MDRfragt Streitthema Wolf: Hoher Zuspruch für geringeren Schutzstatus
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30. April 2025, 03:00 Uhr
Eine Mehrheit der MDRfragt Teilnehmenden befürwortet einen geringeren Schutzstatus für den Wolf. Das zeigt das aktuelle Stimmungsbild, bei dem mehr als 20.000 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ihre Meinung geteilt haben.
- Zwei Drittel der Befragten befürworten die Absenkung des Schutzstatus und gezielte Eingriffe.
- Richtig und wichtig für die meisten: Finanzielle Unterstützung für Landwirte findet großen Anklang.
- Bei jeder dritten Person ruft der Gedanke, einem Wolf zu begegnen, eher Angst hervor.
Der Wolf gilt seit März nicht mehr als "streng geschützte", sondern nur noch als "geschützte" Tierart. Durch europäische Gesetzesänderungen könnte demnach auch das Abschießen von Wölfen künftig erleichtert werden.
Viel Befürwortung für niedrigeren Schutzstatus
Unter den Teilnehmenden der MDRfragt-Gemeinschaft gibt es für diesen Schritt große Zustimmung. Zwei Drittel befürworten die Herabsetzung des Schutzstatus durch den Europarat.
Steven (44) aus dem Landkreis Stendal ist einer der Befürworter. Er schreibt in der Befragung: „Ich begrüße eine moderate Absenkung des Schutzstatus, wenn sie dazu dient, ein flexibleres und regional angepasstes Wolfsmanagement zu ermöglichen. Wichtig ist mir, dass der Artenschutz grundsätzlich erhalten bleibt, jedoch Raum für praktikable Lösungen bei konkreten Konflikten geschaffen wird.“
Hinweis
An dem aktuellen Stimmungsbild von MDRfragt haben sich mehr als 20.000 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen beteiligt. Das Meinungsbarometer ist nicht repräsentativ, aber aussagekräftig für die Stimmungen im MDR-Sendegebiet. Zudem erlauben die Begründungen und Kommentare der Befragten, die Stimmungstendenzen einzuordnen.
Alles zur Methodik, den Mitmachmöglichkeiten und den Ergebnissen gibt es am Ende dieses Artikels.
Jede vierte Person spricht sich dagegen aus. Darunter viele Menschen, die den Natur- und Tierschutz als vorrangig erachten. Einer von ihnen ist Roland (66) aus dem Landkreis Bautzen. Er meint: "Den Wolf gibt es in anderen Regionen auf der Welt schon immer, da wurde er auch nicht ausgerottet, wie vor einigen Jahren bei uns in Deutschland. Es gibt dort die Erfahrungen, wie man sich schützen kann vor Wolfsangriffen und unser Staat finanziert auch einiges davon. Also, lieber Mensch, schütze die Natur, denn die Natur braucht dich nicht, aber du brauchst die Natur."
Insgesamt überwiegen allerdings die Kommentare, welche sich für einen geringeren Schutzstatus aussprechen.
Gezielte Eingriffe: Mehrheit für Steuerung der Wolf-Population
Als Resultat eines geringeren Schutzstatus steht ein verändertes Management der Wolfspopulation im Raum. Auch hier gibt es in der MDRfragt-Gemeinschaft eine eindeutige Tendenz. 68 Prozent befürworten die gezielte Entnahme von Wölfen zur Steuerung der Population.
Angela (60) aus dem Landkreis Leipzig fasst ihren Standpunkt so zusammen: "Der Wolf wurde vom Menschen wieder angesiedelt. Natürliche Feinde gibt es nicht, also muss auch der Mensch dafür sorgen, dass sich der Wolf nicht unkontrolliert ausbreiten kann und für andere Tiere oder den Menschen gefährlich wird."
29 Prozent aller Befragten lehnen gezielte Eingriffe hingegen ab. Besonders auffällig ist, dass die Ablehnung insbesondere unter jungen Menschen hoch ist. Fast die Hälfte (45 Prozent) der 16- bis 29-Jährigen lehnt es ab, die Ausbreitung der Wölfe zu begrenzen. Das ist der Höchstwert unter allen Altersgruppen.
Clemens ist einer dieser jungen Menschen. Er ist 29 und kommt aus dem Landkreis Mittelsachsen. Seine Meinung lautet: "Die Wölfe gehören zum heimischen Ökosystem. Es muss ein Miteinander geschaffen werden. Die Population wird sich auch ohne menschliche Eingriffe von selbst regulieren."
Was hat der Schutzstatus mit Eingriffen zu tun?
In Europa gilt der Wolf als geschützte Tierart. 1979 wurde er in die Berner Konvention aufgenommen. Dabei handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag des Europarates zum Schutz europäischer, wildlebender Tiere und Pflanzen. Der Europarat ist eine unabhänigge Organisation und nicht Teil der Europäischen Union (EU).
Mit der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie, 92/43/EWG) wurden 1992 viele Bestimmungen der Berner Konvention in geltendes Recht der Europäischen Union umgewandelt. Die Richtlinie schreibt die Durchführung besonderer Schutzmaßnahmen vor. Darunter unter anderem die Erstellung von Managementplänen und die Einführung von Schutzgebieten für Wölfe. Das Töten oder Fangen der Tiere ist unterdessen verboten.
In Deutschland ist der Umgang mit dem Wolf im Bundesnaturschutzgesetz geregelt (BNatSchG). Darüber hinaus bestimmen die Bundesländer selber Regelungen für sich. Das Töten eines Wolfes ist nur unter ganz bestimmten Umständen möglich. In einigen Bundesländern wird der Wolf bereits im Jagdrecht aufgeführt. In Sachsen ist das seit 2012 der Fall. Allerdings wird der Schutzstatus des Wolfes dadurch nicht aufgehoben. Durch ganzjährige Schonzeiten werden die europa- und völkerrechtlichen Pflichten weiterhin gewährleistet.
Zum 07. März 2025 trat eine Änderung in der Berner Konvention in Kraft. Der Schutzstatus des Wolfes wurde von einer "streng geschützten" Tierart auf eine "geschützte" Tierart herabgesetzt. Das ist die Voraussetzung für eine Änderung in der FFH-Richtlinie. Bei einer entsprechenden Senkung dort, würde sich das EU-Recht ändern. Dadurch wäre eine regional eingeschränkte Regulierung möglich. Die Umsetzung in deutsches Recht würde auch Richtlinien für die gezielte Entnahme von Wölfen in Deutschland ermöglichen. In seiner Sitzung vom 11. April forderte der Bundesrat die Bundesregierung auf sich auf europäischer Ebene für Gesetzesänderungen einzusetzen und deren Umsetzung für Deutschland vorzubereiten.
Das aktuelle MDRfragt Stimmungsbild zeigt: Die Meinungen zum Wolf gehen weit auseinander. Sie reichen von einer erneuten Ausrottung des Wolfes bis hin zur uneingeschränkten Entwicklung. Was verschiedene Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen darüber denken, kann in der folgenden Karte entnommen werden.
Bei Wolfsriss: Gezielte Tötung für viele geeignetes Mittel
2023 wurden durch Wolfriss 5.727 Nutztiere getötet, verletzt oder vermisst. 90 Prozent davon sind Schafe und Ziegen. Alleine in Sachsen waren es 1.260 Schafe. Das zeigen Daten der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW).
Die Sorge um Wolfsriss teilen viele der Befragten. Kerstin (55) aus dem Erzgebirgskreis steht dabei auf der Seite der Landwirte: "Es ist nachvollziehbar, dass Tierhalter Angst um ihre Tiere haben. Diese vor Wölfen zu schützen, ist mit viel Aufwand und Kosten verbunden und schützt auch nicht immer zu 100 Prozent."
Wölfe, die ein Tier gerissen haben, werden umgangssprachlich häufig als "Problemwolf" bezeichnet. Für den Umgang mit diesen Tieren gibt es in der MDRfragt-Gemeinschaft verschiedene Antworten. 42 Prozent der Teilnehmenden sprechen sich für eine gezielte Tötung der Tiere aus. Es ist die meistgenannte Antwort.
Aber auch andere Möglichkeiten sind gefragt. 27 Prozent bevorzugen die Vergrämung. Dabei wird der Lebensraum des Wolfes so umgestaltet, dass er von sich aus umsiedelt. Die Besenderung mit einem GPS-Halsband zur Überwachung empfinden 14 Prozent der Teilnehmenden als geeignete Lösung.
Diese Maßnahmen sind vor allem bei denen beliebt, die sich grundsätzlich gegen eine gezielte Tötung von Wölfen stellen. Beispielsweise sagt Gabriele (44) aus Dresden dazu: "Das sind keine 'Problem-Wölfe', sondern Tiere, die ihren Instinkten gehorchen. Das Problem liegt ja eher beim Menschen, der seine Tiere nicht ausreichend geschützt hat."
Einigkeit bei finanzieller Unterstützung für Landwirte
Einigkeit herrscht dagegen darin, die Landwirte finanziell zu unterstützen. Nur drei Prozent der Befragten sprechen sich dagegen aus. Konkret befürworten 64 Prozent der Befragten Entschädigungszahlungen für zu Schaden gekommene Nutztiere. Ebenso viele finden, dass Landwirte bei der Anschaffung von Herdenschutzhunden unterstützt werden sollten.
56 Prozent befürworten die Förderung von (elektrischen) Schutzzäunen und einen Kostenausgleich für bereits laufende Schutzmaßnahmen. Unterstützung in Form von Bildungsangeboten zum Umgamg mit Wölfen (39 Prozent) sind dagegen weniger beliebt.
Viele der genannten Maßnahmen werden in vielen Bundesländern bereits finanziell unterstützt. Darunter zählen beispielsweise auch die Anschaffung von Herdenschutzhunden oder der Bau von elektrischen Zäunen.
Bundesweit wurden 2023 laut DBBW fast 21,3 Millionen Euro als Unterstützung ausgezahlt. Das ist ein Vielfaches der gezahlten Entschädigungssumme bei Wolfsriss. Diese belief sich auf knapp 638.000 Euro.
Wolfsbegegnung: zwischen Angst und Freude
Unter den Mitgliedern der MDRfragt Gemeinschaft gibt es viele, welche schon einmal einem Wolf begegnet sind. Auch Juliane (47) aus dem Landkreis Wittenberg zählt dazu. Ihre Erfahrung beschreibt sie so: "Ich hatte in der Vergangenheit Wolfsbegegnungen. Natürlich hatte ich Angst, da es ja ungewohnt ist. Es ist nichts passiert. Auch der Wolf hatte offensichtlich Angst."
Im MDRfragt Stimmungsbild ist Angst ebenso die meistgenannte Reaktion bei einer Wolfsbegegnung. 35 Prozent der Befragten haben das angegeben. Bei 28 Prozent überwiegt dagegen die Freude bei einer Wolfssichtung. 17 Prozent empfinden Gleichgültigkeit.
Weitere Emotionen, die von vielen Befragten genannt wurden sind Respekt, Interesse oder Vorsicht. MDRfragt Mitglied Rainer meint dazu: "Ich bin Jäger. Ich selbst habe ihn schon öfter gesehen. Er hat schon einen stattlichen Habitus. Angst braucht man aber nicht zu haben."
Über die Befragung
Die Befragung vom 17.04.-21.04.2025 stand unter der Überschrift: "Wer hat Angst vorm 'bösen' Wolf - Nur im Märchen oder bissige Realität?"
Insgesamt sind bei MDRfragt 66.458 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand: 28.04.2025).
20.145 Menschen aus Mitteldeutschland haben online an dieser Befragung teilgenommen.
Darunter 10.301 aus Sachsen, 4.873 aus Sachsen-Anhalt und 4.971 aus Thüringen.
Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben. Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell | 30. April 2025 | 21:45 Uhr