Zwei Jahre Pandemie Eltern über Corona in Kitas von Sachsen-Anhalt: "Diese Sorge zermürbt dich"
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23. Januar 2022, 10:22 Uhr
Mit welchem Gefühl geben Eltern ihre Kinder während der Corona-Pandemie in der Kita ab? Und was unternehmen die Einrichtungen, um die Kinder vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu schützen? Eltern erzählen von ihren Erfahrungen – die nicht immer positiv sind.
- Manche Eltern geben ihr Kind zwar mit einem mulmigen Gefühl in der Kita ab – doch sie müssen arbeiten und haben kaum eine Wahl.
- Während sich einige Eltern allein gelassen fühlen, berichten die meisten von angemessenen Corona-Maßnahmen in den Einrichtungen.
- Ein Erzieher erzählt: "Wir haben in der Pandemie ein dickes Fell gekriegt. Die Reaktionen sind manchmal beleidigend, auch auf persönlicher Ebene."
Jeden Tag rechnet Tina* mit dem Anruf. Diesem einen Anruf, vor dem sie sich nun schon so lange fürchtet: "Du sitzt dauernd auf heißen Kohlen und denkst, dass sich die Kita jeden Moment melden könnte, weil Corona jetzt auch dein Kind oder ein anderes der Gruppe erwischt hat", sagt die 32-Jährige aus Halle. "Diese Sorge zermürbt dich – und noch immer ist kein Ende in Sicht", so Tina.
Der soziale Kontakt ist wichtig
Mit was für einem Gefühl geben Mama und Papa ihr Kind während der Corona-Pandemie in der Kita ab? Das wollte MDR SACHSEN-ANHALT von Eltern wissen und fragte in den sozialen Netzwerken nach. Die Mehrheit antwortete: mit einem guten Gefühl. "Kinder brauchen Kinder und die Kontakte mit Gleichaltrigen", schrieb eine Mutter. Eine andere erklärte: "Gerade jetzt ist der soziale Kontakt umso wichtiger für ein Stück Normalität."
Doch zahlreiche Eltern offenbarten auch ein mulmiges Gefühl. "Leider hat man immer Angst vor einer Infektion", hieß es da. Oder: "Ich gebe mein Kind mit der Sorge ab, es vor dem Feierabend abholen und mit ihm in Quarantäne begeben zu müssen." Was alle Eltern einte: der Wunsch nach einem normalen Kita-Alltag – denn den haben einige mit ihren Kindern noch nie erlebt.
"Du gibst sie in der Hoffnung auf einen normalen Arbeitstag ab"
Die Tochter von Tina aus Halle zum Beispiel ist zwei Jahre alt. Sie kennt die Welt nur mit Corona. "Zwischenzeitlich haben wir sie sechs Monate zu Hause gelassen, als die Inzidenzen so hoch waren", erzählt Mutter Tina. Ihr Mann arbeitete am Vormittag, sie am Nachmittag. Wer frei hatte, kümmerte sich um das Kind – alles auf engstem Raum in einer Zwei-Zimmer-Wohnung. Tina sagt: "Das hat unsere Nerven als Familie arg strapaziert."
Nun geht die Tochter also wieder in die Kita – obwohl die Zahlen noch immer hoch sind. "Ich muss zugeben: Da ist auch ein bisschen Egoismus dabei. Du gibst sie morgens in der Hoffnung auf einen normalen Arbeitstag ab", sagt Tina. "Mein Arbeitgeber hat während der vergangenen zwei Jahre unglaublich viel Verständnis gezeigt, was Arbeitszeiten und so weiter angeht. Das will ich jetzt auch irgendwie zurückzahlen und dem Respekt zollen."
Vor allem aber gehe es um die sozialen Kontakte. "Du merkst das schon. Wenn sie mit anderen Kindern in dem Alter spielt, ist sie noch eher eine Eigenbrötlerin", sagt die Mutter über ihre Tochter. "Deshalb finden wir es wichtig, dass sie jetzt von und mit anderen Kindern lernt." Außerdem seien die Eltern zufrieden mit den Corona-Maßnahmen in der Einrichtung.
"Wir fühlen uns allein gelassen"
Ganz andere Erfahrungen schildert Katja*. Ihr anderthalb Jahre alter Sohn besucht ebenfalls eine Kita in Halle. Doch dort "wird die Pandemie offensichtlich nicht ernst genommen", sagt die Mutter im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT.
Mehrfach habe ihr die Kita-Leitung in Gesprächen diesen Eindruck vermittelt. So sei ihr zum Beispiel gesagt worden, dass sie keinen Impf- oder Genesenen-Nachweis vorzeigen müsse – obwohl offiziell die 3G-Regel gilt. Eltern dürften dennoch weiterhin ohne Einschränkungen die Kita betreten. Eine strikte Gruppentrennung finde nur auf dem Papier statt.
Die Konsequenz: "Wir haben als Familie entschieden, dass wir den Kleinen Zuhause lassen", erzählt Katja. "Seine Oma und sein Opa kümmern sich oft um ihn. Sie sind beide über 70 Jahre, und wenn er in die Kita gehen würde, wäre uns das Risiko, dass er sich infiziert und dann auch die Großeltern ansteckt, einfach zu groß."
Seit November ist ihr Sohn nun schon daheim. Zeitpunkt der Rückkehr in die Kita: ungewiss. Denn: "Die Kita-Leiterin geht nicht auf unsere Sorgen ein, sie überspielt das einfach", sagt die Mutter. "Wir fühlen uns allein gelassen." Die Familie sucht nach einem neuen Kita-Platz.
Kritik an den Corona-Regeln
Die meisten Eltern berichten MDR SACHSEN-ANHALT allerdings, dass sich ihre Einrichtungen an die geltenden Corona-Regeln halten und die Situation ernst nehmen. Das heißt: Kohorten werden gebildet, Schnelltests ausgegeben, außerdem gilt die 3G-Regel. In zahlreichen Kitas dürfen die Eltern das Gebäude gar nicht mehr betreten.
Nachdem das Land Sachsen-Anhalt die Regeln für Kitas im Dezember verschärft hatte, war Kritik laut geworden. Kathrin Klähn, Leiterin der Kindertagesstätte Salzwedel, sagte MDR SACHSEN-ANHALT beispielsweise: "Mit diesen Anordnungen ist kein Regelbetrieb mehr möglich. Um die geforderten Regeln umzusetzen, wäre zusätzliches Personal nötig."
Das Sozialministerium erklärt auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT, regelmäßig mit Gesundheitsämtern und Einrichtungsträgern im Austausch zu sein. Kontrollen mit anschließenden Bußgeldern seien nicht vorgesehen.
Ein Sprecher erklärt: "Wie in anderen regulierten Bereichen bedeutet die Einhaltung der notwendigen infektionspräventiven Maßnahmen einen Mehraufwand. Bei der Entscheidung über die Ausgestaltung der notwendigen Maßnahmen ist deshalb ein wichtiges Kriterium, diesen Aufwand möglichst gering beziehungsweise verhältnismäßig zu gestalten." So würden die Testkits den Familien zum Beispiel mit nach Hause gegeben, damit diese den Test in vertrauter Umgebung durchführen können.
"Wir fühlen uns sicher"
Anna* ist Mutter zweier Kita-Kinder und erzählt von den Herausforderungen für den Nachwuchs während der Pandemie: "Der Anfang war recht schwer, weil meine Kinder erst kurz vor Beginn der Pandemie in die Kita gekommen sind. Jede Unterbrechung war hart für sie, weil danach die Eingewöhnung wieder losging. Da sind viele Tränen geflossen, weil sie es nicht verstanden haben, warum sie zu Hause bleiben mussten."
Doch sie gebe ihre Kinder mit einem guten Gefühl in der Kita ab, denn: "Es wird in der Einrichtung sehr auf Hygiene geachtet", sagt die 37-Jährige aus dem Salzlandkreis. Und: "Für die Kinder ist es wichtig, mit anderen spielen zu können und sich zu entwickeln. Wir fühlen uns auch sicher, weil ich der festen Überzeugung bin, dass die Erzieher und die Kita-Leitung alles versuchen, alles so sicher und normal wie möglich für die Kinder ablaufen zu lassen."
Nach zwei Jahren Pandemie müsste die Landesregierung doch langsam einen Plan haben. Das Gefühl hat man nicht. Wir werden immer wieder einfach vor vollendete Tatsachen gestellt.
Wenn Erzieher beleidigt werden
So wie Fabian Damerau. Der 34-Jährige leitet eine Kita in der Hohen Börde – und ist vom Land enttäuscht: "Nach zwei Jahren Pandemie müsste die Landesregierung doch langsam einen Plan haben", sagt er. Doch: "Das Gefühl hat man nicht. Wir werden immer wieder einfach vor vollendete Tatsachen gestellt. Einmal wurden an einem Freitag Maßnahmen beschlossen, die dann am Montag umgesetzt werden mussten. Das ist kaum zu schaffen." Er würde sich wünschen, dass "diejenigen, die das beschließen, Herr Haseloff oder Frau Grimm-Benne, sich auch mal vor Ort ein Bild der Lage machen würden", so Damerau. "Das fehlt aus meiner Sicht."
Die Gemeinde dagegen tue alles, um zu unterstützen und habe beispielsweise auch beschlossen, dass Eltern die Kita nicht mehr betreten dürfen. "Ich finde das gut und viele Eltern auch", erzählt Fabian Damerau. Doch: Manche Eltern äußerten auch Unverständnis – und zwar deutlich. "Wir Erzieher haben in der Pandemie ein dickes Fell gekriegt", sagt Damerau. "Das wird manchmal beleidigend, auch auf persönlicher Ebene."
Seine Tochter ist zwei Jahre alt, besucht eine Kita in Haldensleben. Und Damerau sagt: "Ich kann ja als Vater und Erzieher sprechen. Und da steht für mich eines fest: Wir alle wünschen uns nach dieser langen Corona-Zeit einfach wieder ein Stück mehr Normalität – auch in den Kitas."
* Name von der Redaktion geändert. Der echte Name ist der Redaktion bekannt.
Über den Autor
Daniel George wurde 1992 in Magdeburg geboren. Nach dem Studium Journalistik und Medienmanagement zog es ihn erst nach Dessau und später nach Halle. Dort arbeitete er für die Mitteldeutsche Zeitung.
Vom Internet und den neuen Möglichkeiten darin ist er fasziniert. Deshalb zog es ihn im April 2017 zurück in seine Heimatstadt. Bei MDR SACHSEN-ANHALT arbeitet er seitdem als Sport-, Social-Media- und Politik-Redakteur, immer auf der Suche nach guten Geschichten, immer im Austausch mit unseren Nutzern.
MDR (Daniel George)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 23. Januar 2022 | 10:00 Uhr
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