Grauzone TikTok-Memes Mit Kopie zum Fame: Urheberrecht auf TikTok
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10. Februar 2023, 07:42 Uhr
TikTok – die App der viralen Videos. Individuelle Empfehlungen bieten den Usern ein einmaliges Social-Media-Erlebnis. Von der Plattform nicht wegzudenken: Memes. Videos, Sounds, Zitate und Bilder, die eine Stimmung aufgreifen und die sich rasant verbreiten, weil man sich mit ihnen identifizieren und über sie lachen kann. Die kurzen Clips werden zitiert, kopiert und geteilt, nur nicht mehr vom Urheber. Wie passen Rechtslage und Struktur der App zusammen?
Die Urheberrechtlinien der App
TikTok verfügt über eigene Community-Richtlinien, die unter anderem auch den Schutz des Urheberrechts aufführen. Demnach kann jeder Inhalt, der das Urheberrecht einer anderen Person verletzt, gemeldet und entfernt werden. Wer sich mehrmals nicht an die Richtlinien hält, der muss befürchten, dass das eigene Konto gesperrt wird.
Die App empfiehlt: Wer bemerkt, dass jemand mit seinen Inhalten die Urheberrechte verletzt, der sollte direkt mit diesem Account Kontakt aufnehmen. Alternativ kann der Urheber TikTok den Fall über ein Formular mitteilen. Dann prüft die Plattform selbst, inwiefern gegen die Richtlinien verstoßen wurde. Auch spannend: TikTok sagt, wer nur eine Idee aufgreift oder Fakten neu veröffentlicht, nicht aber den "originellen Ausdruck" dessen, der bleibt im rechtlichen Rahmen. "Es kommt auf die Schöpfungshöhe an", sagt Matthias Ehspanner, Erfurter Rechtsanwalt, der sich unter anderem mit Urheberrecht befasst.
Wer beispielsweise auf TikTok banale Dinge wie "Der Winter ist kalt" schreibt, kann sich nicht auf sein Urheberrecht berufen, dichtet man hingegen ein eigenes Gedicht, dann sieht die Rechtslage laut Ehspanner schon anders aus. Hier greifen oft mehrere Rechtsbereiche ineinander: Recht am eigenen Bild, Marken, Zitat- und Urheberrecht.
Welche Inhalte auf TikTok sind urheberrechtlich geschützt?
Fast alle Inhalte, die nicht selbst erstellt wurden, sind urheberrechtlich geschützt. Es gibt Ausnahmen, nämlich wenn das Werk bereits mehrere Jahrzehnte alt oder der Urheber bereits lange verstorben ist. Das betrifft:
- Fotos
- Musik
- Videoaufnahmen und Filmausschnitte
- Texte
Memes können sowohl in Worten, Videos oder als Foto auf TikTok Ausdruck finden. Oft werden sie sogar genau deswegen bekannt, weil sie eben ohne Erlaubnis kopiert und verbreitet werden. Streng genommen verstößt jedes Video, welches in der App auftaucht und einer anderen Person gehört, gegen die Urheberrechte. Mit dem Hochladen erklären sich Nutzende einverstanden, dass ihre Inhalte auf der Plattform mit den gängigen Funktionen der App genutzt werden können. "Meine Rolle als Urheber erhalte ich automatisch bereits mit der Entstehung des Werks, dennoch kann ich es teilen und veröffentlichen, ohne dass jemand anderes es selbst abfilmen und in seinem Namen posten darf", sagt Ehspanner.
Die App bietet Nutzerinnen und Nutzern sogar die Möglichkeit, sich auf andere TikToks (also Content, der auf der Plattform veröffentlich wird) zu beziehen. Mit dem sogenannten Stitch, den der Konzern 2020 einführte, soll die Community sogar ermuntert werden, sich zu inspirieren und eigene Videos mit denen anderer zu kombinieren.
Memes im Urheberrecht
Unbedenklich ist das Teilen dann, wenn das Bild oder ein Video zum Zweck einer Karrikatur entsprechend verändert wird. Also das Video beispielsweise überzeichnet rekonstruiert oder künstlerisch neu interpretiert wird. Ehspanner verweist auf den Paragraph 51a des reformierten und 2021 in Kraft getretenen "Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes":
"§ 51a Karikatur, Parodie und Pastiche Zulässig ist die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches. Die Befugnis nach Satz 1 umfasst die Nutzung einer Abbildung oder sonstigen Vervielfältigung des genutzten Werkes, auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist."
Dort taucht ein Begriff auf, der seitdem neu im Urheberrecht ist: Pastiches. Damit sind Inhalte gemeint, die durch Nutzer generiert worden sind. Verschiedene bestehende Inhalte werden zu einem neuen Inhalt. Damit hat es das Meme in die Gesetzesbücher geschafft.
Ob dennoch ein Verstoß gegen das Urheberrecht vorliegt, entscheidet laut Ehspanner letztendlich das Gericht. Vorausgesetzt, der Urheber meldet den Verstoß überhaupt.
Wenn sich keiner beschwert, dann kann das Ganze nicht zivilrechtlich verfolgt werden.
Er selbst hätte immer wieder Klienten, die sich auf ihre Rechte beziehen. Oft seien das Verstöße gegen die Persönlichkeitsrechte. Wer also ein Video von sich selbst auf der Plattform entdeckt, das heimlich gefilmt wurde oder unerlaubt von Freunden verschickt und geteilt wurde, darf und sollte sogar dagegen vorgehen.
Etliche Nutzer kommen aber genau dadurch zu Bekanntheit: mit kurzen Clips, Fails und eingängigen Aussagen. DAS TikTok-Top-Meme dürfte im vergangenen Jahr wohl Linnea vom TikTok-Kanal Linneasky gelungen sein. Im Sommer ging sie mit einem Video viral, in dem sie sich darüber aufregte, dass andere sich daran störten, dass sie keinen BH trägt. Ihr Video mit dem Sound "Excuse me? Wir haben 2022!" hat bis heute über 493.000 Likes und unzählige Stitches: egal ob als Techno-Remix, als Sketch oder als 2023-Version.
Die Gesetze sind da, kaum jemand nutzt sie
Jasper Prigge ist Rechtsanwalt für Urheber- und Medienrecht aus Düsseldorf und sagt ebenfalls: Wo kein Kläger, da kein Richter. Die gängigen Social-Media-Plattformen würden letztlich von den Inhalten profitieren. Erst wenn der Urheber sich gegen eine Rechtsverletzung wehrt, könnten Nutzende mit Ansprüchen konfrontiert werden. Andere Videos aufzugreifen und sie gegebenenfalls zu kopieren, gehöre zum Geschäftsmodell von TikTok.
Am Beispiel von TikTokerin Linneasky bedeutet das, um mit Videos und Sounds viral zu gehen, werden Urheberrechtsverletzungen nicht als solche thematisiert. Memes erreichen so viele hunderttausende Menschen, zugunsten der Bekanntheit.
Die Sache mit der Musik
Besonders häufen sich laut Prigge die Fälle im Bereich Musik, wenn also verwendete Sounds auf gewerblichen Profilen gegen das Urheberrecht verstoßen. Für die Privatnutzung sei das meist unbedenklich. Das gibt dem Nutzenden aber nicht das Recht, urheberrechtlich geschützte Werke abseits der gesetzlichen Erlaubnisse zu nutzen. TikTok sollte sich daher um Lizensierungen bemühen.
Urheber von Filmen, die oft und gerne als Memes auf TikTok verwendet werden, gehen nach Aussagen von Prigge nur selten gegen die Verstöße vor, denn auch hier gibt es einen Werbeeffekt. Würde beispielsweise der komplette Film hochgeladen, steige das Risiko für Nutzende, abgemahnt zu werden.
Zwischen Diskurs und Mobbing
Prigge selbst hat immer wieder mit Urheberrechtsverletzungen auf Social Media und insbesondere TikTok zu tun. Aber nicht für jede Nutzung müsse vorher eine Erlaubnis des Urhebers eingeholt werden. "Das Gesetz kennt Ausnahmen, in denen der Urheber eine kostenfreie Nutzung hinnehmen muss. Besonders relevant ist das Zitatrecht, wenn also ein Werk als Beleg benutzt wird." In diesem Fall komme es aber darauf an, dass sich der Nutzende mit dem Inhalt des zitierten Werks auseinandersetzt. "Ein bloßes Lachen im Anschluss eines Videos reicht nicht aus", meint Prigge. Ebenso wenig dürfe man minutenlange Ausschnitte teilen. Nur eben so viel, wie für das Sinnverständnis notwendig sei.
Immerhin dient die Plattform selbst auch dazu, sich zu inspirieren, auszutauschen und gesellschaftliche Themen zu diskutieren. Laut TikTok können Nutzende zitieren, wenn das die Teilnahme an einer Debatte ermöglicht. Dieses Recht hat Einschränkungen: "[...] schwerwiegendes missbräuchliches Verhalten [...] ist jedoch ebenfalls nicht gestattet."
Teures Teilen
Ein technisches System, das Urheberrechtsverletzungen trennscharf erkennen kann, gibt es laut Prigge nicht. Eine Software könne zwar viele Daten erfassen, aber sie habe nicht die Fähigkeit, auch zwischen den Zeilen zu lesen. Und: Wenn Rechteinhaber nicht gegen die Störer vorgehen, dann bleiben die Inhalte auf TikTok.
Ist die Plattform darüber informiert, dass eine Rechtsverletzung vorliegt, ist sie verpflichtet, die Inhalte zu entfernen. Im Verlauf eines Rechtsstreits kann es zu Abmahnungen oder gar einstweiligen Verfügungen kommen. Ist man einmal abgemahnt und der Fall geht vor ein Landgericht, dann kann es teuer werden. Wer verliert, der bezahlt zwei Anwälte, die Kosten liegen nicht selten im vier- bis fünfstelligen Bereich, so Ehspanner.