Pandemiefolgen Wie Corona Sachsen-Anhalts Wirtschaft verändert

04. April 2023, 13:03 Uhr

Der Messebau war der erste Wirtschaftszweig, den die Corona-Krise traf und auch einer der letzten Bereiche, bei dem die Geschäfte wieder anliefen. Corona hat auch die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt nachhaltig verändert. Dreimal besuchte MDR SACHSEN-ANHALT-Reporter Uli Wittstock während der Pandemie den Magdeburger Messebauer M3. Dabei stellte er unter anderem fest, dass sich die Arbeit in dem Unternehmen verändert hat.

Portrait-Bild von Uli Wittstock
Bildrechte: Uli Wittstock/Matthias Piekacz

Der Aufbau von Messeständen bedeutet für alle Beteiligten mehrere Tage Stress und Anspannung, denn zum Eröffnungsrundgang muss alles stehen, blinken und natürlich auch funktionieren. Vor drei Jahren trafen das Team der Firma M3 die ersten Corona-Einschränkungen mitten in einer solchen Stressphase: Sachsen-Anhalts Landesstand bei der Internationalen Tourismusmesse ITB in Berlin war schon halb fertig, als die Absage kam. Also wurde wieder abgebaut.

Für die nächsten drei Jahre brach das Messegeschäft faktisch zusammen. Doch fährt man heute in das Magdeburger Gewerbegebiet Rothensee, dann ist bei M3 davon nichts mehr zu spüren. In einem modernen Flachbau befinden sich die Büros und Werkstätten der Firma und nach drei Jahren Pause sei das Geschäft mit voller Wucht wieder hochgefahren, erklärt Prokuristin Regine Feistel: "Wir haben zum Teil auch gute Kunden ablehnen müssen, weil wir es gar nicht geschafft haben. Manchmal starten vier Messen an einem Tag und wir können auch nur das realisieren, was möglich ist."

Suche nach neuen Geschäftsfeldern

M3 beschäftigt zwanzig festangestellte Mitarbeiter und hat sich zu einem der führenden Messebauer in der Region entwickelt, mit Aufträgen in ganz Europa. Überleben konnte die Firma nur dank des Kurzarbeitergeldes sowie der Suche nach anderen Geschäftsfeldern. Dazu war M3 breit genug aufgestellt, denn die Firma verfügt über ein eigenes Grafikstudio, eine Tischlerei mit modernen CNC Maschinen, eine Lackiererei, sowie einen Fuhrpark. Messebau erfordert eben ganz unterschiedlich Talente und die wurden auch während des Lockdowns genutzt, so Regine Feistel. "Wir haben Möbel gebaut, aber auch Möbel ausgefahren für andere Unternehmen. Wir haben Spuckschutz hergestellt, zum Beispiel für Kassenbereiche, aber auch Grafik entworfen."

Pandemie stärkt Teamgeist

Allerdings blieb trotz aller Bemühungen die Auftragslage doch sehr überschaubar. Von Vollbeschäftigung konnte zu keinem Zeitpunkt der Corona-Krise die Rede sein. Und so kam es vor allem darauf an, die Mitarbeiter auch bei schmaler Auftragslage an die Firma zu binden. Die Arbeit, das in diesen Zeiten besonders knappe Gut, wurde gerecht aufgeteilt, erklärt Regine Feistel: "Wir haben das so organisiert, dass jeder etwas zu tun hatte. Die Verwaltung war im Homeoffice, ebenso die Grafiker und unsere Werkstatt war auch in Betrieb, so dass niemandem die Decke auf den Kopf fiel." So gelang es M3 über eine Durststecke von drei Jahren alle Mitarbeiter zu halten. Wenn Regine Feistel jetzt auf die aktuelle Auftragslage blickt, dann scheint das nicht allen Messebauern gelungen zu sein, denn der Kundenansturm ist auch die Folge einer gewissen Marktbereinigung im Messebau.

Wirtschaft robuster als gedacht

Erst Corona mit Lockdown und Problemen bei Lieferketten, dann Inflation und Energiekrise und schließlich auch noch der Krieg in der Ukraine – das sind eigentlich keine guten Voraussetzungen für die Wirtschaft. Mehrfach mussten Wirtschaftsforscher ihre Prognosen ändern, allerdings in den meisten Fällen nach oben, denn die von vielen befürchtete Wirtschaftskrise ist ausgeblieben.

Im Jahr 2021, mitten in der Corona-Krise, fiel die Zahl der Firmeninsolvenzen in Sachsen-Anhalt auf den historischen Tiefpunkt von 286 Unternehmen, im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang von zwanzig Prozent. Das wurde von vielen auch als Folge der staatlichen Hilfsmaßnahmen gesehen, im Zusammenspiel mit günstigen Krediten, da ja zu dieser Zeit die Zinsen noch niedrig waren. Für das Jahr 2022 fehlen zwar noch die aktuellen Daten, aber trotz des Endes der Corona-Hilfen und deutlich gestiegener Kreditkosten kam es auch im Jahr 2022 zu keiner großen Pleitewelle in Sachsen-Anhalt.

Es ist immer wieder spannend zu sehen, wie die deutsche Wirtschaft sich neu erfindet, auch in Ostdeutschland.

Carsten Wendt, Firmenkundenchef Commerzbank Magdeburg

Das bestätigen auch jene, die täglich mit dem Thema zu tun haben, nämlich die Firmenkundenberater der Banken. Die Commerzbank Magdeburg betreut vor allem im Norden Sachsen-Anhalts mittelständische Unternehmen. Eine Zunahme an Firmenpleiten gab es im letzten Jahr nicht, erklärt Firmenkundenchef Carsten Wendt: "In der produzierenden Industrie ist das Gottseidank ausgeblieben. Im Gegenteil, denn es ist immer wieder spannend zu sehen, wie die deutsche Wirtschaft sich neu erfindet, auch in Ostdeutschland." Das zeige sich vor allem daran, dass nach allen Problemen mit den Lieferketten nun das Thema Nachhaltigkeit für die Unternehmen zunehmend wichtig werde.

Nachhaltigkeit – mehr als eine Phrase

Für die Messebauer von M3 ist das kein neues Thema, denn der größte Raum der Firma ist eine Lagerhalle, in der man alles findet, was man für die Herstellung und den Aufbau großer Messestände braucht: Hochregale mit Schrauben, Nägeln, Haken, Ösen, Leisten, Stangen, Kabeln, Brettern oder Lampen. Das Ganze erinnert an einen Baumarkt. Und dennoch räumt Regine Feistel ein, in den letzten Jahren auch zu selbstverständlich mit den Ressourcen umgegangen zu sein: "Man hat immer aus dem Vollen genommen. Es war halt immer alles da, und das hat sich nun geändert. Von heute auf morgen irgendetwas bestellen, oft mit overnight, das war einmal. Spediteure sind ja auch Mangelware."

Diese Form der hektischen Dauerverfügbarkeit von Waren, Dienstleistungen und Fachkräften ist zunächst durch Corona ausgebremst worden und wird nun zunehmend hinterfragt, so Prokuristin Feistel. "Man muss auch wieder zurückkommen zu einem normaleren Rhythmus in der Arbeit, weniger Hektik. Und wir müssen nachhaltiger werden, obwohl das beim Messebau immer schwierig ist. Manche Kunden setzen inzwischen ihre Stände fünf, sechs, sieben Mal ein."

Digitale Messen wollen die Leute nicht. Man muss sich in die Augen schauen und sich einfach mal an einen Tisch setzen. Das ist auch in der Zukunft wichtig.

Regine Feistel, Prokuristin M3

Eines hat Corona, trotz des erheblichen Zuwachses an digitalen Dienstleistungen, aber nicht verändert: das Interesse an realen Treffen mit Geschäftspartnern. Das Messegeschäft stehe zwar vor einem Wandel, so Regine Feistel, sei aber in seiner Existenz nicht bedroht: "Digitale Messen wollen die Leute nicht. Man muss sich in die Augen schauen und sich einfach mal an einen Tisch setzen. Das ist auch in der Zukunft wichtig."

MDR (Uli Wittstock, Sarah-Maria Köpf)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 03. April 2023 | 06:00 Uhr

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