Krankenpfleger berichten Drei Jahre Corona: "Diese Bilder vergisst du nicht"
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10. März 2023, 19:17 Uhr
Am 10. März 2020 gab es den ersten bekannten Corona-Fall in Sachsen-Anhalt. Drei Jahre später scheint die Pandemie vorbei zu sein. Doch sie hat Spuren hinterlassen, auch in den Köpfen des Klinikpersonals. Hier berichten eine Krankenschwester aus Magdeburg und ein Krankenpfleger aus Halle – von Flashbacks, fehlender Anerkennung und Momenten, für die sich die Arbeit lohnt.
Rückblick: Im Dezember 2021 tobte die Corona-Pandemie in Sachsen-Anhalt mit voller Wucht. Die landesweite Inzidenz kratzte zeitweise an der 1.000er-Marke, viele Krankenhäuser drohten vollzulaufen. Damals hat MDR SACHSEN-ANHALT zum ersten Mal mit der Intensivkrankenschwester Katharina vom Uniklinikum Magdeburg und dem jungen Krankenpfleger Niklas vom Klinikum Bergmannstrost in Halle gesprochen.
Rund 15 Monate später scheint die Pandemie vorbei zu sein. Im Alltag gibt es so gut wie keine Einschränkungen mehr, und auch in den Krankenhäusern des Landes ist so etwas wie Normalität eingekehrt. Doch welche Spuren hat Corona langfristig hinterlassen, in den Kliniken, aber auch in den Köpfen des Personals? Das wollte MDR SACHSEN-ANHALT von Katharina und Niklas erfahren – und hat noch einmal mit ihnen gesprochen.
Katharina, 49, Krankenpflegerin auf der Intensivstation im Uniklinikum Magdeburg: "Die Pandemie hat mich sehr mitgenommen"
"Wir hatten bei uns auf der Station schon lange keinen Corona-Patienten mehr. Das Virus ist fast wie verschwunden, sehr zu unserer Erleichterung. Normalität wie vor der Pandemie herrscht bei uns trotzdem nicht. Wir sind vorsichtiger, im Umgang untereinander, aber auch im Umgang mit den Patienten. Wir sind ein bisschen gebrannt. Viele von uns tragen auch beim Einkaufen immer noch eine Maske.
Die Corona-Zeit hat mich körperlich und psychisch sehr mitgenommen. Ich merke es bei mir, aber auch bei meinen Kollegen, dass wir bis heute sehr viel erschöpfter sind. Mich haben vor allem die Schicksale der Patienten zu Hochzeiten der Pandemie arg belastet. Und dann ist man nach Hause gekommen und hatte außer der Familie keinerlei Möglichkeit zur Ablenkung und zum Ausgleich. Das habe ich als sehr schwierig empfunden. Damals habe ich mir angewöhnt, viel Sport zu treiben.
Viele verziehen immer noch das Gesicht, wenn man erzählt, dass man in der Krankenpflege arbeitet.
Und ich habe gelernt, nicht alles mit nach Hause zu nehmen. Man muss auch mal abschalten können, sonst geht man kaputt. Da muss man an der Krankenhaustür wirklich eine Art Schalter im Kopf umlegen. Es dürfen sich nicht alle Gedanken um die Schicksale der Patienten drehen. Um die Pandemie und den ganzen Stress zu verarbeiten, habe ich jetzt eine Kur beantragt. Wenn alles gut geht, werde ich da dieses Jahr noch hinfahren. Mir ist egal, wohin es geht, ich will einfach nur mal rauskommen.
Die Wertschätzung unseres Berufes hat sich in meiner Wahrnehmung durch die Pandemie nicht verändert. Viele verziehen immer noch das Gesicht, wenn man erzählt, dass man in der Krankenpflege arbeitet.
Auch ich denke über meine berufliche Zukunft anders als vor drei Jahren. Ich kann mir nicht vorstellen, bis 67 auf der Intensivstation zu arbeiten. Ich möchte irgendwann nicht mehr an Feiertagen oder am Wochenende arbeiten. Ich möchte einen geregelteren Rhythmus. Wenn man etwas älter wird, braucht man das ja auch. Deshalb studiere ich jetzt Berufspädagogik und Management in der Pflege. Meine Arbeitszeit habe ich reduziert. Ich freue mich, wenn ich eines Tages Schülern beibringen kann, dass das trotzdem ein schöner Beruf ist.
"Personalmangel verschärft sich weiter"
Viele meiner Kollegen sagen, sie treten kürzer, arbeiten nur noch Teilzeit oder gehen ganz aus der Pflege raus. Der Pflegepersonalmangel verschärft sich weiter, aber die Arbeit bleibt die gleiche, wir haben trotzdem viele Patienten. Dann ist es schwierig, mit immer weniger Personal gute Pflege zu gewährleisten. Man will ja auch für seine Patienten da sein. Wenn man ein paar Dienste hintereinander hat, merkt man, dass man nur noch erschöpft ist, wenn man nach Hause kommt.
Man sollte nicht unterschätzen, dass der Pflegeberuf sehr anstrengend ist. Wir arbeiten im Nachtdienst, wir arbeiten an Feiertagen, wir arbeiten ständig in wechselnden Schichten, wir arbeiten körperlich schwer. Ich finde, man sollte sich bemühen, den Beruf attraktiver zu machen. Doch da gibt es seitens der Regierung keinerlei Entgegenkommen, dass man vielleicht sagt, Leute auf der Intensivstation dürfen schon mit 62 oder 63 in Rente gehen. Oder dass man weniger Stunden arbeitet bei vollem Lohnausgleich. So etwas steht gar nicht zur Debatte.
Als Team zusammengewachsen
Das Gute an der Pandemie war, dass wir als Team auf der Intensivstation extrem zusammengewachsen sind. Das ist etwas, das Freude macht und weswegen man gerne arbeiten geht. Letztes Jahr haben wir zum ersten Mal seit Ewigkeiten alle zusammen etwas unternommen: eine Floßfahrt auf der Elbe, das war wirklich toll.
Auch ein paar positive Patientenschicksale bleiben mir neben all dem Leid im Kopf: Wir hatten zum Beispiel eine Patientin, die ganz schwer Covid hatte, die beatmet wurde, bei der man gesagt hat, es gibt wahrscheinlich keine Chance mehr. Wir hatten große Sorge, ob sie überlebt oder welche Schäden vielleicht bei ihr zurückbleiben. Doch dann hat sie sich nach Wochen auf der Intensivstation tatsächlich sehr gut erholt. Eines Tages haben wir sie zum ersten Mal wieder hingesetzt, und sie hat sich die Bilder von ihren Enkelkindern angeguckt. Später haben wir sie in die Reha entlassen.
Und gerade erst vor ein paar Wochen war eine ehemalige Covid-Patientin, die auch lange bei uns lag, auf der Station zu Besuch. Wir haben sie zuerst gar nicht erkannt, so anders sah sie aus. Sie hat sich dann bei uns bedankt und uns einen Präsentkorb gebracht. Das sind so Momente, wo man sich total freut. Da merkt man, dass die eigene Arbeit nicht umsonst ist."
Niklas, 22, Krankenpfleger im Notfallzentrum am Klinikum Bergmannstrost in Halle: "Bis heute habe ich manchmal Flashbacks"
"Das Thema Covid gehört bei uns in der Klinik inzwischen zum Alltag. Wenn ein Patient positiv getestet wird, gibt es keinen großen Aufschrei mehr. Auch eine spezielle Covid-Station haben wir nicht mehr. Es herrscht nun eine Art Normalität, Covid ist Bestandteil dessen und wird nie wieder ganz weggehen.
Als Anfang März die Maskenpflicht in Krankenhäusern weggefallen ist, haben einige ein bisschen Freedom Day gefeiert. Auch ich muss sagen, dass mich die Maske zum Schluss genervt hat. Es hat die Arbeit teilweise schon erschwert. Jetzt muss ich mich erstmal wieder daran gewöhnen, beim Gähnen die Hand vor den Mund zu halten. Trotzdem sollte man weiterhin auf seinen Verstand hören und die Maske tragen, wenn es Sinn macht.
Wenn ich auf die vergangenen drei Jahre zurückblicke, war der härteste Tag der Heiligabend 2021. Ich hatte Spätdienst, alle Zimmer waren belegt und wir haben in einer Schicht zehn oder zwölf Covid-Patienten behandelt, wie am Fließband. Immer, wenn wir gerade die Schutzkleidung ausgezogen hatten, kam schon der nächste. Das war echt schlimm, noch dazu am Heiligabend, an dem ich alleine in Halle war.
Generell war die Pandemie keine schöne Zeit, auch für die Psyche. Du kamst von Arbeit, warst total fertig, weil du 20 Patienten behandelt hast, die Covid hatten, und konntest nicht machen, was du wolltest. Du konntest nicht ins Kino, nicht in einen Club. Und du wusstest, morgen geht es so weiter und nächste Woche und übernächste Woche. Das war so ein aussichtsloser Weg. Zum Glück haben wir gute Angebote von unseren Psychologen bekommen, um über das Erlebte zu reden.
Patienten, die einen mit großen Augen angucken, weil sie keine Luft mehr bekommen – diese Bilder vergisst man nicht.
Bis heute habe ich manchmal kleine Flashbacks. Wenn man Patienten hat, die einen mit großen Augen angucken, weil sie keine Luft mehr bekommen, das lässt einen nicht kalt. Diese Bilder vergisst man nicht. Oder auch das Geräusch von den piependen Alarmbildschirmen, wenn der Sauerstoffgehalt im Blut eines Patienten zu niedrig war – das hat sich eingebrannt.
"Der hat die Nacht nicht geschafft"
Ich habe mich damals oft gefragt, wie es den Corona-Patienten vom Vortag inzwischen geht. Vom Notfallzentrum, wo ich arbeite, wurden die Corona-Fälle dann ja auf die Covid-Station verlegt. Manchmal habe ich dort angerufen, um nachzufragen, und dann kam öfter die Antwort: 'Der hat die Nacht nicht geschafft.'
Viele Patienten haben uns aber hinterher auch geschrieben, dass es ihnen wieder gut geht. Besuche waren damals ja nicht so einfach möglich. Wir haben deshalb sehr viel Post bekommen. Es gab eine Pinnwand, wo all die Briefe angepinnt wurden. Zu sehen, dass es den Menschen wieder gut geht, dass die wieder voll im Leben stehen, das war echt schön.
Ich hatte auch das Gefühl, dass uns die Patienten während der Pandemie respektvoller und mit mehr Rücksicht behandelt haben. Wenn es in der Notaufnahme lange Wartezeiten gab, hatten alle Verständnis. Leider hat das inzwischen wieder nachgelassen.
"Wenn du älter bist, macht es dich echt kaputt"
Die Aufmerksamkeit für die schwierige Situation von uns Krankenpflegenden ist durch die Pandemie mehr in den Fokus gerückt. Die Menschen haben für uns geklatscht, wir waren in den Medien, wir waren Thema im Bundestag, aber wirklich etwas geändert hat sich an den Arbeitsbedingungen letztlich nicht. Die Anerkennung für das, was wir machen, ist vielleicht etwas größer geworden, aber sie ist noch längst nicht da, wo sie sein sollte.
Ich bin 22 Jahre alt, das heißt, ich müsste theoretisch noch mindestens 45 Jahre als Krankenpfleger arbeiten. Es ist ein wahnsinnig schöner Beruf, aber ob du das bis zum Ende durchhältst, ist eine große Frage. Dass ich das schaffe, kann ich mir nicht wirklich vorstellen. Gerade wenn du älter bist, macht es dich echt kaputt.
Umso wichtiger ist es, einen gesunden Freizeitausgleich und die richtigen Strukturen zu haben, etwa mit Blick auf die Zahl der Patienten, um die sich eine Pflegekraft kümmern muss. Politiker, die die Regeln für die Krankenpflege bestimmen, sollten nicht einfach irgendwas festlegen, sondern vorher mit Leuten sprechen, die das betrifft und die Ahnung haben. Das wünsche ich mir."
MDR (Lucas Riemer)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 10. März 2023 | 12:00 Uhr
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