MDRfragt Ukraine-Krieg: Jeder Zweite fordert mehr Zurückhaltung Deutschlands
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15. Mai 2022, 05:00 Uhr
Wirtschaftliche und politische Sanktionen gegen Russland, Einfuhrstopp für russische Kohle, die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine: Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg hat die Bundesregierung bereits umfangreiche Maßnahmen beschlossen. Mehr als der Hälfte der MDRfragt-Mitglieder geht das jedoch zu weit, wie die aktuelle Befragung mit mehr als 29.000 Teilnehmenden aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zeigt.
Die deutsche Politik mischt sich aktuell zu sehr in den Ukraine-Krieg ein, finden mehr als die Hälfte der MDRfragt-Mitglieder, die sich an der aktuellen Befragung beteiligt haben. Rund jeder Vierte hält das Handeln der Bundesregierung für angemessen. 14 Prozent würden sich dagegen ein stärkeres Engagement wünschen.
Zwei Drittel gegen Lieferung schwerer Waffen
Vor allem die Entscheidung, die Ukraine mit schweren Waffen zu unterstützen, trifft bei der MDRfragt-Gemeinschaft auf Kritik: 69 Prozent – also mehr als zwei Drittel der Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer – halten die Lieferung schwerer Waffen für falsch.
Vergleicht man die unterschiedlichen Altersgruppen, wird deutlich, dass zwar alle die Lieferung schwerer Waffen mehrheitlich ablehnen, allerdings zeigt sich: Je älter die Teilnehmenden, umso größer die Ablehnung.
Warum sie sich gegen die Waffenlieferungen aussprechen, schreiben die Teilnehmenden in den Kommentaren:
Waffen haben noch nie Frieden gebracht, sondern immer nur Leid, Tod und Zerstörung.
Deutschland hat keinen Grund, Waffen an die Ukraine zu liefern. Es gibt keine Bündnispartnerschaft. Auch wird in der Ukraine nicht die Freiheit von irgendwem in der EU verteidigt.
Egal, welche Seite Recht hat. Einen Krieg kann man einfach nicht durch den Einsatz weiterer Waffen beenden.
Es gibt aber auch Teilnehmende, die die Lieferungen befürworten:
Die Ukraine muss unterstützt werden, sonst weitet sich der Krieg aus.
Prinzipiell werden schwere Waffen den Krieg womöglich verlängern. Ohne diese Waffen würde aber die Souveränität der Ukraine nicht mehr gewährleistet.
Mich besorgt, dass ein scheinbar erheblicher Anteil der Bevölkerung immer noch von "Frieden mit Russland" schwadroniert, ohne zu verstehen, dass mit diesem Russland unter einem Diktator momentan kein Frieden möglich ist.
Jeder Zweite hat Angst vor Drittem Weltkrieg
Der Krieg in der Ukraine bereitet vielen MDRfragt-Mitgliedern ernste Sorgen. So haben 55 Prozent der Befragungsteilnehmenden Angst, dass es zu einem Dritten Weltkrieg kommen könnte. Auch andere Aspekte besorgen die MDRfragt-Gemeinschaft:
- Jeder Zweite fürchtet den Einsatz von Atomwaffen.
- Dass Putin noch weitere Länder angreifen könnte, halten rund zwei Drittel für realistisch.
- Einen militärischen Eingriff der NATO in den Konflikt befürchten aktuell 59 Prozent der Teilnehmenden.
In den Kommentaren schildern die MDRfragt-Mitglieder ihre Gedanken und Gefühle:
Ich wünsche mir für meine Kinder eine sorgenlose Kindheit. Leider bekommen sie aber über die Schule, Freunde und Familie trotzdem mit, was gerade in unserer Welt passiert. Es bereitet mir wahnsinnig große Angst, dass der Krieg nach Deutschland kommt.
Meine Freundin und ich planen, nächstes Jahr zu heiraten und uns ein eigenes Leben aufzubauen. Aber jetzt habe ich Angst, dass unsere gemeinsame Zeit bald schon vorbei sein wird (durch Krieg, Wehrpflicht, Atomwaffen etc). Außerdem bin ich frustriert, weil ich absolut nichts machen kann, und wütend, weil diejenigen, die gerade Entscheidungen über unsere Zukunft treffen, einen Großteil ihres Lebens hinter sich haben.
Natürlich hat man Angst, dass Deutschland zu weit in diesen Krieg hineinrutschen könnte. Andererseits kann man die Ukrainer jetzt nicht allein lassen und muss helfen, diesen Überfall zu beenden.
Große Sorge um Energieversorgung
Auch die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf Deutschland beschäftigen die MDRfragt-Teilnehmenden derzeit stark. 83 Prozent machen sich Sorgen um die Energieversorgung.
Ablehnung von Öl- und Gasembargo
Das Öl-Embargo soll nach dem Willen der EU-Kommission kommen, ein Gas-Embargo wird immer wieder diskutiert. Wenn es nach den MDRfragt-Teilnehmenden geht, sollte keines von beiden realisiert werden: 54 Prozent lehnen das Öl-Embargo ab, 57 Prozent das Gas-Embargo.
Einige MDRfragt-Mitglieder haben in den Kommentaren geschrieben, weshalb sie das Embargo ablehnen:
Das Embargo schadet in erster Linie Deutschland und nicht Putin. Öl und Gas würden durch die künstliche Verknappung noch teurer.
Erst wenn wir uns nicht mehr so arg selber schaden, ergeben diese Sanktionen einen richtigen Sinn. Denn wir werden sie sehr lange aufrechterhalten müssen, befürchte ich.
Einige Teilnehmende finden aber auch, dass die Embargos notwendig sind:
Wir finanzieren Putins Angriffskrieg und stellen uns öffentlich hin und verurteilen diesen. Wie schizophren kann man sein? Nur, weil wir nicht gewillt sind, Abstriche in unserem luxuriösen Leben zu machen.
Eigentlich bin ich für ein sofortiges Energie-Embargo. Das Problem daran sind die nicht mehr zu bezahlbaren Preise für Benzin und Gas. Die Ölkonzerne schröpfen die Bevölkerung. Ich erwarte hier ein Eingreifen der Regierung.
Über diese Befragung
Die Befragung vom 06.05.- 09.05.2022 stand unter der Überschrift:
Waffenlieferungen und Öl-Embargo: Geht Deutschland zu weit oder nicht weit genug?
Insgesamt sind bei MDRfragt 61.360 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 09.05., 11.30 Uhr).
29.197 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen.
Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 359 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 4.406 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 12.234 Teilnehmende
65+: 12.198 Teilnehmende
Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 15.231 (52 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 7.074 (24 Prozent)
Thüringen: 6.892 (24 Prozent)
Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 12.590 (43 Prozent)
Männlich: 16.540 (57 Prozent)
Divers: 67 (0,2 Prozent)
Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.
Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 11 | 12. Mai 2022 | 11:00 Uhr