun Abstand genommen. Das zeige, es gehe jetzt um eine Auseinandersetzung zur Landtagswahl, ob es in Sachsen-Anhalt einen Aufbruch gebe, vor allem einen sozialen Aufbruch, oder ob das Land weiter im Stillstand verharre und sich zurück entwickle.

Der Landesvorsitzende der AfD, Martin Reichardt, sagte, das sei ein Zeichen der CDU, dass Belanglosigkeit und Beliebigkeit zur Parteiräson erklärt würden. Die Wähler hätten bereits bei der letzten Wahl konservativ gewählt. Aber dann hätten sie eine Kenia-Koalition mit einem Haufen wachsweicher Kompromisse und Eingeständnisse geliefert bekommen. Das sei für die AfD ein Ansporn, ihren Wahlkampf noch stärker und kraftvoller zu gestalten – gegen die Kenia-Koalition und natürlich auch gegen die CDU.

Was bedeutet Haseloffs Entscheidung für die CDU?

Mit dem Spitzenkandidaten Reiner Haseloff setzt die CDU auf Konstanz. Fast könnte man sich an dieser Stelle an diesen einen Satz der Bundeskanzlerin vor ihrer Wiederwahl im Jahr 2017 erinnern: "Sie kennen mich." Auch die Sachsen-Anhalter kennen Reiner Haseloff – wenngleich der 66-Jährige noch nicht ganz so lange im Amt ist wie Angela Merkel. Trotzdem: Haseloff ist mit seinen knapp zehn Jahren im Amt einer der dienstältesten Regierungschefs in Deutschland – und er hat mit seinem Krisenmanagement in den vergangenen Monaten bei vielen Sachsen-Anhaltern gepunktet. Auch das hat eine Umfrage im Auftrag des MDR zuletzt deutlich gezeigt: Die Frage, wie zufrieden sie mit Reiner Haseloff sind, beantworteten 76 Prozent mit zufrieden – oder sehr zufrieden.

Doch über eine Tatsache kann all das nicht hinwegtäuschen: Frischer Wind sieht anders aus. Auch in der CDU hatte mancher auf einen Generationenwechsel gehofft. Die Frage ist, ob Holger Stahlknecht diesen frischen Wind gebracht hätte. Weitere Alternativen innerhalb der CDU haben sich zuletzt nicht wirklich aufgedrängt.

Welche Chancen hat der 66-Jährige bei der Landtagswahl im kommenden Jahr?

Die Chancen für die CDU, wieder stärkste Kraft im Landtag von Sachsen-Anhalt zu werden, stehen gut. Das hat vor wenigen Monaten eine repräsentative Umfrage im Auftrag des MDR gezeigt. Dabei kamen die Christdemokraten auf 34 Prozent – ein Plus von 4,2 Prozentpunkten zur Landtagswahl im Frühjahr 2016. Nun ist eine Umfrage eine Umfrage und kein Wahlergebnis. Dennoch: Dass Haseloff und seine CDU zur Hochzeit der Coronavirus-Pandemie bei vielen Menschen im Land gepunktet haben, gilt als ausgemacht. Dass eine der anderen Parteien im Land die CDU am Ende überholen wird, ist bei allen Problemen äußerst unwahrscheinlich – daran ändert auch die jüngste Ankündigung der AfD nichts, stärkste Kraft werden zu wollen.

Doch das Wahlergebnis ist bekanntlich nur die eine Seite der Medaille: Viel spannender wird im Nachgang der Landtagswahl am 6. Juni 2021 werden, welche Koalition daraus geschnitzt wird. Denn: Eine Fortsetzung der Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen will eigentlich keine der drei Parteien. Die SPD schielt auf eine linke Mehrheit im Landtag, die Abneigung vieler CDUler gegen die Grünen ist ein offenes Geheimnis. Seit dem Beginn ihrer gemeinsamen Zusammenarbeit haben alle drei Parteien immer wieder von einer Lösung der Vernunft gesprochen – und davon, dass das hier keine Liebesheirat sei – sondern vielmehr ein pragmatischer Zusammenschluss, um Sachsen-Anhalt stabil regieren zu können. Es war vor allem ein Zusammenschluss gegen die AfD.

Vom Erfolg möglicher Koalitionsverhandlungen wird damit abhängen, ob Haseloff tatsächlich ein drittes Mal Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt werden wird.

Was bedeutet die Entscheidung für Holger Stahlknecht?

Wer sich die Pressemitteilung der CDU zur Personalie Haseloff durchliest, könnte annehmen, Holger Stahlknecht nehme diese Entscheidung zur Kenntnis, als betreffe sie ihn nicht besonders. Von "Dankbarkeit" ist darin die Rede – davon, dass man Haseloff gebeten habe, wieder als Spitzenkandidat zu kandidieren. Das mag alles sein – es täuscht aber über die Tatsache hinweg, dass auch Stahlknecht Ambitionen hatte, als neuer Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt zu kandidieren. Und das ist kein Geheimnis: Zu Beginn des Jahres hatte der 55-Jährige angekündigt, als Spitzenkandidat bereitzustehen. Bedingung, so der Innenminister damals, sei aber, dass nicht Haseloff selbst noch einmal antritt.

Stahlknecht hatte da gerade die Affäre um die verpatzte Ernennung von Polizeigewerkschafter Rainer Wendt zum Staatssekretär und den bei einer Neonazi-Demo als Ordner eingesetzten CDU-Kreispolitiker Möritz mit einem blauen Auge überstanden.

Es ist offenkundig, dass die erneute Kandidatur Haseloffs ein Rückschlag für Holger Stahlknecht ist. Sollten die am Wochenende in der Volksstimme veröffentlichen Gedankenspiele, in einer künftigen Regierung könne die SPD den Posten des Innenministers stellen, sich bewahrheiten, dann stünde Stahlknecht plötzlich ohne das Regierungsamt da, das er seit 2011 bekleidet. Das wäre für ihn der noch größere Rückschlag.

Was müssen Haseloff und die CDU jüngeren Wählerinnen und Wählern anbieten?

Die CDU muss sich erneuern, um auch junge Wählerinnen und Wähler zu erreichen – das beginnt bei der Zusammensetzung der Fraktion (was vor allem Sache der Partei und nicht die von Haseloff ist). Ob Haseloff dafür der richtige Kandidat ist, muss sich zeigen.

Luca Deutschländer
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Über den Autor Luca Deutschländer arbeitet seit Januar 2016 bei MDR SACHSEN-ANHALT – in der Online-Redaktion und im Hörfunk. Seine Schwerpunkte sind Themen aus Politik und Gesellschaft. Bevor er zu MDR SACHSEN-ANHALT kam, hat der gebürtige Hesse bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeine in Kassel gearbeitet. Während des Journalistik-Studiums in Magdeburg Praktika bei dpa, Hessischem Rundfunk, Süddeutsche.de und dem Kindermagazin "Dein Spiegel". Seine Lieblingsorte in Sachsen-Anhalt sind das Schleinufer in Magdeburg und der Saaleradweg – besonders rund um Naumburg. In seiner Freizeit steht er mit Leidenschaft auf der Theaterbühne.

Quelle: MDR/ld

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 21. September 2020 | 17:00 Uhr

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