Ein Bagger steht vor dem Umspannwerk Wolmirstedt.
In Wolmirstedt entsteht ein Konverter, der Wechsel- in Gleichstrom umwandeln soll. Der Baubeginn im März 2023 war gleichzeitig der Spatenstich für den Südostlink. Bildrechte: picture alliance/dpa | Klaus-Dietmar Gabbert

Großbauprojekt für Energiewende Zeitplan, Nutzen und Gefahren: Fragen und Antworten zur Stromtrasse Südostlink

26. Juli 2023, 18:00 Uhr

Mit der Stromtrasse Südostlink soll einer der wichtigsten Stromknotenpunkte für die Energiewende entstehen. Die neue Stromautobahn soll mitten durch Sachsen-Anhalt führen, um Strom von Nord- nach Süddeutschland zu transportieren. Dafür werden unterirdische Leitungen auf rund 540 Kilometern angelegt. MDR SACHSEN-ANHALT beantwortet die wichtigsten Fragen zum Bauprojekt.

Worum geht es beim Projekt Südostlink?

Der Stromnetzausbau spielt eine zentrale Rolle bei der Energiewende. Neue Höchstspannungsleitungen sollen klimaneutral erzeugten Strom dorthin bringen, wo er gebraucht wird.

Dementsprechend sollen viele neue Leitungen gebaut werden – es geht um mehr als 100 Projekte mit einer Gesamtlänge von über 12.000 Kilometer. Eines der großen Vorhaben ist das Projekt Südostlink, dessen Stromtrasse auch durch Sachsen-Anhalt führt. Die sogenannte Stromautobahn soll rund 540 Kilometer lang werden und Windstrom aus dem Norden Deutschlands verlustarm nach Bayern transportieren. Die Kabel sollen größtenteils unter der Erde verlegt werden.

Wo genau soll die Stromtrasse Südostlink gebaut werden?

Die Stromtrasse Südostlink wird von Wolmirstedt in Sachsen-Anhalt bis zum Standort Isar in Bayern verlaufen. In Sachsen-Anhalt gliedert sich das Bauvorhaben in zwei Abschnitte. Der Abschnitt A1 im Norden des Landes verläuft über rund 87 Kilometer von Wolmirstedt bis Könnern.

Abschnitt A2 soll rund 94 Kilometer lang werden und von Könnern bis nach Eisenberg in Thüringen verlaufen. Dabei orientiert sich die Trasse zunächst an der Autobahn A14, umgeht an Kabelsketal und Leuna vorbei das Schkeuditzer Kreuz, um dann ab Bad Dürrenberg dem Verlauf der A9 zu folgen, heißt es seitens des Stromnetzbetreibers 50-Hertz, der den Ausbau verantwortet. Die Trasse soll auf einem Korridor mit einem Kilometer Breite von Norden nach Süden verlaufen.

Was ist der Südostlink Plus?

Der Südostlink Plus wurde beschlossen, als klar wurde, dass die Menge an Strom, die mit dem Südostlink nach Süddeutschland transportiert werden kann, zu gering geplant war. Die Stromtrasse soll zwischen Klein Rogahn in Mecklenburg-Vorpommern und dem Landkreis Börde verlaufen. Dabei sollen rund 240 Kilometer Erdkabel verlegt werden, um Windenergie aus der Region Schwerin in den Süden zu leiten. Bei Niederndodeleben im Landkreis Börde sollen die Stränge mit denen des Südostlinks zusammengeführt werden.

Wer ist 50-Hertz?

50-Hertz betreibt das Stromübertragungsnetz im Norden und Osten Deutschlands und baut es für die Energiewende aus. Dabei hat das Unternehmen laut dem Energiewirtschaftsgesetz einen gesetzlichen Auftrag und wird von der Bundesnetzagentur reguliert. 50-Hertz ist für den nördlichen Teil der Stromtrasse Südostlink verantwortlich. Den südlichen Teil in Bayern verantwortet der Übertragungsnetzbetreiber Tennet.

Warum ist die Stromtrasse erforderlich?

Axel Happe, Projektsprecher für den Südostlink bei 50-Hertz, erklärt MDR SACHSEN-ANHALT: "Der Südostlink ist erforderlich, weil im Nordosten Deutschlands immer größere Mengen an Windstrom entstehen und zugleich im Süden Deutschlands, wo große Stromverbraucher sitzen, nach und nach Kraftwerkskapazität vom Netz geht. Damit der grüne Strom von Nord nach Süd fließen kann – dafür brauchen wir diese Stromtrasse."

Auch der Ausbau der Verbindungen zu den europäischen Nachbarländern werde immer wichtiger, heißt es in einem Statement der Bundesregierung. Mit der neuen Trasse könnte zukünftig Wasserkraft in Skandinavien und den Alpenländern mit Windkraft und Photovoltaik in Deutschland verbunden werden. Die Europäische Union hat den Südostlink deshalb auch als "Projekt von gemeinsamem Interesse" eingestuft.

Warum werden die Höchstspannungsleitungen unter der Erde verlegt?

Große Stromautobahnen müssen vorrangig als Erdkabel geplant werden. Das wurde im Jahr 2015 mit dem Gesetz zum Energieleitungsbau festgelegt. Erdkabel sind zwar teurer, dafür sei auch der Eingriff in die Landschaft deutlich geringer, teilt 50-Hertz mit. Beim Südostlink sollen sie in etwa 1,40 Meter Tiefe verlegt werden. An Straßen oder Gewässern wird tiefer gebohrt. Ein Meter der Leitungen wiegt rund 40 Kilogramm.

Wie ist der aktuelle Stand des Bauprojekts?

Der Netzbetreiber 50Hertz hat seine Planungen für den südlichen Bauabschnitt der Stromtrasse durch Sachsen-Anhalt abgeschlossen. Der Bauantrag soll am 31. Juli bei der Bundesnetzagentur eingereicht werden, heißt es von Unternehmensseite. Der nördliche Abschnitt soll im August folgen.

Die Bundesnetzagentur wird die Unterlagen nach Einreichung auf Vollständigkeit prüfen und voraussichtlich im Herbst auf ihrer Webseite veröffentlichen. Öffentliche Träger, Umweltverbände und Privatpersonen können sich dann mit Stellungnahmen und Einwenden ins Verfahren einbringen. Für das kommende Jahr werde der Planfeststellungsbeschluss erwartet, womit die Bauarbeiten in der Breite beginnen können, heißt es weiter.

Die Stromtrasse Südostlink Plus befindet sich noch in der Bundesfachplanung der Bundesnetzagentur. In dieser können sich alle potenziell betroffenen Bürger mit Einwänden und Vorschlägen äußern.

In Wolmirstedt wurde im März bereits mit dem Bau eines Konverters begonnen, der Wechsel- in Gleichstrom umwandeln soll. Dadurch können große Strommengen über weite Entfernungen übertragen werden. "Mit dem Konverter in Wolmirstedt startet der Bau vom Südostlink. Das ist ein Meilenstein beim Stromnetzausbau in Deutschland", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der dem Spatenstich zusammen mit Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) beiwohnte.

Zeitplan im Überblick: Wann soll der Südostlink fertig sein?

Der Konverter in Wolmirstedt soll bereits 2025 fertiggestellt werden. Die Inbetriebnahme der Stromtrasse ist für 2027 geplant. "Die Herausforderung bei Gleichstromleitungen ist, dass diese Leitungen nicht abschnittsweise in Betrieb genommen werden können. Das heißt, erst wenn der Südostlink vollständig fertig gebaut ist, kann er in Betrieb gehen", erklärt Ulrike Platz, Sprecherin der Bundesnetzagentur.

Beim Südostlink Plus soll der finale Korridor der Trasse bis 2025 eingegrenzt werden
. Bis 2028 soll die Planfeststellung abgeschlossen sein. 2030 soll der Südostlink Plus dann schließlich ebenfalls ans Netz gehen.

Wie viel Strom kann durch den Südostlink transportiert werden?

Im Umspannwerk in Wolmirstedt lassen sich bis zu zwei Gigawatt an erneuerbarer Energie aus Nordostdeutschland in Gleichstrom umwandeln, so der Betreiber 50-Hertz. Das entspreche einer Kapazität von etwa 600 bis 700 Windrädern, die unter Volllast Strom produzieren. Zwei Übertragungsleitungen sollen im Südostlink dann mit 525 Kilovolt Spannung jeweils 2.000 Megawatt Strom transportieren, heißt es weiter.

Was kostet der Südostlink?

Axel Happe von 50-Hertz meint: "Wir rechnen derzeit mit 4,5 Milliarden Euro als Gesamtkosten für die Südostlink-Leitung zwischen Wolmirstedt und Isar." Diese Zahl könne sich aber noch verändern, da zwischenzeitlich die zweite Leitung aus dem Südostlink Plus hinzugekommen ist. Finanziert wird alles über das Netzentgelt, das Stromkunden bezahlen.

Welche Kritik gibt es am Projekt?

Kritik an der Trasse gibt es von verschiedenen Bürgerinitiativen und Landwirten. Sie sorgen sich, was 525.000 Volt für Menschen und Tiere in der Umgebung bedeuten. Grundstücksbesitzer befürchten zudem Wertverluste, denn an der Oberfläche über dem Kabelkanal entsteht laut einem Sprecher von 50-Hertz ein rund 20 Meter breiter Sperrstreifen für die Bebauung.

Die Proteste haben die Planung der Trasse bereits teilweise verzögert. 50-Hertz veranstaltet immer noch Bürgerdialoge und passte den Verlauf des Südostlinks bereits mehrmals an.

Gab es Klagen gegen die Stromtrasse?

Ja, vor allem im bayerischen Teil des Südostlinks. Brennberg in der Oberpfalz und das niederbayerische Niederaichbach haben gegen sogenannte Veränderungssperren im Zusammenhang mit der Stromtrasse geklagt. Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht die Klagen abgewiesen.

Auch der Freistaat Thüringen reichte Klage ein – allerdings gegen die Stromtrasse Südlink, die neben dem Südostlink ebenfalls durch das Bundesland verlaufen soll. 2021 scheiterte die Landesregierung jedoch ebenfalls vor dem Bundesverwaltungsgericht. Im April diesen Jahres teilte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) mit, dass man noch über eine erneute Klage entscheide. Betroffene Kommunen sollen dabei mit einbezogen werden.

Erhalten betroffene Grundstücksbesitzer eine Entschädigung?

Ja. Grundstücksbesitzer erhalten Schadensersatz. Während der Bauphase gibt es Schadensersatz abhängig von der Fläche, die beansprucht wird. Der Nutzungsausfall durch die Landwirte wird auch noch ein weiteres Jahr ersetzt. Das Baufeld soll in der Regel 45 Meter breit sein. Nach der Verlegung wird ein 21 Meter breiter Streifen als Schutzstreifen im Grundbuch eingetragen, der landwirtschaftlich genutzt, aber nicht bebaut werden darf.

Wurden Bürger und Bürgerinnen in die Planung einbezogen?

Seit Beginn der Planungen im Jahr 2016 gibt es Gespräche und Diskussions-Termine mit den Bürgerinnen und Bürgern, bei denen sie ihre Sorgen, Kritik und Ideen einbringen können. Diese Meinungen hätten Einfluss auf die Planungen gehabt, sagt Axel Happe: "Wir haben die Hinweise ausgewertet und daraufhin die Planungen überarbeitet, zum Beispiel Korridore verschoben, um frühzeitig bestimmte Konflikte auszuräumen."

Wie können sich Bürgerinnen und Bürger jetzt noch einbringen?

Während des Planfeststellungverfahren zum Südostlink können Bürgerinnen und Bürger weiterhin Anmerkungen machen, Einwände anbringen und Alternativen vorschlagen. Das ist noch bis Ende nächsten Jahres möglich. Der Betreiber 50-Hertz informiert zudem weiterhin regelmäßig auf sogenannten Info-Märkten, um mit den Anwohnern ins Gespräch zu kommen, wie hier im Saalekreis:

Werden beim Bau der Stromtrasse Tierarten gefährdet?

Die Untersuchungen dazu laufen noch. Der geplante Verlauf der Stromtrasse wird laut Axel Happe mit Blick auf die Flora und Fauna genau untersucht und kartiert. "Entsprechend der Landschaft, durch die die Stromtrasse führt, erwartet man bestimmte geschützte Tier- und Pflanzenarten und geht danach bewusst auf die Suche", so Happe. Amphibien seien immer ein großes Thema bei Gewässern, im nördlichen Verlauf gehe es vor allem auch um den Feldhamster und im Süden um die Wildkatze. Besonders nach diesen Tieren werde gesucht.

Schon für den Bau der Intel-Fabrik bei Magdeburg mussten zuletzt Feldhamster umgesiedelt werden.

Wie beeinflusst die Trasse die Landwirtschaft?

Der größte Teil der grünen Stromtrasse soll als Erdkabel verlegt werden. Dafür wird ein Graben ausgehoben, in dem die Kabel entlanggeführt werden. Die Kabel sollen so tief verlegt werden, dass Landwirtschaft weiter möglich sein kann. Allerdings dürfen auf einer Breite von rund 20 Metern über der Stromtrasse keine hartwurzelnden Gehölze wachsen.

Hat die Trasse Auswirkungen auf den Bördeboden?

In den Voruntersuchungen zum Trassenbau hat 50-Hertz modelliert, wie sich die Kabel auf den Boden auswirken. Ein Nachweis bleibe aber schwierig, hieß es vom Unternehmen. Die Kabel können sich bei voller Last auf bis zu 70 Grad erwärmen. Sie liegen zwar in Schutzrohren, die wiederum in Sand eingebettet sind, doch es komme auch auf die grundsätzliche Beschaffenheit des Bodens an. Die Wärmeübertragung lässt sich deshalb kaum berechnen.

Erste Ergebnisse einer Studie der Uni Halle lassen darauf schließen, dass sich bei Volllast der Leitungen die Temperatur im Wurzel-Bereich um zwei bis drei Grad Celsius erhöht. Jan Rücknagel von der Uni Halle erklärt: "Die Landwirte befürchten vor allem eine Austrocknung der Böden und damit Einbußen bei der Ernte." Gäbe es solche Ernteausfälle, müsse der Netzbetreiber laut Gesetz Entschädigung zahlen.

Viel entscheidender für die Ertragsqualität der Böden sei aber das Verlegen der Erdkabel, so 50-Hertz-Sprecher Axel Happe. "Hier braucht es sehr große Sorgfalt. Dazu gehört zum Beispiel, dass der Boden in Schichten ausgehoben und richtig gelagert wird. Er darf während der Lagerung nicht vernässen, er darf aber auch nicht völlig austrocknen." Dass die Böden beim Bau der Trasse bestmöglich geschont werden, werde ein umfangreiches Bodenschutzkonzept regeln.

Befinden sich im Bereich der zukünftigen Stromtrasse noch Weltkriegsbomben?

Bisher wurden bei Sondierungsarbeiten zwei größere Kampfmittelfunde gemacht. Im September 2022 musste an der geplanten Trasse bei Bad Dürrenberg eine mehr als 70 Jahre alte Fliegerbombe entschärft werden. Wie 50-Hertz mitteilte, wurde dafür die rund 100 Meter entfernte Bundesautobahn 9 vorübergehend gesperrt. Im März diesen Jahres wurde zudem ein Blindgänger bei Zöschen in Leuna gefunden. Da eine Entschärfung nicht möglich war, musste die Fliegerbombe kontrolliert gesprengt werden.

Spezialistinnen und Spezialisten untersuchen im Vorfeld die Baufläche der Trasse. Hierfür wurden Luftbilder, Fundkarten und sogar Kriegstagebücher ausgewertet, teilt 50-Hertz mit. Um ein Bild vom Untergrund zu bekommen, nutzen die Kampfmittelräumer sogenannte Magnetometer. Nach sorgfältiger Auswertung der Messergebnisse heben die Fachleute dann an relevanten Verdachtsstellen mit einem kleinen Bagger und per Hand vorsichtig den Boden aus. In Sachsen-Anhalt rechnet das Projektteam mit weiteren Funden, heißt es weiter.

Beeinflusst die Intel-Ansiedlung die Pläne?

Nein. Axel Happe sagt: "Die geplante Chip-Fabrik wird ihren Strom aus dem Wechselstrom-Netz beziehen. Den Netzanschluss dafür realisieren 50-Hertz und der Verteilnetzbetreiber Avacon gemeinsam. Der Südostlink führt nah an der geplanten Chip-Fabrik vorbei."

MDR (Sarah-Maria Köpf)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT - Das Radio wie wir | 25. Juli 2023 | 17:30 Uhr

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