MDRfragt Niemand findet 6-Tage-Woche sinnvoll
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10. Juli 2024, 12:00 Uhr
Sollten sich Betriebe in Deutschland Griechenland zum Vorbild nehmen und alle mit einem deutlichen Zuschlag belohnen, die sechs statt fünf Tage arbeiten? Die MDRfragt-Community sagt: nein. Statt Sechs-Tage-Woche wünschen sich vor allem jüngere Befragte eher die Vier-Tage-Version.
- Vor allem Unter-50-Jährige finden die Vier-Tage-Woche persönlich am besten.
- Zwei Drittel der Befragten sprechen sich für steuerfreie Überstunden für Vollzeitkräfte aus.
- Mit Blick auf die Rente sagt das Stimmungsbild: Wer will, soll länger arbeiten können – aber niemand müssen
Es soll um die Lösung des Fachkräftemangels gehen, um das Ankurbeln der Wirtschaft und am Ende um die Frage: Wie viel Zeit wollen wir eigentlich mit Arbeit verbringen? Während sich Wirtschaftsexpertinnen und -experten streiten, ob die Vier- oder die Sechs-Tage-Woche für Deutschland sinnvoll sein könnten, ist die Meinung der MDRfragt-Community recht eindeutig: So gut wie niemand (1 Prozent) ist von der Sechs-Tage-Woche überzeugt. Die wurde erst kürzlich in Griechenland eingeführt – für Freiwillige mit einem Lohnplus von 40 Prozent. Die meisten der knapp 25.000 Befragten aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen (68 Prozent) finden: Die bisherige Fünf-Tage-Woche sollte beibehalten werden.
Anhand der Kommentare ist es MDRfragt möglich, die Gründe näher zu beleuchten, warum die Befragten für oder gegen die Vorschläge sind. Im Fall der Fünf-Tage-Woche fallen sie in den meisten Fällen recht pragmatisch aus: "Die Fünf-Tage-Woche hat sich bewährt", schreibt beispielsweise Uwe, 59 Jahre, aus dem Landkreis Mansfeld-Südharz. Er findet, vier Tage wären zu wenig beim aktuellen Fachkräftemangel und sechs Tage wären ein Rückschritt, denn "die Arbeiter hatten sich die Fünf-Tage-Woche erkämpft."
Ähnlich sieht es der 62-jährige Uwe aus dem Kyffhäuserkreis: "Fünf Tage arbeiten, zwei Tage frei ist aus meiner Sicht ein ausgewogenes Verhältnis um Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen."
Zeit für die Familie für viele ein wichtiger Grund gegen 6-Tage-Woche
Dabei argumentieren die meisten vor allem gegen eine verpflichtende Sechs-Tage-Woche und nicht gegen das freiwillige Schuften für deutlich mehr Geld. Familie und Arbeit unter einen Hut zu bringen: Das stellen sich viele schwer vor, wenn es um die Sechs-Tage-Woche geht. Der 41-jährige Christian aus dem Landkreis Leipzig beispielsweise fragt: "Wie sollen denn die Bürger noch Kinder bekommen bei einer Sechs-Tage-Arbeitswoche? Da bleibt ja keine Zeit mehr für die Familie." Und Enrico, 47 Jahre alt, ergänzt: "Freizeit ist durch nichts zu ersetzen."
Andere, wie der 39-jährige Christoph aus Dresden, erinnern an die Vergangenheit: "Die Sechs-Tage-Woche hatten wir doch schon einmal, und niemand außer den Bossen war glücklich damit oder hat davon profitiert. Das ist pure Ausbeutung und würde die Löhne extrem verwässern, wenn das der neue Standard würde." Sein Namensvetter Christoph, der aktuell ein Lehramts-Referendariat in Magdeburg absolviert, arbeitet nach eigenen Angaben derzeit sogar sechs Tage die Woche, weil er aktuell noch viel Zeit in die Vorbereitung des Unterrichts stecken muss. Er findet das Arbeitspensum für ein paar Jahre in Ordnung, aber: "Wenn ich wüsste, dass ich mein ganzes Leben lang sechs Tage arbeiten würde, dann würde ich mir einen anderen Job suchen. Darunter leiden meine Gesundheit und mein Sozialleben enorm."
Vor allem junge Menschen würden am liebsten vier Tage pro Woche arbeiten
Wenn sie es sich aussuchen könnten, würde die Hälfte der MDRfragt-Community gern fünf Tage pro Woche arbeiten. Die andere Hälfte würde lieber vier Tage ohne Lohnkürzung arbeiten.
Der Blick auf die Untergruppen zeigt: Vor allem die Befragten unter 50 Jahren würden gern nur vier Tage pro Woche arbeiten.
Mehr Zeit für Familie und Freizeit durch Vier-Tage-Woche
Einige der MDRfragt-Mitglieder haben uns geschrieben, dass sie aktuell schon nur vier Tage arbeiten – allerdings in Teilzeit mit geringerem Lohn. Sie schätzen die Freiräume, die sie dadurch haben: "Ich habe so noch Zeit für meine Familie und sonstiges Sozialleben. Und während die Vollzeitkollegen jede Krankheitswelle mitnehmen, bin ich immer da", schreibt zum Beispiel die 48-jährige Maria aus dem Landkreis Leipzig. Auch die 47-jährige Antonia aus dem Landkreis Nordhausen arbeitet nur vier Tage wegen der Kinderbetreuung. Sie findet es angenehm, einen freien Tag für Erledigungen und den Haushalt zu haben, macht sich aber auch Sorgen: "Das fehlende Einkommen wird sich bei der Rente rächen."
Dieses Problem wiederum gäbe es so nicht, wenn die Vier-Tage-Woche tatsächlich ohne Lohnkürzung ermöglicht würde. Das fänden viele, die uns einen Kommentar geschrieben haben, reizvoll hinsichtlich der Balance zwischen Arbeit und Freizeit. Christoph, 30 Jahre alt und aus dem Landkreis Wittenberg, fände die Vier-Tage-Woche beispielsweise optimal: "Warum sollte ich fünf Tage arbeiten, um zwei Tage frei zu haben? Je nach Arbeitszeitmodell schaffe ich die alltäglichen Pflichten neben dem Beruf nur am Wochenende, so wäre ein zusätzlicher Tag frei schon in Ordnung."
Vier-Tage-Woche: zu schön, um wahr zu sein?
Aber: Viele haben die Befürchtung, dass es nicht funktionieren würde, vor allem aus personellen Gründen: "Bei einer Vier-Tage-Woche benötigt man dann aber in vielen Bereichen auch mehr Personal. Im Einzelhandel zum Beispiel muss die Kasse besetzt sein. Das mit der Vier-Tage-Woche klingt gut, aber ist nicht überall umsetzbar", meint beispielsweise der 44-jährige Stanley aus Dresden. Ähnliche Probleme sieht die 73-jährige Renate, die ebenfalls aus Dresden kommt: "An allen Ecken fehlt Personal. Wer pflegt noch die Alten? Vielleicht wird es mal durch die KI in einigen Jahren möglich sein." Andere haben dagegen Sorge, dass sich ihr Arbeitspensum einfach auf vier Tage statt die bisher üblichen fünf Tage umschichten würde – und sie somit am Ende doch mehr Stress hätten.
Zwei Drittel für steuerfreie Überstunden für Vollzeitkräfte
Damit sich Mehrarbeit auszahlt, will die Bundesregierung Überstunden künftig steuerfrei stellen. Diese Idee trifft bei der Mehrheit der Befragten auf großen Zuspruch: Zwei Drittel fänden es richtig, wenn es steuerfreie Überstunden für Vollzeitkräfte gäbe. Nur unwesentlich weniger würden sich das auch für Teilzeitkräfte wünschen.
Wer sich dafür ausspricht, argumentiert oft ähnlich grundsätzlich wie der 37-jährige Marc aus Gera: "Leistung sollte belohnt werden, ebenso die Bereitschaft zu dieser." Ähnlich sieht es Manuela aus Leipzig: "Da ich in meinem Beruf um Überstunden nicht herumkomme, fände ich es schon als Anreiz. Ich bin jedoch in einem Alter (50), wo ich Freizeitausgleich vorziehe."
Lieber Freizeit statt Mehrarbeit – selbst wenn die steuerfrei wäre
Vielen geht es wie Manuela: Sie finden Freizeitausgleich reizvoller als steuerfrei ausbezahlte Überstunden. So zum Beispiel die 45-jährige Claudia aus dem Landkreis Leipzig: "Da bei uns genügend Überstunden anfallen, würden mich steuerfreie Überstunden nicht reizen. Ich nehme lieber den Freizeitausgleich, davon profitiere ich viel mehr." Und in einigen Fällen steht das Ausbezahlen der Überstunden auch gar nicht zur Debatte: "Ich kenne so gut wie niemanden, der sich Überstunden auszahlen lassen kann. Bei den meisten werden Überstunden durch Freizeit ausgeglichen – ein steuerlicher Anreiz läuft also komplett ins Leere", berichtet zum Beispiel die 34-jährige Stefanie aus Dresden.
Christian aus dem Vogtlandkreis sieht noch ein anderes Problem. Er findet, Steuervorteile für Überstunden könnten sogar zu Nachteilen führen, nämlich für Familien mit Kindern, denn: "Viele Eltern haben doch jetzt schon Probleme, die Kinderbetreuung für eine 40-Stunden-Woche zu organisieren." Sie könnten also, selbst wenn sie wollten, keine gut bezahlten Überstunden machen.
Andere, wie Maria, die 47 Jahre alt ist und aus dem Landkreis Nordhausen kommt, zweifelt daran, dass steuerfreie Überstunden tatsächlich die Produktivität und damit die Wirtschaftskraft erhöhen würden: "Im Gegenteil: Durch Unaufmerksamkeit verursachte Unfälle nehmen zu und langfristig Krankheiten." Ähnlich sieht das die 40-jährige Sabine aus dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt: "Steuerfreie Überstunden verleiten Niedriglöhner dazu, noch mehr über ihre Leistungsgrenzen zu arbeiten, um ihr Gehalt aufzubessern, anstatt die Ursachen ihres niedrigen Gehalts zu bekämpfen."
8 von 10 finden nicht,dass Erwerbstätige in Deutschland mehr arbeiten sollten
Ist es aber eigentlich notwendig, dass die Erwerbstätigen in Deutschland mehr arbeiten? Nein, findet die deutliche Mehrheit der MDRfragt-Community.
Zudem sind mehr als drei Viertel der Meinung, dass der Ansatz, dass die Wirtschaft in Deutschland vor allem durch Mehrarbeit angekurbelt werden soll, falsch ist.
Zwei Drittel dafür, dass Freiwillige länger arbeiten dürfen – aber fast alle gegen Zwang, länger arbeiten zu müssen
Wenn es um Mehrarbeit geht, dann geht es auch schnell um die Frage, ob es eigentlich notwendig wäre, länger zu arbeiten – sprich: später in Rente zu gehen. Und tatsächlich finden die meisten MDRfragt-Mitglieder auch: Wer länger arbeiten will, der soll das auch machen dürfen. Starre Renteneintrittsgrenzen sollte es nicht geben. Aber: Eine Verpflichtung, dass alle länger arbeiten müssen, als bislang festgelegt, die lehnt fast jeder ab. Die Rente ab 70 findet in der MDRfragt-Community keine Unterstützung.
In den Kommentaren wird deutlich: Die meisten sind auch deshalb für einen flexibler gestalteten Renteneintritt, weil es in ihren Augen stark auf die Art der Tätigkeit ankommt. So schreibt, stellvertretend für viele, der 27-jährige Stefan aus Halle: "Das Renteneintrittsalter sollte abhängig vom ausgeübten Beruf geregelt werden. Ein Handwerker kann nicht so lange arbeiten wie eine Bürokraft."
Über diese Befragung
Die Befragung vom 4. bis 8. Juli 2024 stand unter der Überschrift: "6-Tage-Woche und Rente ab 70: Arbeiten wir zu wenig?".
Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden. Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen.
Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ. Bei dieser Befragung haben sich 24.699 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen online mit ihrer Meinung eingebracht.
Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland.
MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests. Mehr zur Methodik von MDRfragt finden Sie am Ende des Artikels.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 10. Juli 2024 | 16:00 Uhr