Eine Frau arbeitet während der Corona-Einschränkungen im Homeoffice
Eine Arbeitsrechtlerin aus Halle sagt: Homeoffice und digitale Arbeit können Diskriminierung verschärfen. Bildrechte: imago / imago images / Hans Lucas

Arbeit und Gleichstellung Frauen im Homeoffice – Chance oder Risiko?

07. März 2023, 08:25 Uhr

Wenn es um Gleichstellung in der Arbeitswelt geht, ist Homeoffice eine Chance für Frauen – das sagen eine Arbeitsrechtlerin und eine Gründerin und ehemalige Geschäftsführerin. Beide betonen aber: Politik und Gesellschaft müssen mitarbeiten, damit Frauen und Männer in Zukunft wirklich gleichgestellt werden.

MDR San Mitarbeiterin Julia Heundorf
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Janet Thiemann aus Magdeburg arbeitet von ihrer Wohnung aus für eine Stiftung in Hamburg. Während der Corona-Pandemie gründete und betrieb sie zwei Jahre lang ein digitales Unternehmen – ebenfalls von zu Hause. Sie sieht Homeoffice als große Chance, erkennt jedoch Probleme, die speziell Frauen betreffen.

"Wir teilen wirklich 50/50", sagt die Magdeburgerin über die Arbeitsteilung zu Hause mit ihrem Mann. Aber mit zwei Kindern im Kindergartenalter und ohne Arbeitszimmer, "da wird dann das Bein dick." Das eine Arbeitszimmer nutzte während der Pandemie ihr Mann: "Weil er natürlich zu dem Zeitpunkt der Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, die das meiste zum Familieneinkommen beigetragen hat." Bei einem frisch gegründeten Start-up sei das Geld noch nicht da gewesen. Thiemann sagt: Wer mehr verdient, bekomme die Privilegien. Und in der Regel sei es ja immer noch so, dass Frauen weniger verdienten.

Frauen in Sachsen-Anhalt verdienen im Schnitt drei Prozent weniger

Das zeigt auch die sogenannte Gender Pay Gap – also der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern. Im Jahr 2019 war diese zwischen Frauen und Männern in Sachsen-Anhalt und Brandenburg mit drei Prozent am geringsten. Das heißt, Frauen verdienten pro Stunde brutto im Durchschnitt drei Prozent weniger als Männer. Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt waren es 20 Prozent.

Mehr über den Gender Pay Gap-Wert

Die Angabe vom Verdienstunterschied von drei Prozent stammt aus dem Gleichstellungsatlas der Bundesregierung. Es handelt sich um die sogenannte unbereinigten Gender Pay Gap (deutsch: Lohnlücke), bei der verschiedene Ursachen des Lohnunterschieds nicht berücksichtigt werden, etwa, dass in weiblich dominierten Branchen der durchschnittliche Verdienst meist geringer ist oder dass Frauen seltener besser bezahlte Führungspositionen erreichen. Das Statistische Bundesamt definiert sie als Vergleich vom Durchschnittsverdienst aller Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Die bereinigte Gender Pay Gap vergleicht im Gegensatz dazu den Verdienst von Männern und Frauen mit gleichen Qualifikationen und Tätigkeiten.

Trotz der Belastungen im Homeoffice sieht Thiemann für Frauen eine Riesenchance darin, von zu Hause zu arbeiten: "Weil nicht mehr das Verkaufen meiner Leistung zählt, sondern die tatsächliche Leistung in der Theorie. Diskriminierung könnte abnehmen, weil mein Geschlecht, meine Rasse, meine sexuelle Orientierung keine Rolle spielen. Sieht ja keiner."

Expertin für Arbeitsrecht: Homeoffice hat auch Risiken

Die Hallesche Arbeitsrechtlerin Katja Nebe sagt aber: Homeoffice und digitale Arbeit können Diskriminierung auch verschärfen. Wer im Homeoffice arbeitet, falle eher unter das Radar bei Führungskräften. Wenn man dieses Risiko aber früh im Blick habe, können man dem vorbeugen. Chefinnen und Chefs müssten regelmäßig kontrollieren, ob Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Homeoffice öfter "hinten runter fielen", etwa bei Fortbildungen.

Risiken entstünden auch, wenn die technische Ausstattung fehle, wenn zum Beispiel die Internetverbindung zu schlecht ist. Alles in allem sei Homeoffice aber eine Chance.

Gesetzentwurf für Anspruch auf Homeoffice liegt beim Bund vor

Katja Nebe, die Professorin an der Uni Halle und Teil der Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung war, hat auch deshalb ein Gesetz mit entworfen zu flächendeckenden Regulierung vom Homeoffice. Bisher können nur wenige Menschen Homeoffice als Recht durchsetzen – Ausnahmen galten zwischenzeitlich wegen der Corona-Pandemie. Mit dem neuen Gesetz soll ein Anspruch auf gelegentliches Homeoffice eingeführt werden.

Denn Homeoffice erleichtert für viele Personen auch die unbezahlte Arbeit im Haushalt: die Kinder betreuen, deren Leben organisieren, aufräumen, putzen, abwaschen und so weiter. Diese Arbeit übernehmen weiterhin deutlich häufiger Frauen.

Auch bei MDRfragt gab mehr als die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an, dass die Hausarbeit in der Partnerschaft vor allem auf einer Schulter getragen wird – und das waren deutlich häufiger die Frauen. Mehr als die Hälfte der Befragten gab zudem an, dass sie oder er sich wünschen, dass der oder die andere mehr zur Arbeit im Haushalt beiträgt.

Gender Care Gap: Frauen arbeiten 1,5 Stunden mehr am Tag

Ausführlichere Daten dazu gibt es zuletzt von der Zeitverwendungserfassung aus den Jahren 2012 und 2013, als Frauen in Deutschland täglich mehr als 50 Prozent mehr Sorge- und Pflegearbeit geleistet haben, etwa eineinhalb Stunden mehr als Männer. Neue Zahlen zur "Sorgelücke", der sogenannten Gender Care Gap, wurden im vergangenen Jahr erhoben, aber bisher nicht ausgewertet oder veröffentlicht. Ende 2022 meldeten jedoch Krankenkassen aus Sachsen-Anhalt beispielsweise, dass Väter wieder seltener Krankentage nehmen, wenn die Kinder krank sind.

Im Homeoffice gewinnt man Zeit, sagt Janet Thiemann, etwa durch die entfallenen Fahrten zur Arbeit. Thiemann sagt: "Die Frage ist: Was mache ich mit der gewonnenen Zeit? Arbeite ich mehr in der Erwerbsarbeit oder kümmere ich mich ein bisschen mehr um meine Kinder?"

MDR (Julia Heundorf)

Dieses Thema im Programm: FAKT IST! aus Magdeburg | 06. März 2023 | 22:10 Uhr

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