Bei einer Demo hält ein Duo ein Plakat mit "Demokratie braucht keine Alternative" hoch 5 min
Audio: Die Mehrheit findet, man sollte Probleme lösen anstatt die AfD zu verbieten. Bildrechte: IMAGO/Moritz Schlenk

MDRfragt Mehrheit findet: Probleme lösen statt AfD verbieten

08. Oktober 2024, 03:00 Uhr

Nach dem holprigen Start des Thüringer Landtages und dem Anteil der AfD daran wird diskutiert, ob der Anlauf für ein Partei-Verbotsverfahren genommen werden soll. Im MDRfragt-Stimmungsbild gibt es für andere Forderungen deutlich größeren Zuspruch.

MDR-Redakteurin Franziska Höhnl
MDR-Redakteurin Franziska Höhnl Bildrechte: MDR / David Sievers

Ist jetzt die Zeit dafür, ein AfD-Verbot in die Wege zu leiten? Den Vorstoß von gut drei Dutzend Bundestagsabgeordneten halten im MDRfragt-Meinungsbild die meisten Befragten nicht für die naheliegendste Idee.

Gefragt, wie die verschiedenen politischen Akteurinnen und Akteure der AfD begegnen sollten, antwortete ein Großteil der rund 24.000 Befragten aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen: Parteien, die derzeit in Regierungsverantwortung seien, sollten Lösungen für Probleme der Menschen finden. Knapp zwei von drei Befragten (67 Prozent) meinten: Das wäre ein zielführender Ansatz, um den Einfluss der AfD zu begrenzen.

Hinweis Die Stimmungsbilder von MDRfragt sind auch dank der hohen Teilnehmendenzahl aussagekräftig. Da alle MDRfragt-Mitglieder ihre Meinung einbringen können und sollen, werden keine Zufalls-Stichproben gezogen. Die Ergebnisse sind damit nicht repräsentativ. Sie werden jedoch nach bewährten wissenschaftlichen Methoden gewichtet. Zudem erlauben die Begründungen und Kommentare der Befragten, die Stimmungstendenzen einzuordnen. Mehr zur Methodik von MDRfragt am Ende des Artikels.

Gut die Hälfte der Befragten (54 Prozent) meint, die AfD sollte wie jede andere Partei behandelt werden. Etwas mehr als jede und jeder Dritte meint: Es wäre zielführend, wenn die AfD rechtsextreme Personen in ihren eigenen Reihen bekämpft und ausschließt. Damit landen diese drei Optionen auf den ersten drei Plätzen.

Dafür, jetzt das langwierige und aufwendige Verfahren für ein Parteiverbot zu starten, sprach sich hingegen nur als jede und jeder Sechste (17 Prozent) im MDRfragt-Stimmungsbild aus. Die Teilnehmenden konnten alle Maßnahmen auswählen, die ihnen sinnvoll erschienen.

MDR fragt - Umgang mit der AfD
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Probleme der Menschen ernst nehmen und lösen

Sören (47) aus Chemnitz gehört zu den vielen MDRfragt-Mitgliedern, die meinen: Wenn die regierenden Parteien wieder nachweisen, dass sie Lösungen haben, dann endet auch der Höhenflug der AfD. Er schreibt: "Die anderen Parteien müssten aufhören, sich mit sich selbst zu beschäftigen, ins Handeln kommen und Politik für den Wähler machen. Im Grunde macht die AfD doch gar nix, außer die Lücken zu nutzen, die ihr die anderen Parteien lassen."

Ganz ähnlich sieht es Steffi (59) aus dem Landkreis Leipzig: "Alle demokratischen Parteien sollten endlich mal wieder stärker für die Menschen im Land da sein, und deren Probleme ernst nehmen und lösen", meint sie. Und ergänzt: "Man sollte die AfD nicht verbieten, da man so die Wähler dieser Partei nicht davon überzeugen kann, dass es KEINE Alternative für Deutschland ist."

Wie alle anderen Parteien behandeln

Und was spricht aus Sicht der MDRfragt-Gemeinschaft dafür, die Alternative für Deutschland wie jede andere Partei zu behandeln – obwohl verschiedene Verfassungsschutzämter immer mehr Belege dafür haben, dass in der AfD zunehmend rechtsextreme Kräfte das Sagen haben und Gerichte diese Sicht bestätigen?

Viele sehen es ähnlich wie Jörg (61) aus dem Landkreis Wittenberg: "Der Wille eines Drittels der Wähler sollte gleichberechtigt im Parlament repräsentiert und respektiert werden!" Und Annette (61) aus dem Burgenlandkreis schreibt, sie verstehe die ganze Diskussion nicht: "Entweder die AfD ist eine Partei und zur Wahl zugelassen, dann ist sie gleichzubehandeln wie alle anderen."

Andere verbinden mit diesem Wunsch weniger, dass die AfD mehr Einfluss bekommt, sondern mehr, dass es sie entzaubert: "Man sollte ihnen Verantwortung zubilligen. Dann würde jeder sehen, dass sie auch nur mit Wasser kochen", meint etwa Inge (73) aus dem Weimarer Land.

Sie gehört zu jenen MDRfragt-Mitgliedern, die für Gleichbehandlung wären – aber dagegen, die AfD mitregieren zu lassen. Doch knapp ein Drittel der Befragten meint: Die Partei sollte mitregieren. So meint etwa Karin (64) aus dem Landkreis Zwickau: "Ausgrenzung der AfD ist keine Lösung. Nur in Regierungsverantwortung kann die Unfähigkeit der AfD offen zu Tage treten und die Wähler eines Besseren belehren. Die zurzeit durchgeführte Hexenjagd wird sie nur stärker machen."

Simone (50) aus dem gleichen sächsischen Landkreis meint allerdings – wie viele andere im MDRfragt-Meinungsbild – die AfD selbst müsse auch einiges an Hausaufgaben machen: "In der AfD sind nicht alle rechtsextrem, sondern auch 'normale' Bürger, die in der freien Wirtschaft arbeiten, zum Teil auch selbständig sind. Es sollten die Personen, die nachweislich rechtsextrem sind, ausgeschlossen werden."

Auch Holger (62) aus dem Unstrut-Hainich-Kreis fände es wichtig, dass die AfD gegen Extremisten in den eigenen Reihen vorgeht, glaubt aber nicht daran, dass das passiert: "Die AfD wird nicht gegen rechtsextreme Mitglieder vorgehen, denn diese ziehen die Fäden. Wer gegen rechtsextreme Kräfte innerhalb der Partei vorgehen will, fliegt raus. (Lucke, Petry, ...)"

Was für ein Verbotsverfahren spricht – und was dagegen

Doch was hält die Mehrheit der Befragten davon ab, zum jetzigen Zeitpunkt das Verfahren zu starten, an dessen Ende das Bundesverfassungsgericht entscheidet, ob die AfD so gefährlich für den Fortbestand unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist, dass sie verboten werden sollte?

Eileen (27) aus dem Landkreis Harz argumentiert so: "Wenn die AfD verboten wird, würde sich nur eine andere Partei mit gleichem Programm bilden. Ich finde es wichtiger, dass die Motive der Menschen, die die AfD wählen, ernst genommen und angegangen werden."

Für Uwe (60) aus dem Ilm-Kreis gilt: "Unabhängig von der Einschätzung des Verfassungsschutzes, wäre ein Verbotsverfahren gegen eine Partei, die momentan 30 Prozent der Bevölkerung repräsentiert, eine Bankrotterklärung der demokratischen Mitte. Man muss die AfD mit besserer Politik wieder an den Rand drängen." Und Günter (80) aus Leipzig meint: "Dieser Vorgang könnte für 30 Prozent der Wähler, die AfD gewählt haben, noch weiteren Missklang in unserer Gesellschaft bedeuten. Die Gesellschaft würde noch weiter gespalten."

Sigrid (55) aus dem Landkreis Schmalkalden-Meiningen ist hin- und hergerissen: "Die AfD hätte viel früher verboten werden müssen. Ein Verbot jetzt wird nicht die Ideologie der Wähler wegwischen." Ganz klar für ein Verbot spricht sich hingegen Sven (49) aus Leipzig aus: "Die Partei ist problematisch. Zum Einen spricht sie richtigerweise ein paar Missstände an, allerdings ohne Lösungen zu haben. Zum Anderen beruhen Ansichten auf der Leugnung von Fakten und offenem Rechtsextremismus."

Großteil sieht nach Start im Thüringer Landtag geschwächte Demokratie

Ausgangspunkt für die aktuelle Debatte um ein AfD-Parteienverbot war der Start des Thüringer Landtages in die neue Wahlperiode. Über Stunden ging bei der konstituierenden Sitzung wenig bis gar nichts voran. Letztlich musste der Verfassungsgerichtshof in Weimar eine Eilentscheidung treffen, ehe der Landtag ein neues Präsidium wählen konnte.

Bei MDRfragt meinen zwei von drei Befragten: Diese Ereignisse zeigen eher, dass unsere Demokratie geschwächt ist. Nur eine Minderheit meint, sie geht gestärkt daraus hervor. In Thüringen sind es noch minimal mehr MDRfragt-Mitglieder, die eine Schwächung erkennen.

MDR fragt - Blick auf Start des Thüringer Landtags - Demokratie ist geschwächt
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Franziska (39) aus dem Landkreis Bautzen beschreibt ihre Sicht so: "Die Sitzung im Thüringer Landtag zeigte eine gewisse Ohnmacht. Ich selbst habe sie live gesehen und war fassungslos, dass es sich wie im Kreis drehte, bis endlich die Sitzung vertagt wurde und durch das Verfassungsgericht geprüft wurde." Die 39-Jährige gehört zu den Befragten, die meinen, die Demokratie sei geschwächt oder eher geschwächt.

Und Ute (60) aus Mittelsachsen ist eine von den Befragten, die eher wütend klingen: "Warum muss ein Gericht erst in Deutschland bestehende Regelungen durchsetzen, um einem Kindergarten mit Geltungsbedürfnis Einhalt zu gebieten?" Für Katja (50) aus Chemnitz besteht die Schwächung, "weil Regeln geändert wurden, nur um die AfD zu verhindern".

Aus Thüringen klingen die Argumente derjenigen, die finden, aus dem Start des Thüringer Landtages sei unsere Demokratie geschwächt hervorgegangen zum Beispiel so wie die von Falk (36) aus dem Landkreis Schmalkalden-Meiningen: "Zeigt, wie jemand mit einem relativ schwachen Amt (Alterspräsident) für Verzögerungen und Chaos sorgen kann." Dagegen meint Kunibert (72) aus Erfurt: "Nach jeder Landtagswahl stellte in der Regel die stärkste Fraktion den Landtagspräsidenten. Das wurde der AfD verwehrt. Es war abzusehen, dass die AfD die Landtagswahl gewinnt." Und Regina (63) aus dem Landkreis Nordhausen meint: "Kasperletheater ALLER Parteien."

Eher gestärkt sieht hingegen zum Beispiel Corinna (56) aus Gera die Demokratie: "Ich finde es gut, dass mehrere Parteien jetzt einen Kandidaten stellen konnten. Die ursprüngliche Regelung hätte von Anfang an die Arbeit der neuen, im Moment zu bildenden Regierung blockiert." Und Matthias (71) aus dem Saale-Orla-Kreis meint: "Das Verfassungsgericht hat der AfD eindeutig erklärt, was Demokratie ist."

Über diese Befragung Die "Frage der Woche - zur Landtagswahl" vom 30. September bis 2. Oktober 2024 stand unter der Überschrift: "Zeigt unsere Demokratie gerade ihre Stärke oder ihre Schwäche?".

Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden. Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen. Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ.

Bei dieser Befragung haben sich 23.847 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen online mit ihrer Meinung eingebracht.

Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland. MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests.

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Di 02.07.2024 15:29Uhr 00:57 min

https://www.mdr.de/nachrichten/mitmachen/mdrfragt/video-MDRfragt-long-sie-quer-100.html

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL - Das Nachrichtenradio | 08. Oktober 2024 | 12:00 Uhr