Archäologen legen die Reste der ehemaligen Mallenbacher Wallfahrtskapelle frei
Archäologen habe die Überreste der Mallerbacher Kapelle bei Allstegt freigelegt. Bildrechte: picture alliance/dpa/Heiko Rebsch

500 Jahre Bauernkrieg Archäologen legen Kapelle bei Allstedt frei

19. September 2024, 15:39 Uhr

Vor 500 Jahren haben Allstedter Bürgerinnen und Bürgern die Mallerbacher Kapelle niedergebrannt – der Beginn der Bauernunruhen in Sachsen-Anhalt. Nun haben Archäologinnen und Archäologen die ehemalige Wallfahrtskapelle freigelegt. Obwohl das Gebäude zerstört wurde, sind die Überreste gut erhalten.

Bei Allstedt im Landkreis Mansfeld-Südharz haben Archäologinnen und Archäologen die ehemalige Mallerbacher Wallfahrtskapelle aus dem 12. und 13. Jahrhundert freigelegt. Sie wurde vor 500 Jahren – am 24. März 1524 – von Allstedter Bürgerinnen und Bürgern geplündert und niedergebrannt. Danach geriet der Standort in Vergessenheit. "Mit der Mallerbacher Kapelle ist ein herausragender Geschichtsort des Bauernkrieges im mitteldeutschen Raum wiederentdeckt worden", sagte Landesarchäologe Harald Meller.

"Einmal mehr wird deutlich, dass Sachsen-Anhalt ein geschichtsträchtiges Land ist", erklärte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), der den Ausgrabungsort besucht hat. "Es ist spannend, dass nun gerade im Zusammenhang mit dem Bauernkriegsgedenken ein originaler Ort von großer Bedeutung ergraben wird".

Die Zerstörung der Mallerbacher Kapelle gilt als Auftakt der Bauernunruhen vor 500 Jahren. "Nun werden der Forschung mit den archäologischen Befunden ganz neue Perspektiven eröffnet."

Rainer Haseloff (CDU, 3.v.l), Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, und Harald Meller (l), Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt, besichtigen eine Ausgrabungsstätte.
Ministerpräsident Haseloff (Mitte) Hat den Grabungsort besucht. Bildrechte: picture alliance/dpa | Heiko Rebsch

Vor 500 Jahre niedergebrannt: Überreste dennoch gut erhalten 

Es wurde der gesamte Grundriss freigelegt. Die überraschend gut erhaltenen Reste der Kapelle belegen eine mit etwa 17 Metern Länge recht kleine Saalkirche mit Rechteckchor und halbrundem Bogen, einer sogenannten Apsis. Sie war ursprünglich die Kirche des Dorfes Mallerbach, das im späten Mittelalter aufgegeben wurde. "Im Gebäude wurde ein Altarfundament freigelegt und im Kirchenschiff sind noch die Spuren des Brandes vorhanden", sagte Projektleiter Felix Biermann vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie.

Heruntergebrochene Dachziegel, Schieferplatten und verkohlte Hölzer belegen demnach, dass das Bauwerk vor 500 Jahren niedergebrannt wurde. Auch etliche Münzen und mehrere Pilgerzeichen konnten geborgen werden. Sie belegen das Wallfahrtsgeschehen im 15. und frühen 16. Jahrhundert.

Ein Archäologe legt die Reste der ehemaligen Mallenbacher Wallfahrtskapelle frei
Der komplette Grundriss der Kapelle wurde freigelegt. Bildrechte: picture alliance/dpa/Heiko Rebsch

Zerstörung vermutlich wegen Predigten von Thomas Müntzer

Die Zerstörung der Kapelle geschah den Angaben zufolge mutmaßlich unter dem Eindruck des damals an der Johanniskirche in Allstedt predigenden Reformators Thomas Müntzer. Die Auflehnung gegen die erdrückende Last an Abgaben und Diensten verband sich mit der protestantischen Bewegung, die das klösterliche Leben und den Heiligenkult grundsätzlich infrage stellte.

Fürstenpredigt und Bauernkrieg Im Deutschen Bauernkrieg (1524/25) forderten die Aufständischen insbesondere in den Zwölf Artikeln von Memmingen (1525) grundlegende Freiheits- und Menschenrechte ein. Die Kämpfe fanden damals auf dem Gebiet des heutigen Thüringen, Sachsen-Anhalt und in Teilen Süddeutschlands statt.

Schon vor den Aufständen und Kämpfen wollten sich die Bauern nicht mehr mit dem Feudalsystem und der Leibeigenschaft abfinden und erhoben sich. Bestätigung für ihre Forderungen fanden sie bei den Reformatoren. Viele beriefen sich auf Martin Luthers (1483-1546) berühmte Schrift "Von der Freiheit eines Christenmenschen" von 1520. Doch der Reformator dachte gar nicht daran, sich mit den aufständischen Bauern und ihren Forderungen nach Abschaffung des Feudalsystems zu identifizieren.

Zuspruch fanden die Bauern bei einem anderen Reformator, der anfangs Luthers Weggefährte war, sich später aber deutlich von ihm distanzierte: Thomas Müntzer. Er wandte sich nicht nur gegen die päpstliche Obrigkeit in der Kirche, sondern auch gegen die feudalen Herrscher, gegen Adel und Klerus, die die Bauern mit Frondiensten und Leibeigenschaft unterdrückten. In seiner berühmt gewordenen "Fürstenpredigt" vom 13. Juli 1524 in Allstedt im heutigen Sachsen-Anhalt prangerte er diese Missstände an.

Müntzer (vermutlich 1489 in Stolberg im Harz geboren) wurde nach einem niedergeschlagenen Bauernaufstand 1525 in Frankenhausen hingerichtet. Gerade in Ostdeutschland ist die Beschäftigung mit dem radikalen Reformator besonders brisant. Denn die DDR-Führung hatte den revolutionären Theologen zum Wegbereiter des Kommunismus erklärt.


Quelle: epd

Der Rat der Stadt Allstedt weigerte sich, die Täter zu bestrafen. In einem Schreiben an Herzog Johann von Sachsen (1498-1537) wird die Tat damit gerechtfertigt, dass in der Kapelle der "Teufel zu Mallerbach unter dem Namen Maria" angebetet worden sei, eine mutmaßlich auf Thomas Müntzer zurückgehende Argumentation.

500 Jahre Bauernkrieg: Mehrere Ausstellungen

Die Grabungen an der Mallerbacher Kapelle laufen noch bis Freitag. Zusammen mit den Grabungen am ehemaligen Kloster Kaltenborn bei Emseloh (Landkreis Mansfeld-Südharz) im letzten Jahr sind sie ein Beitrag zum Gedenkjahr "Gerechtigkeyt. Thomas Müntzer & 500 Jahre Bauernkrieg". Im kommenden Sommer gibt es zudem eine Landesausstellung "Gerechtigkeyt 1525". Neben dem Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle sollen Funde im Spengler-Museum Sangerhausen und im Harzmuseum Wernigerode gezeigt werden.

Mehr zum Thema Archäologie in Sachsen-Anhalt

dpa, MDR (Fabienne von der Eltz)

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR – Das Radio | 19. September 2024 | 13:00 Uhr

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