Große Wahlplakate stehen in Leipzig
Lieber eine CDU-BSW-Regierung als keine Mehrheitsregierung? Im MDRfragt-Meinungsbild zur Landtagswahl liegen Befürworter und Gegner gleich auf. Bildrechte: IMAGO / dts Nachrichtenagentur

MDRfragt Gespaltenes Stimmungsbild zu möglicher CDU-BSW-Koalition

07. August 2024, 12:30 Uhr

Wer könnte Sachsen und Thüringen nach den Landtagswahlen in wenigen Wochen regieren? Umfragen legen nahe, dass es schwierige Mehrheitsverhältnisse geben könnte, die neue Bündnisse nötig machen. Eine diskutierte Option: eine Zusammenarbeit von CDU und Bündnis Sahra Wagenknecht. Die MDRfragt-Gemeinschaft ist gespalten — und je nach Bundesland zeigen sich leicht gegensätzliche Tendenzen.

MDR-Redakteurin Franziska Höhnl
MDR-Redakteurin Franziska Höhnl Bildrechte: MDR / David Sievers

"Wenn so ein Bündnis kommt, wandere ich als Pflegekraft aus Deutschland aus", schreibt MDRfragt-Mitglied Sandy (40) aus Leipzig zur Frage, wie sie eine Zusammenarbeit von CDU und Bündnis Sahra Wagenknecht nach der Landtagswahl finden würde. Auch Andreas (55) aus Gera lehnt eine solche Koalition ab und meint: "Dann verrät die CDU die Wende." Und Jürgen aus dem Landkreis Nordsachsen argumentiert: "BSW ist ein U-Boot. Die Leute, die letztendlich gewählt werden, kennt keiner."

Das sind nur drei von vielen Stimmen im aktuellen MDRfragt-Meinungsbarometer, die eine Zusammenarbeit zwischen der traditionell in Sachsen und Thüringen stark verankerten CDU und der neu gegründeten Partei Bündnis Sahra Wagenknecht, kurz BSW, kritisch sehen.

Mögliche CDU-BSW-Kooperation
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Konkret haben sich in der "Frage der Woche – zur Landtagswahl" mehr als zwei Fünftel der Befragten gegen eine Zusammenarbeit von CDU und BSW ausgesprochen. Aber: Ein exakt ebenso großer Anteil der Befragten fände eine solche Koalition eher gut. Mehr als jede und jeder Zehnte positionierte sich weder dafür noch dagegen.

Da MDRfragt als Dialogangebot auf eine breite Beteiligung setzt, sind die Ergebnisse der Befragungen laut Definition nicht repräsentativ. Gleichzeitig gilt: Die Stimmungsbilder von MDRfragt sind aussagekräftig und können Meinungstendenzen und Stimmungen aufzeigen.

Über diese Befragung

Die "Frage der Woche - zur Landtagswahl" vom 28. bis 31. Juli 2024 stand unter der Überschrift: "Sollten Parteien vorab Koalitionen ausschließen?".

Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden. Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen. Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ.

Bei dieser Befragung haben sich 16.085 Menschen aus Sachsen und Thüringen online mit ihrer Meinung eingebracht.

Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland. MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests.

Mehr zur Methodik von MDRfragt finden Sie am Ende des Artikels.

Argumente für eine CDU-BSW-Zusammenarbeit

Wer sich eher für eine Koalition von CDU und BSW erwärmen könnte, argumentiert nicht selten sehr grundsätzlich, wie Tilo (60) aus dem Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge: "Prinzipiell müssen alle demokratische Parteien in der Lage sein, mit allen anderen demokratischen Parteien zusammenzuarbeiten." Knapper formuliert es Gabriele (69) aus Dresden mit den Worten "zusammenreißen und versuchen."

Kilian (30) aus dem Landkreis Mittelsachsen glaubt: "Ich denke, es gäbe einen starken Rückhalt in der Bevölkerung zu dieser Koalition." Gleichzeitig sieht er eine mögliche CDU-BSW-Koalition nicht nur positiv: "Allerdings sind mir die landespolitischen Ziele von BSW bisher unklar."

Immer wieder wird das Argument vorgetragen, wer viele Wählerstimmen einsammeln könne, sollte auch miteinander regieren. Oder auch wiederholt in den Kommentaren aus Sachsen zu lesen: "Man sollte BSW eine Chance geben. Hauptsache, nicht mit den Grünen", wie es etwa Mike (59) aus dem Landkreis Leipzig formuliert.

Wieder andere MDRfragt-Mitglieder sehen inhaltliche Vorteile: "Durch BSW würde bei der CDU wieder die soziale Ader durchkommen", ist Tina (60) aus Mittelsachsen überzeugt.

Andere sehen es pragmatisch, zum Beispiel Bernd (73) aus dem Vogtlandkreis: "Kann ich mir praktisch schlecht vorstellen, aber es könnte die einzige Möglichkeit sein, weil beide ausgeschlossen haben, mit der AfD eine Regierung zu bilden."

Manuela (47) aus Leipzig gehört zu der Gruppe von MDRfragt-Mitgliedern, die meinen: "Sie schließen damit (hoffentlich) eine AfD-Regierung aus."

Auch Heiko (62) aus Mittelsachsen hat im Blick, dass eine repräsentative Meinungsumfrage von Infratest Dimap im Auftrag des MDR zuletzt vorhersagten, dass es mit CDU, BSW und AfD drei starke Parteien in Sachsen geben könnte – und dann eine Handvoll weitere, die nicht weit über oder gar unter der 5-Prozent-Hürde gesehen werden. Er meint: "Wenn es nur drei Parteien in den Landtag schaffen, ist die Zusammenarbeit alternativlos."

In Sachsen etwas mehr Zuspruch für CDU-BSW-Kooperation...

Die eher positiven Kommentare zu einer möglichen Zusammenarbeit von CDU und BSW nach der Landtagswahl passen zum MDRfragt-Stimmungsbild, wenn man den Freistaat einzeln betrachtet: In Sachsen gibt es einen geringfügig höheren Anteil befürwortende Stimmen. Konkret befürworten 45 Prozent der sächsischen Befragten tendenziell eine CDU-BSW-Koalition; etwas weniger (42 Prozent) lehnen sie ab.

Mögliche CDU-BSW-Kooperation - Meinungsbild aus Sachsen
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Derzeit regiert Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) mit SPD und Grünen, betont aber seit Längerem, dass er nach der Wahl gerne eine Regierung ohne die Grünen bilden würde. Ein Bündnis mit der AfD schließt der CDU-Politiker ebenso aus wie mit der Partei "Die Linke", eines mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht hält er sich hingegen offen.

...in Thüringen leichter Stimmungstrend dagegen

Beschränkt man sich auf die Meinung der MDRfragt-Mitglieder aus Thüringen, dann kommt genau die entgegengesetzte Tendenz heraus: Hier gibt es mit 46 Prozent einen etwas höheren Anteil von Befragten, die ein Bündnis aus CDU und BSW kritisch sehen. Zum Vergleich: 40 Prozent würden es befürworten.

Mögliche CDU-BSW-Kooperation - Meinungsbild aus Thüringen
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Dabei sagte eine repräsentative Meinungsumfrage von Infratest Dimap im Auftrag des MDR im Juni, es könnte zum wiederholten Male schwierig werden mit der Regierungsbildung. Die derzeit regierende rot-rot-grüne Minderheitsregierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) müsste demnach mit deutlichen Verlusten rechnen. CDU, AfD – und aus dem Stand das Bündnis Sahra Wagenknecht – bekamen in der Umfrage die meiste Zustimmung.

Argumente gegen eine Regierung mit CDU und BSW

Manche sehen bei einem möglichen CDU-BSW-Bündnis das Problem bei der neu gegründeten Partei: "BSW geht gar nicht, total undemokratisch und nicht regierungsfähig", meint Marko (48) aus dem Saale-Orla-Kreis. Oder wie es Richard (59) aus dem Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge formuliert: "BSW ist mir zu unkritisch gegenüber der Putin-Diktatur."

Immer wieder das Argument: Man wisse nicht, was die neue Partei von Sahra Wagenknecht inhaltlich und personell wirklich bringen werde. "BSW hat für mich keine klare Linie", fasst es etwa Robert (63) aus dem Weimarer Land zusammen. "Das Wahlprogramm ist eine Aneinanderreihung von populären Themen ohne klare Richtung."

Andere MDRfragt-Mitglieder kritisieren eine mögliche Zusammenarbeit eher wegen der CDU: "Das BSW würde von der CDU unterworfen, so wie heute die Grünen", meint Peter (67) aus dem Erzgebirgkreis. Und mancher wünscht sich einen grundsätzlichen Regierungswechsel: "16 Jahre CDU waren mehr als genug!", meint etwa Harry (62) aus dem Landkreis Görlitz.

Und Jasmin (25) aus Dresden schreibt: "Mit einer Regierungsbeteiligung der CDU, unabhängig vom BSW, wird es meiner Meinung nach nicht zu bedeutenden Fortschritten im Land kommen können."

Doch besonders häufig findet sich in den Kommentaren von Gegnern einer CDU-BSW-Zusammenarbeit verschiedene Schattierungen des Arguments: Die beiden Parteien passen einfach nicht zusammen. Manche verweisen darauf, dass Sahra Wagenknecht als früheres Mitglied der "Kommunistischen Plattform" zum linken Flügel ihrer vorherigen Partei der Linken gehörte und die CDU konservativ sei.

Haltung zum Ukraine-Krieg ist Mehrheit wichtig

Andere glauben, dass die Parteien in wichtigen Fragen gegensätzliche Auffassungen haben. Dort fällt auf, dass ein Thema immer wieder genannt wird: "Die CDU ist für Krieg, BSW für Frieden", schreibt nicht nur Frank (63) aus dem Landkreis Zwickau.

In der Debatte um eine mögliche Regierungsbeteiligung der nach ihr benannten Partei hatte Sahra Wagenknecht zuletzt mitgeteilt: Das BSW werde sich nur an einer Landesregierung beteiligen, "die auch bundespolitisch klar Position für Diplomatie und gegen Kriegsvorbereitung bezieht".

Obwohl die Frage, auf welchem Weg und mit welchem Bündel an Maßnahmen und Strategien der Krieg in der Ukraine zu beenden ist, eine bundes- und außenpolitische ist, gaben im MDRfragt-Stimmungsbild die meisten Befragten an: Das Thema sei wichtig für ihre Wahlentscheidung.

Konkret gaben mehr als 70 Prozent der Befragten an, bei ihrer Wahlentscheidung zur Landtagswahl spiele auch die Haltung der Parteien zum Ukraine-Krieg eine Rolle. Gut jede und jeder Vierte fand das hingegen unwichtig oder eher unwichtig.

Haltung zu Lösung Ukraine-Krieg - für eigene Wahlentscheidung
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Auch hier gibt es oft grundsätzliche Argumente bei jenen, die sagen: Die Haltung einer Partei zum Ukraine-Krieg ist für mich ein wichtiges Entscheidungskriterium bei der Landtagswahl. Heike (45) aus dem Saale-Orla-Kreis schreibt: "Es sollte immer angestrebt werden, einen Krieg zu beenden. Ich wähle keine Kriegs-Partei." Und Peter (65) aus Leipzig argumentiert auch sehr grundsätzlich: "Frieden ist immer wichtig."

Auch Markus (56) aus dem Landkreis Gotha guckt sich vor der Landtagswahl an, welche Parteien wie zum Ukraine-Krieg stehen, aber aus anderen Gründen: "Parteien, die eine Unterstützung der Ukraine einstellen wollen, scheiden für mich aus."

MDR fragt 1 min
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Di 02.07.2024 15:29Uhr 00:57 min

https://www.mdr.de/nachrichten/mitmachen/mdrfragt/video-MDRfragt-long-sie-quer-100.html

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