MDRfragt Preissteigerungen: Drei Viertel spüren starke finanzielle Mehrbelastung
Hauptinhalt
12. Mai 2022, 05:00 Uhr
Die Preissteigerungen der vergangenen Wochen belasten bei drei Vierteln der MDRfragt-Mitglieder das Haushaltsbudget stark. 86 Prozent haben deshalb ihr Verhalten geändert. Vor allem beim Strom sparen die Teilnehmenden. Das sind Ergebnisse der aktuellen Befragung von MDRfragt mit mehr als 29.000 Teilnehmenden aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
77 Prozent der MDRfragt-Teilnehmerinnen und Teilnehmer spüren eine starke finanzielle Mehrbelastung durch die Preissteigerungen der vergangenen Wochen. Bei einem knappen Viertel macht sich die Inflation dagegen bislang kaum im Haushaltsbudget bemerkbar.
Neun von zehn haben ihr Verhalten geändert
Die Preissteigerungen haben bei den allermeisten bereits ganz konkrete Auswirkungen: 86 Prozent der MDRfragt-Teilnehmenden haben angegeben, dass sie ihr Verhalten in bestimmten Punkten verändert haben. Die Mehrheit schränkt sich aktuell vor allem ein, indem sie Strom zu spart, Preise stärker vergleicht und Alltagseinkäufe reduziert oder günstigere Produkte kauft. Zudem hat mehr als ein Drittel angegeben, derzeit weniger Auto zu fahren und weniger in der Freizeit zu unternehmen, um Geld zu sparen.
Einige MDRfragt-Mitglieder haben in ihren Kommentaren beschrieben, was das konkret für sie bedeutet:
Ich kaufe nur noch im Angebot und am Ende reicht es trotzdem nicht.
Alle Investitionen werden auf den Prüfstand gestellt. Der Urlaub fällt dieses Jahr weg.
Es ist erschreckend, wie viel Geld momentan für den wöchentlichen Einkauf einer Durchschnittsfamilie zusammenkommt. Wenn man dann noch die Fahrtkosten dazu nimmt, dann bleibt am Ende nicht viel übrig, und das ist sehr traurig. Da schafft man die ganze Woche, ist k.o., und fragt sich, wofür das Ganze eigentlich.
Mehr als jeder Dritte hat Urlaubspläne geändert
Die Preissteigerungen wirken sich auch auf die Urlaubsplanung aus. 38 Prozent der MDRfragt-Teilnehmenden haben deshalb ihre Pläne verändert – sie verzichten komplett auf Urlaubsreisen oder haben eine günstigere Alternative gewählt.
Vier von fünf halten Entlastungspaket für nicht ausreichend
Um die gestiegenen Kosten bei den Bürgerinnen und Bürgern abzumildern, soll es ein Entlastungspaket der Bundesregierung geben, das unter anderem eine Energiepauschale, einen Kinderbonus sowie vergünstigste Tickets für den ÖPNV beinhaltet. In der MDRfragt-Gemeinschaft ist die Skepsis jedoch groß: 83 Prozent der Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer gehen nicht davon aus, dass die staatlichen Maßnahmen in ihrem Haushaltsbudget zu einer tatsächlich spürbaren Entlastung führen werden.
Was sie am Entlastungspaket kritisieren, haben einige MDRfragt-Mitglieder in den Kommentaren geschrieben:
Die Preiserhöhungen sind stärker als die Entlastungen der Bundesregierung. Eine entsprechende Anpassung der Gehälter auf volkswirtschaftlicher Ebene ist notwendig.
Zu wenig und zu spät. Wer auf das Auto angewiesen ist oder ein geringes Einkommen hat, leidet bereits unter den gestiegenen Preisen. Eine Entlastung hätte schneller kommen müssen.
Es hätte nicht alles sein müssen, man hätte sich auf die Unterstützung derjenigen, die es am härtesten trifft, beschränken können. Dann wäre Deutschland mit weniger Schulden belastet.
Große Skepsis gegenüber 9-Euro-Ticket
Ein Teil des Entlastungspakets ist auch das 9-Euro-Ticket für den Nahverkehr. Auch daran ist die Kritik der MDRfragt-Teilnehmenden groß:
- Rund zwei Drittel hätten es lieber gesehen, wenn die dafür freigegebenen Gelder in den Ausbau des ÖPNV gesteckt worden wären.
- 85 Prozent gehen davon aus, dass das Angebot Menschen auf dem Land nichts bringt.
- Zwar denkt jeder Zweite, dass das Ticket für viele Menschen eine spürbare Entlastung bringen wird – dass das auch für einen selbst gilt, davon geht jedoch nur rund ein Fünftel der Teilnehmenden aus.
- Dass das 9-Euro-Ticket nachhaltig dafür sorgt, dass der ÖPNV stärker genutzt wird, denken nur 14 Prozent.
Mehrheit möchte 9-Euro-Ticket nicht nutzen
Auf große Resonanz stößt das vergünstigte Ticket für den Nahverkehr nicht. 58 Prozent der MDRfragt-Teilnehmenden haben angegeben, dass sie es nicht kaufen wollen. 21 Prozent wollen dies tun und neun Prozent nutzen ohnehin bereits eine Dauerkarte für den ÖPNV.
Vor allem MDRfragt-Mitglieder aus dem ländlichen Raum üben Kritik am 9-Euro-Ticket:
Es gibt schlicht und einfach keine ÖPNV-Verbindungen, die mit meiner beruflichen Situation zusammenpassen. Wir wohnen in einer ländlichen Region und das Busnetz besteht fast ausschließlich nur noch aus dem Schülerverkehr.
Mein Arbeitsweg sind acht Kilometer in ca. 15 Minuten mit dem Auto. Mit Citybahn und einem Fußweg zur Arbeit wäre ich locker 60 Minuten unterwegs. Heimwärts das gleiche. Würde dann die Schließzeiten des Kindergartens nicht einhalten können.
In den Kommentaren werden aber auch andere Gründe genannt, warum das 9-Euro-Ticket nicht attraktiv erscheint:
Weil ich gerade in Zeiten von Corona die öffentlichen Verkehrsmittel noch mehr meide.
Weil ich trotzdem die sonstigen Nachteile des ÖPNV habe, insbesondere viel zu lange Reisezeiten, keine Flexibilität, wenig Transportmöglichkeiten.
Andere Mitglieder begrüßen aber auch die Einführung des Tickets:
Das 9-Euro-Ticket ist eine tolle Sache. Wir planen bereits seit Tagen für jedes Wochenende einen anderen Ausflug.
Dieses Ticket ist ein finanziell unschlagbares Argument, was die vielen Unzulänglichkeiten und unbequemen Begleiterscheinungen des ÖPNV ausgleicht. Ohne diesen Anreiz werde ich mit Sicherheit wieder weitestgehend auf das Auto zurückgreifen.
Zwei Drittel wollen ÖPNV stärker nutzen
Experten rechnen mit einem starken Anstieg der Fahrgastzahlen aufgrund des 9-Euro-Tickets. Und tatsächlich geben auch knapp zwei Drittel der MDRfragt-Teilnehmenden, die sich für das 9-Euro-Ticket interessieren, an, dass sie nun zusätzliche Fahrten planen. Ein Drittel will den ÖPNV genauso viel nutzen wie bislang auch.
9-Euro-Ticket vor allem für Freizeit interessant
Von denjenigen Befragten, die einen Kauf des vergünstigten Tickets planen, wollten wir genauer wissen, wie sie das Ticket nutzen wollen: Die meisten wollen es für Freizeitaktivitätenoder Ausflüge in die Region nutzen. 41 Prozent planen, das Ticket für alltägliche Fahrten, wie Arzttermine, den Einkauf oder den Weg zur Kita zu nutzen. Den Weg zur Arbeit möchte nur jeder vierte Interessent mithilfe des Tickets bestreiten.
Über diese Befragung
Die Befragung vom 06.05.- 09.05.2022 stand unter der Überschrift:
Waffenlieferungen und Öl-Embargo: Geht Deutschland zu weit oder nicht weit genug?
Insgesamt sind bei MDRfragt 61.360 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 09.05., 11.30 Uhr).
29.197 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen.
Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 359 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 4.406 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 12.234 Teilnehmende
65+: 12.198 Teilnehmende
Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 15.231 (52 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 7.074 (24 Prozent)
Thüringen: 6.892 (24 Prozent)
Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 12.590 (43 Prozent)
Männlich: 16.540 (57 Prozent)
Divers: 67 (0,2 Prozent)
Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.
Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 2 | 12. Mai 2022 | 14:00 Uhr