Landtag AfD-Fraktion stellt erneut Mitarbeiter mit Neonazi-Vergangenheit ein
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28. Februar 2022, 11:08 Uhr
Die AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt beschäftigt mehrere ehemalige Mitglieder der rechtsextremistischen "Heimattreuen Deutschen Jugend". Mittlerweile arbeitet ein dritter Referent mit HDJ-Vergangenheit im Landtag. Die völkische Organisation war so extrem, dass sie einst verboten wurde. Für die AfD kein Problem: Alle drei Referenten seien hervorragend qualifiziert und verfassungstreu.
Der neue Mitarbeiter im Mittelblock des Magdeburger Landtags blickt auf eine längere Karriere im Rechtsextremismus zurück. So war Eric K. aktiv in der 1994 verbotenen "Wiking Jugend" und später in der "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ). Letztere wies laut Verfassungsschutz eine "starke Wesensverwandtschaft mit der Hitlerjugend" auf. Ein Grund, warum auch diese 2009 verboten wurde. Beim rechtsextremistischen "Freundeskreis Ulrich von Hutten" engagierte K. sich als Kassenwart.
K. bestreitet eine Zugehörigkeit zur "Wiking Jugend" und der HDJ. Entsprechende Belege für seine Aktivitäten dort liegen MDR SACHSEN-ANHALT allerdings vor.
Und K. betätigte sich als Autor. 2008 veröffentlichte er eine Biographie des überzeugten Nationalsozialisten und Waffen-SS-Manns Kurt Eggers. Laut Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern ließ er darin "jede kritische Distanz zum Dritten Reich vermissen". Das Buch landete auf dem Index. K. arbeitete da gerade für die Landtagsfraktion der NPD in Mecklenburg-Vorpommern.
Spätestens seit Januar dieses Jahres ist K. nun als Referent bei der AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt tätig. Sein heutiger Zuständigkeitsbereich: "Bildung, Kultur und Wissenschaft". Für die Fraktion, so lässt es diese über ihren Anwalt mitteilen, besteht keinerlei Zweifel an K.s Eignung oder Verfassungstreue.
AfD verteidigt ihre Mitarbeiter
Eric K. ist bereits der dritte Mitarbeiter mit HDJ-Vergangenheit. Zwei ehemalige Mitglieder des Bundesvorstands der Organisation arbeiten schon länger als Referenten für die Fraktion.
Fraktionschef Oliver Kirchner hatte ihre Beschäftigung im Mai 2021 verteidigt. Beide seien gut ausgebildet und hätten ihm schriftlich versichert, von keiner Verfassungsschutzbehörde in Deutschland beobachtet zu werden. Die persönliche Vorgeschichte der Männer gehe Journalisten "nichts an", so Kirchner damals zum MDR.
Ähnlich äußert sich Kirchner nun zur Beschäftigung von Eric K. Diesmal allerdings über einen Anwalt. So haben laut Kirchner alle drei Referenten einen "einwandfreien Leumund". Das sei von Sicherheitsbehörden "geprüft wie bestätigt".
Nach MDR-Informationen handelte es sich dabei in der Vergangenheit um sogenannte Selbstauskünfte, die jede Person selbst bei den Verfassungsschutzbehörden einholen kann. Dabei teilen diese möglicherweise gespeicherte Daten über eine Person mit, sofern die Auskunftsersuche hinreichend konkret sind.
Eine tatsächliche Sicherheitsüberprüfung ist im Landtag nur für jene Mitarbeitenden vorgesehen, die Abgeordnete bei der Arbeit im Parlamentarischen Kontrollgremium unterstützen. Diese Sicherheitsüberprüfung müssen die Fraktionen über die Landtagsverwaltung auslösen.
Das Innenministerium Sachsen-Anhalt, dem der Verfassungsschutz untersteht, kann dazu auf Nachfrage keine konkreten Auskünfte geben. Das Sicherheitsüberprüfungs- und Geheimschutzgesetz untersagt solche. Die Landtagsverwaltung wiederum teilt mit, in der laufenden Wahlperiode, also seit Juli 2021, habe man "keine Sicherheitsüberprüfungen gemäß SÜG-LSA von Beschäftigten der Fraktionen oder von Beschäftigten einzelner Abgeordneter" veranlasst.
Weiterhin Kontakt zu altem HDJ-Umfeld
Tatsächlich sind über K. aus der jüngeren Vergangenheit keine Aktivitäten in der organisierten rechtsextremen Szene bekannt. Dass er sich vollends von dieser abgewandt hat, wie im Internet zu lesen, darf allerdings bezweifelt werden.
So promovierte er 2017 mit einer Biographie des NS-Politikers und Reichsbauernführers Walther Darré. Die Buchausgabe der Schrift listet ohne weiteren Kommentar auch das bereits indizierte Werk von Eric K. auf. Eine Nachfrage zu diesem Umstand blieb inhaltlich unbeantwortet.
Herausgegeben wurde das Buch von einem anderen ehemaligen HDJ-Aktivisten. Dieser hatte zuvor schon einen Buchvertrieb und einen Verlag von K. übernommen. In demselben Verlag erschienen mehrere Bücher aktueller und ehemaliger NPD-Politiker. Laut Anwalt der AfD-Fraktion sind allerdings ausnahmslos alle Werke K.s fachlich nicht zu beanstanden.
AfD streitet um Verfassungsschutz-Beobachtung
Auch mehr als zehn Jahre nach ihrem Verbot organisieren sich Mitglieder der HDJ noch in rechtsextremistischen Parteien und Bewegungen. Sicherheitsbehörden fanden sie zuletzt etwa bei der NPD, "Der III. Weg" oder beim völkischen Verein "Artgemeinschaft". Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung an Abgeordnete der Grünen-Bundestagsfraktion hervor.
Verschiedene Verbindungen zwischen AfD und HDJ waren derweil Teil eines Gutachtens des Bundesamts für Verfassungsschutz über die Partei. Auch die beiden Referenten, die die Magdeburger Landtagsfraktion vor K. angestellt hatte, werden darin erwähnt. Eine Frage, wie die Fraktion nun die neue Personalie im Kontext einer möglichen Beobachtung der Gesamt- und Landespartei einschätzt, ließ man inhaltlich unbeantwortet.
Der Landesverband der AfD in Sachsen-Anhalt wehrt sich derzeit juristisch gegen den Verfassungsschutz. Letzterer hat eine Beobachtung nie öffentlich bestätigt. Das Verwaltungsgericht Magdeburg will bis Ende März über eine entsprechende Klage entscheiden.
Update vom 1. März, 13:55 Uhr: Wir haben den Beitrag um eine weitere Antwort der Landtagsverwaltung ergänzt.
MDR (Thomas Vorreyer)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Fakt | 25. Mai 2021 | 21:15 Uhr
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