Eine Frau und ein Mann in Warnwesten
Steffen Erbe (links) aus Sangerhausen war drei Mal als Helfer im Ahrtal. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk

Flutkatastrophe 2021 Helfer aus Sangerhausen: "Bilder von der Flut im Ahrtal vergisst man nicht"

14. Juli 2022, 16:02 Uhr

Ein Jahr nach der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands ist an vielen Orten inzwischen wieder Normalität eingekehrt. Möglich wurde das, weil tausende Helfer in die von den Zerstörungen betroffenen Regionen reisten. Auch aus Sachsen-Anhalt waren Freiwillige vor Ort. Einer von ihnen war Steffen Erbe aus Sangerhausen. Er erinnert sich an seine Zeit als Helfer im Ahrtal.

"Das Ausmaß der Zerstörungen war unvorstellbar", erinnert sich Steffen Erbe noch heute an die Bilder, die sich ihm damals im Ahrtal boten. Gleich drei Mal war der Mann aus Sangerhausen im vergangenen Jahr in der von der Flut besonders stark betroffenen Region, um mit anzupacken. "Das erste Mal war ich nur ein paar Tage da. Ich bin dann später nochmal für eine Woche hin und im Oktober war ich dann nochmal drei, vier Tage dort, um zu helfen."

Dass aber überhaupt Hilfe gebraucht wurde, hat Steffen Erbe zunächst über die sozialen Netzwerke erfahren. Die Entscheidung, dorthin zu fahren und zu helfen, traf er dann auch recht schnell. Denn zwischen seinen Schichten als Krankenpfleger am Bergmannstrost-Krankenhaus in Halle hatte er damals noch viel Zeit: "Ich hatte im Prinzip nur zehn Arbeitstage im Monat und wollte in meiner freien Zeit einfach was Sinnvolles tun. Ich war auch neugierig, wie es vor Ort aussieht. Aber in erster Linie wollte ich den Menschen vor Ort helfen."

Flut-Katastrophe hat Spuren hinterlassen

Daraufhin setzte er sich in sein Auto und fuhr die mehr als 450 Kilometer von Sangerhausen nach Rheinland-Pfalz in das Ahrtal. Das Hochwasser hat hier mindestens 134 Menschen das Leben gekostet. Hunderte haben ihr Zuhause verloren. Ein Jahr danach sind die meisten Straßen zwar wieder befahrbar, Brücken wurden neu errichtet und zerstörte Häuser wieder aufgebaut. Und doch: Die Katastrophe hat Spuren hinterlassen, auch bei Steffen Erbe: "Die Bilder, die man da gesehen hat, die waren schon erschreckend. Wenn man dann dort unten ist, dann wirkt das ganze nochmal ganz anders."

Jeder war wirklich richtig an dem Platz, wo er gerade war.

Steffen Erbe Fluthelfer aus Sangerhausen im Ahrtal

Im Ahrtal angekommen, war Erbe zunächst als Sanitäter im Einsatz und hat den vielen anderen Helfern Erste Hilfe geleistet. Später war der gelernte Elektriker aber auch im Tal unterwegs, um in den schwer beschädigten Ortschaften mitzuhelfen: "Da haben wir sowohl Häuser abgerissen, als auch den Putz abgestemmt, sodass die Wände trocknen können".

Steffen Erbe beschreibt diese Einsätze sehr detailliert und vergleicht sie mit einem großen Sog, der alle gepackt habe: "Jeder hat das gemacht, was er am besten konnte. Niemand wurde zu irgendwas gezwungen. Ob das die Scouts waren, die vor Ort vernetzt waren und die Einsätze koordiniert haben oder die Trupps, die den Schlamm weggeschafft und die Weinlese mitgemacht haben. Das war einfach faszinierend."

Positive Erfahrungen trotz Elend und Zerstörung

Zum ersten Jahrestag der Katastrophe im Ahrtal blickt Steffen Erbe aber auch mit gemischten Gefühlen zurück: "Das Elend, was man dort gesehen hat, das erinnerte schon an Kriegsgebiete. Und diese Bilder vergisst man auch nicht, dass da Brücken wie Legosteine zusammengefallen sind oder die Eisenbahnschienen in der Luft hängen. Aber für mich persönlich war es eher eine positive Erfahrung, weil man sehr schnell mit den Menschen ins Gespräch kam und ihnen einfach helfen konnte."

Die Menschen waren absolut dankbar, für die Hilfe, die sie bekommen haben. Das hat man gemerkt.

Steffen Erbe

Diese Dankbarkeit hat bei dem freiwilligen Helfer aus Sangerhausen Eindruck hinterlassen – bis heute: "Teilweise hatten die Leute Tränen in den Augen, wenn der Keller leer geschippt wurde. Die haben sich sowas von gefreut." Erbe weiß aber auch, dass viele der Flutopfer in dieser Juli-Nacht ihre ganze Existenz verloren hatten. "Wenn man da zwei, drei Minuten einfach nur mal ein offenes Ohr hatte für die Leute, dann waren die sehr dankbar. Die haben sich gefreut, dass da jemand war, der sich wenigstens ihre Probleme mal anhört."

Eine Frau und ein Mann in Warnwesten verarzten die Hand eines Helfers
Nicht nur die Flutopfer, auch die Helfer mussten versorgt werden. Deshalb war Steffen Erbe auch als Sanitäter im Ahrtal im Einsatz. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk

Gleichzeitig wurden die Helfer vor Ort aber auch gut versorgt. Gerade in den ersten Wochen, habe es an jeder Ecke Essenstände gegeben, erinnert sich Steffen Erbe: "In der Zeit, in der ich im Ahrtal war, brauchte ich kein Geld. Ich hab' quasi meine Arbeitsleistung gegen die Versorgung eingetauscht. Dass das so funktioniert hat, das fand ich schon faszinierend."

Fachkräfte werden im Ahrtal gebraucht

Über die Seite des "Helfer Shuttle" steht Steffen Erbe mit einigen Helfern von damals auch heute noch in Kontakt. Das Helfer Shuttle ist eine private Initiative, die Menschen wie Steffen Erbe dabei hilft, anderen zu helfen. Von seinen Kontakten weiß er, dass auch heute noch Hilfe im Ahrtal gebraucht wird. Nun seien aber Fachleute gefragt: "Jetzt stehen vor allem Arbeiten an, die Laienhelfer so gar nicht leisten können. Zum Beispiel, wenn die Elektrik im Haus neu verlegt werden muss." Doch solche Fachkräfte würden in der Region derzeit fehlen, meint Erbe.

Allerdings ist der Wiederaufbau im Ahrtal noch lange nicht abgeschlossen. Ein Jahr nach der Hochwasserkatastrophe laufen die Arbeiten oft nur schleppend. Erst Anfang Juli haben etwa 200 Betroffene in Mainz gegen langsame Auszahlung der Fördergelder aus dem Wiederaufbaufonds demonstriert. Dass Betroffene oft erst sehr spät Unterstützung erhielten, kann auch Steffen Erbe bestätigen: "Selbst während meines letzten Einsatzes, ein Vierteljahr nach der Katastrophe, da gab es noch immer Menschen, die gar keine Hilfe erhalten hatten."

"Ich würde wieder helfen."

Steffen Erbe blickt aber dennoch zufrieden auf seine Zeit als Helfer im Ahrtal zurück. Für ihn war es wichtig, den Menschen in ihrer größten Not zu helfen. Deshalb ist für ihn auch klar, in einer ähnlichen Situation wieder mit anzupacken.

Erbe wäre dann wohl auch nicht der einzige. Er erinnert sich an eine ältere Dresdnerin, der er damals in einem der Camps begegnete: "Die war bei jedem Hochwasser dabei – egal, ob an der Elbe oder an der Oder. Sie hat nur gesagt, sie ist ja Rentnerin und hat viel Zeit. Es ist halt einfach ein tolles Gefühl, wenn man den Leuten auf diese Weise etwas Gutes tun kann."

MDR (Thomas Tasler)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 14. Juli 2022 | 10:30 Uhr

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