
Tschüss Kohle, Hallo Zukunft – 2025 Wie Hohenmölsen genervte Großstädter in die schrumpfende Kleinstadt lockt
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18. März 2025, 05:00 Uhr
Kohle als Energieträger verschwindet immer mehr. Das bedeutet für das Mitteldeutsche Kohlerevier: Wandel. Die Stadt Hohenmölsen kämpft darum, diesen vor Ort so zu gestalten, dass sie nicht weiter schrumpft.
"Das ist unser ganzer Stolz. Unser neues Wohngebiet. Das ist Ende letzten Jahres fertiggestellt worden." Bürgermeister Andy Haugk läuft einen nigelnagelneuen Fußweg entlang, gesäumt von modernen Straßenlaternen. Rechts und links: ebene Grundstücke, 48 Parzellen; die Leitungen für Strom, Fernwärme, Breitband, Wasser liegen anschlussbereit im Boden. Ein neues Eigenheimgebiet – obwohl erstmal einiges dagegen spricht: Hohenmölsen schrumpft.
"Wenn ich Ihnen vor zwei Jahren noch gesagt hätte, auf eine Geburt kommen zwei Sterbefälle, so heißt die Bilanz für 2024, auf eine Geburt kommt drei Sterbefälle", erklärt Haugk. Und das mache natürlich etwas mit einer Stadt. In der Stadt leben trotz Eingemeindungen keine zehntausend Menschen mehr. 18 Prozent der Wohnungen in Mehrgeschossbauten der städtischen Wohnungsbaugesellschaft stehen leer, obwohl schon einige abgerissen wurden.
Nachfrage nach Einfamilienhäusern ist groß
Trotzdem wird neu gebaut, auch wenn der Punkt Nachhaltigkeit erst einmal dagegen spricht: Neue Einfamilienhäuser versiegeln unter Umständen eine ähnlich große Grundfläche wie ein Haus mit mehreren Wohnungen. Doch für Bürgermeister Andy Haugk sind junge Familien gerade die einzige Hoffnung auf eine stabile Einwohnerzahl, und die wollten nun mal neue Häuser.
"Wir haben in den letzten Jahren eine enorme Nachfrage und damit verbunden auch eine enorme Preissteigerung für Einfamilienhäusern erleben müssen." Haugk setzt vor allem auf genervte Großstädter: "Wir profitieren jetzt von einem Fakt, der ganz wichtig ist, dass sich Menschen, die in Leipzig wohnen, wo es schwer ist, Bauplätze zu finden oder Wohnraum überhaupt zu finden, sich hier nach Hohenmölsen orientieren."
"Tschüss Kohle, Hallo Zukunft!" Über zehn Jahre hinweg begleitet MDR AKTUELL Menschen aus dem Mitteldeutschen Revier durch den Kohleausstieg. Was geht verloren? Was kommt neu?
Es sind Menschen wie Tobias Büttcher – für viele Bürgermeister schrumpfender Kleinstädte der idealtypische Neubürger: Ehemann in Familiengründung, Hobbyfußballer, Lehrer. Und dann auch noch für die Mangelfächer Mathe und Physik! Büttcher wohnt mit einer Frau seit Sommer 2024 in einem neuen Einfamilienhaus in Hohenmölsen. Das gleiche Haus in Leipzig wäre finanziell nicht drin gewesen.
Hohenmölsen: Mehr Zuzug als Wegzug
Wir sind immer draußen gewesen und wollten nicht mehr so viel fahren müssen, um überhaupt erstmal ins Land kommen zu können.
Aber das war nicht das einzige Argument für die Kleinstadt: "Wir sind immer draußen gewesen und wollten nicht mehr so viel fahren müssen, um überhaupt erstmal ins Land kommen zu können." Mit dem überschaubaren Angebot an Kultur und Kneipen können sie hier gut leben. Das Einzige, was sie vermissen: "Lieferdienste! In Leipzig haben wir schon mal Sushi bestellt oder so etwas, wenn man mal keine Lust hatte zu kochen."
Wieder zurück zum neuen Baugebiet. Andy Haugk ist optimistisch, dass die Grundstücke schnell verkauft sind. Denn er sieht nicht nur schwarz, wenn er sich die Bevölkerungsstatistik seiner Stadt ansieht: In den vergangenen Jahren sind mehr Menschen nach Hohenmölsen zu- als weggezogen. Und das macht ihm Hoffnung.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 18. März 2025 | 06:00 Uhr