Ein Jahr Cannabis-Gesetz Was hat die Cannabis-Legalisierung verändert?
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01. April 2025, 07:04 Uhr
Der Aufschrei war groß – bei den einen aus Freude, bei den anderen aus Ärger. Kaum eine Entscheidung der Ampel-Regierung polarisierte dermaßen. Heute vor einem Jahr wurde Cannabis in Deutschland zum Teil legalisiert. Wie bewerten Polizei, Innenministerium, die Anbau-Clubs und Suchtberater in Sachsen-Anhalt die Situation?
- Der Leiter des Cannabis-Clubs bei Könnern sieht die Legalisierung positiv, auch wenn noch nicht alles perfekt sei.
- Innenministerin Zieschang zufolge nimmt der illegale Handel mit Cannabis bezogen auf die sichergestellten Mengen zu.
- Die Gewerkschaft der Polizei in Sachsen-Anhalt fordert etwa bessere Geräte für THC-Messung bei Verkehrskontrollen.
Der Cannabis-Social-Club Köthen-Gerlebock-Bernburg befindet sich in der ehemaligen Fleischerei des Örtchens Gerlebock. Statt Schinken und Knacker gehen hier nun Cannabis und Haschisch ganz legal über die Theke. Vereinschef Christopher Reckrühm hat das leerstehende Geschäft nach dem Tod seines Onkels erworben.
Reckrühm führt durch die gekachelten Räume. "Hier ist jetzt unser erster Raum, wo Pflanzen in der Blüte sind. Insgesamt brauchen die rund acht Wochen bis sie geerntet werden können." Seit November hat der Club seine Anbaugenehmigung, als einer von bisher zehn in Sachsen-Anhalt. Die Hanf-Pflanzen gedeihen in abgeschlossenen Bereichen, Licht und Atmosphäre werden automatisch gesteuert – fürs optimale Wachstum. Die Vegetation dauere immer so drei bis vier Wochen, ein Steckling brauche circa zwei bis drei Wochen.
Reckrühm: Die meisten haben schon vorher konsumiert
60 Mitglieder hat der Cannabis-Club bei Könnern inzwischen. Abgegeben wird hier nur an Personen, die mindestens 21 Jahre alt sind. Das Durchschnittsalter liegt bei etwas über 40, der älteste Konsument sei 71. "Bei den meisten sind es Leute, die eigentlich auch schon vorher konsumiert haben", erklärt er. Etwa 15 Prozent wollten es ausprobieren. "Die meisten kennen das schon länger."
Die Teillegalisierung von Cannabis vor einem Jahr ist für Reckrühm nur der Anfang. Noch gebe es Unsicherheiten bei einigen Handhabungen der Polizei, was Mengen und Stecklinge anbelangt. "Es ist noch nicht alles perfekt, aber besser als es vorher war. Das ist nun wirklich mal ein guter Schritt, dass die Konsumenten nicht mehr illegal unterwegs sind."
Zieschang: Illegaler Drogenmarkt nimmt eher zu
Ganz anders sieht das Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang von der CDU. Es habe zwar im Zuge der Gesetzesänderung einen deutlichen Rückgang der sogenannten Konsumentendelikte gegeben – von 3.800 auf knapp 1.700 Fälle, beim unerlaubten Handel mit Cannabis ging es sogar auf unter die Hälfte runter. Allerdings, so Zieschang, habe sich die Zahl des sichergestellten Cannabis von 590 Kilogramm mehr als verdoppelt.
Das zeige eindeutig, dass der illegale Drogenmarkt eher zu als abnimmt und wohl lukrativer ist als je zuvor. Sie bleibe bei ihrer Einschätzung: Die Teillegalisierung sei nach wie vor eine Fehlentscheidung.
Es braucht bessere Geräte zur Messung des THC-Gehalts
Der Chef der Gewerkschaft der Polizei in Sachsen-Anhalt, Eycke Körner, sieht bei der Teillegalisierung vor allem Nachbesserungsbedarf. "Es ist auf alle Fälle ein Mängelexemplar und sollte noch manchen Stellen noch nachgeschärft werden beziehungsweise auch noch besser ausformuliert werden." Ihm fehlen vor allem eine zentrale Informationsstelle für den Austausch zwischen Behörden – und auch bessere Geräte zur Kontrolle von Cannabiskonsum etwa im Straßenverkehr. Auch sei der Schwarzmarkt mitnichten verschwunden.
Die Leiterin der Landesstelle für Suchtfragen in Magdeburg, Helga Meeßen-Hühne, sieht einen Fortschritt durch die Entkriminalisierung von Cannabis. "Unsere Suchtberatungsstellen sagen: Es scheint tatsächlich ein Gewinn zu sein. Es kommen tatsächlich mehr jüngere Menschen zur Beratung, die keine Angst mehr vor der Polizei haben. Das ist ein guter Effekt." Die vorhergesagte große Freiheit beim Kiffen, so ihre erste Bilanz, die scheint überhaupt nicht eingetreten zu sein.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 01. April 2025 | 06:10 Uhr