Digitaler Fahrschein Deutschlandticket in vielen Kreisen Mitteldeutschlands nicht als Chipkarte
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18. April 2023, 12:53 Uhr
In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen verkaufen einige Verkehrsverbünde das Deutschlandticket nur als Handyticket und nicht als Chipkarte. Das ist ein Problem für Menschen, die kein Smartphone haben oder ihre Konto-Daten dort nicht eingeben wollen. Es gibt Alternativen – in Greiz geht man unkonventionelle Wege.
- Einige Verkehrsverbünde in Südwestsachsen bieten das Deutschlandticket zumindest vorerst nicht als Chipkarte an.
- Auch in Teilen Thüringens und Sachsen-Anhalts wird der Ticket-Kauf ohne Smartphone schwierig.
- Im Landkreis Greiz gibt es auch ein Start-Ticket auf Papier beim Busfahrer.
Im Verkehrsverbund Mittelsachsen (VMS) und im Verkehrsverbund Vogtland (VVV) in Sachsen wird das Deutschlandticket nicht als Chipkarte angeboten. Es gibt lediglich ein Ticket für das Smartphone. Wer im Vogtland, im Erzgebirge oder in Mittelsachsen auf eine Chipkarte besteht, der muss diese bei einem Verkehrsunternehmen außerhalb der Region bestellen und das Deutschlandticket dort abonnieren.
Die Seniorenbeauftragte des Vogtlandkreises, Dagmar Nauruhn, hatte kritisiert, dass es keine technisch einfachere Lösung für die Menschen vor Ort gebe. Eine solche sei aber kurzfristig nicht in Sicht, sagten die Sprecher von VMS und VVV am Montag auf Nachfrage des MDR.
Ministerien verweisen auf Chipkarten, die es nicht gibt
Immerhin hat Dagmar Nauruhn inzwischen Antworten von den Verkehrsminsterien des Bundes und des Landes Sachsen erhalten. Darin hieß es, in den Verkehrsverbünden würden vor Ort Chipkarten ausgegeben. Das stimmt für Mittelsachsen und das Vogtland nicht. Im Vogtland habe der Verbund inzwischen umgedacht, sagt die Seniorenbeauftragte. Hielt man Chipkarten bisher für unnötig, sollen nun doch welche kommen. Allerdings ist noch unklar, wann dies möglich wird.
Bis dahin rät Dagmar Nauruhn Senioren, sich Hilfe in der Familie oder bei Betreuern zu holen und schriftlich Anträge für das Deutschlandticket auf Chipkarte beispielsweise bei den Dresdner Verkehrsbetrieben oder bei Verkehrszentralen in Gera oder Hof anzufordern. Das dauere etwas, funktioniere aber. Die Seniorenbeauftragte gibt sich auf Nachfrage durchaus selbstkritisch. Man habe erst Mitte März dagegen interveniert, dass es das Deutschlandticket im Vogtland nur als Handyticket geben soll. Das sei zu spät gewesen.
Verkehrsverbund Vogtland will Chipkarten beschaffen
Der Sprecher des Verkehrsverbundes Vogtland (VVV), Fabian Holst, erklärte, man bemühe sich darum, schnellstmöglich gemeinsam mit einem Dienstleister ein Ticket auf einer Chipkarte anbieten zu können. Derzeit seien auf dem Markt aber kaum Blanko-Chipkarten zu haben. Zudem bedeute die technische Umsetzung eine große finanzielle Investition. Noch könne er deshalb nicht sagen, wann das Deutschlandticket als Chipkarte im Vogtland zu haben sein wird.
Die Verkehrsunternehmen beim VMS in Chemnitz planen unterdessen keine Chipkarte. Sprecher Falk Ester sagte: "Wenn das Deutschlandticket gilt, werden wir die Situation analysieren und gegebenenfalls reagieren." Man verweise zurzeit Kunden, die eine Chipkarte nutzen wollen, an Verkehrsunternehmen außerhalb des VMS. "Der VMS bedauert es, dass ein Papier-Ticket nicht ausgegeben werden darf", so der Sprecher. Er verwies ferner auf die Angaben der Bundesregierung, wonach das Deutschlandticket grundsätzlich digital angeboten wird – "also per App oder auf einer Chipkarte". Das Gesetz sehe nicht vor, dass beide Optionen angeboten werden müssen, hieß es aus Chemnitz.
Das sind die Regeln zum Verkauf und zur Anerkennung des Tickets Das Deutschlandticket muss von allen teilnehmenden Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Deutschland verbindlich anerkannt und angewendet werden. Gemäß den festgelegten Tarifbestimmungen kann dieses Ticket nur in digitaler Form ausgegeben werden, entweder über Smartphone oder über eine Smartcard (Chipkarte). Für die Ausgabe des Deutschlandtickets gelten die Bedingungen des jeweiligen Verkehrsunternehmens. Die Verkehrsunternehmen können daher frei entscheiden, ob sie das Ticket auf beiden zugelassenen Trägermedien oder nur auf einem dieser Trägermedien ausgeben oder ob sie ihre Kunden an einen externen Ticketvertreiber verweisen, der das Deutschlandticket in dem gewünschten Format anbietet. Bundesministerium für Digitales und Verkehr
Chemnitzer Verkehrs AG und Dresdner Verkehrsbetriebe kooperieren
Beim Fahrgastverband Pro Bahn kennt man die Probleme, die einige Menschen bei der Beschaffung ihres Deutschlandtickets haben. Der Verband kritisiert, dass kein Papier-Ticket angeboten wird. "Wir fordern kurzfristig flexible Lösungen und langfristig flexiblere Bestimmungen, um allen Menschen die Nutzung des Deutschlandtickets zu ermöglichen", sagt Markus Haubold, der Sprecher für Südwestsachsen.
Haubold nennt als Beispiel, wie Menschen in Chemnitz geholfen wird. Seit dieser Woche gebe es bei der Chemnitzer Verkehrs-AG (CVAG) die Möglichkeit, einen schriftlichen Antrag auf das Deutschlandticket vor Ort im Mobilitätszentrum zu stellen – auch ohne die Angabe einer E-Mail-Adresse. Die CVAG kooperiert hierbei mit den Dresdner Verkehrsbetrieben, welche dann diesen Fahrgästen eine Chipkarte per Post zuschicken.
Fahrgastverband: Chipkarten-System mit hohen Einführungs-Kosten verbunden
Der Fahrgastverband erklärt, "einige Verbünde wollten perspektivisch auf ein Online-Ticket umsteigen, ohne erst eine Chipkarte einzuführen, dabei aber das Papier-Ticket parallel beibehalten". Die Einführung der Infrastruktur für Chipkarten sei mit hohen Kosten verbunden. "Das ist auch der Grund, warum die schnelle Einführung einer Chipkarte in allen Regionen gar nicht umsetzbar ist: Entsprechende Systeme müssten erst beschafft werden – was auch eine (zeit-)aufwendige Ausschreibung wie auch die technische Implementierung bei den Verbünden und Verkehrsbetrieben umfassen würde", so Markus Haubold.
Auch in Teilen Sachsen-Anhalts nur Handytickets
Auch in Sachsen-Anhalt und Thüringen ist das Problem bekannt. So ist es in Sachsen-Anhalt zum Beispiel in den Landkreisen Mansfeld-Südharz, in den Städten Stendal und Halberstadt und im Salzlandkreis für Menschen ohne mobile Endgeräte gar nicht so einfach, an das Deutschlandticket zu kommen. Denn sowohl die Verkehrsgesellschaft Südharzlinie, die Halberstädter Verkehrs-GmbH als auch das Unternehmen Stendalbus verkaufen das Deutschlandticket laut einer Übersichts-Seite des Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt nur als Handyticket.
Auch die Kreisverkehrsgesellschaft Salzland und das Unternehmen Vetter Verkehrsbetriebe, das im Kreis Anhalt-Bitterfeld und im Saalekreis tätig ist, sowie die Harzer Verkehrsbetriebe GmbH verkaufen das neue Ticket nur in der Handy-Version.
Thüringen: Deutschlandticket wird nicht von allen Verkehrsbetrieben verkauft
Auch in Teilen Thüringens kann es ohne Smartphone schwierig werden, vom lokalen Verkehrsunternehmen ein Deutschlandticket zu kaufen. Problematisch ist das unter anderem in Schmalkalden-Meiningen und in Suhl. Sowohl bei der MBB Meininger Busbetriebs GmbH aus dem Kreis Schmalkalden-Meiningen als auch bei der Städtischen Nahverkehrsgesellschaft mbH Suhl/Zella-Mehlis können Kundinnen und Kunden derzeit nur Handytickets erwerben.
In Nordhausen geben die Verkehrsbetriebe der Stadtwerke an, dass es im ersten Schritt für das Deutschlandticket eine rein digitale Lösung per App gebe, dass allerdings an der Möglichkeit gearbeitet werde, Chipkarten auszugeben. Im Eichsfeld und in Sonneberg kann man das Ticket bei den lokalen Verkehrsbetrieben noch gar nicht kaufen. Aber auch dort ist der Verkauf des Deutschlandtickets in Arbeit. Das Verkehrsunternehmen Werrabus aus dem Landkreis Hildburghausen teilte mit, der Auftraggeber habe entschieden, dass das Ticket im Landkreis zwar überall anerkannt, aber nicht verkauft werde. Der Auftraggeber für das Verkehrsunternehmen ist der Landkreis selbst. Menschen aus Hildburghausen müssen sich ihr Deutschlandticket also andernorts kaufen.
Landkreis Greiz: Start-Ticket beim Busfahrer
Ganz unkonventionell und ohne Antrag oder Vorbestellung werden im Landkreis Greiz von zwei Busunternehmen die Deutschlandtickets beim Busfahrer verkauft. Zwar heißt es auch dort unter den Bezugsbedingungen: "Das Ticket wird durch die Verkehrsunternehmen entweder als Handyticket oder als Chipkarte mit Bar- beziehungsweise QR-Code ausgegeben." Dann ergänzen die Busbetriebe aus Greiz und Gera aber: "Fahrgäste können das Deutschlandticket in Form einer sogenannten 'Start-Karte' auch in den Bussen der PRG Personen- und Reiseverkehrs GmbH Greiz und der RVG Regionalverkehr Gera/Land GmbH als Papierticket jeweils für den laufenden Kalendermonat erhalten."
Papiertickets als Übergangslösung sind zwar bis Jahresende zulässig, allerdings soll das Deutschlandticket ausschließlich als Abo mit monatlicher Kündigungsoption vertrieben werden. In einem Internetforum von Bahnfans wird inzwischen berichtet, dass der Kauf beim Busfahrer in der Region Greiz reibungslos gegen Bargeld klappe.
Auch andere Busbetriebe in Thüringen und Sachsen-Anhalt bieten in der Startphase Papiertickets an, so etwa im Unstrut-Hainich-Kreis, in Dessau oder im Jerichower Land.
MDR (lam, aso)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Chemnitz | 18. April 2023 | 13:30 Uhr