Interview mit Lea Römer von JUUUPORT Opfer müssen ihre Rechte kennen
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06. Juli 2023, 09:28 Uhr
Jugendliche der Organisation JUUUPORT beraten ehrenamtlich Kinder und Jugendliche, die von Cybermobbing betroffen sind. Im Interview mit MEDIEN360G gibt Lea Römer Einblicke in die Arbeit des Vereins.
MEDIEN360G: Ich begrüße Lea Römer zum Gespräch mit MEDIEN360G. Sie ist presseverantwortlich bei JUUUPORT – einer Organisation, die Beratung und Seminare zu digitalen Themen anbietet. Und das Besondere dabei ist eben, dass Jugendliche andere Jugendliche beraten. Und in unserem Gespräch heute geht es um das Thema "Cybermobbing". Dann komme ich auch schon zur ersten Frage: Wie lange sind Sie denn schon bei JUUUPORT dabei und wie lange gibt es JUUUPORT überhaupt schon?
Lea Römer: Ja, ich bin jetzt seit Ende 2015 bei JUUUPORT und da gab es JUUUPORT bereits fünf Jahre. Also 2010 wurde JUUUPORT von der niedersächsischen Landesmedienanstalt initiiert. Und, genau, seitdem ist der Verein gewachsen und, ja, wir merken, dass wir mit dem Thema Onlineberatung für Jugendliche bei Problemen im Netz wirklich am Zahn der Zeit sind – und das natürlich täglich, wöchentlich neue Themen auf den Tisch kommen.
Was ist JUUUPORT?
- Erste Hilfe Online-Beratungen für Jugendliche zu digitalen Themen
- Ehrenamtliche Jugendliche stehen als Experten bereit und beantworten Fragen
- Themengebiete: Cybermobbing, Cybergrooming, Hass im Netz und viele mehr
- Die Plattform bietet auch Online-Seminare
MEDIEN360G: Sie sind ein gemeinnütziger Verein, richtig? Mit ganz vielen Ehrenamtlichen aber natürlich auch ein paar Hauptamtlichen. Und Sie arbeiten mit Scouts – also diesen Jugendlichen, die ihre Beratungshilfe für andere Jugendliche anbieten – an ganz vielen Standorten in Deutschland. Was ist da auch das Besondere, dass euch so einzigartig macht?
Lea Römer: Ja also, das Besondere ist tatsächlich, das Jugendliche Gleichaltrigen helfen – und das tatsächlich auf Augenhöhe. Und wie Sie schon gesagt haben, die Jugendlichen, die anderen helfen, die sind über ganz Deutschland verstreut und können jederzeit, wann es quasi in ihren Alltag passt, einfach anderen Jugendlichen helfen. Das macht die ehrenamtliche Arbeit so flexibel für die Jugendlichen. Deswegen haben wir auch so eine große Bandbreite an Helferinnen und Helfern und gleichzeitig ist eben diese Onlineberatung auch für die Ratsuchenden selbst so niedrigschwellig. Ratsuchende können jederzeit eben auch von jedem Ort ihre Frage an unsere JUUUPORT-Scouts senden und sich so sehr schnell Hilfe holen. Und wir verstehen uns auch als Erste Hilfe im Netz.
MEDIEN360G: Das heißt auch ganz schnell senden. Geht das auch über WhatsApp, über E-Mail oder eben über euer Formular, was ihr auf der Homepage habt?
Lea Römer: Genau. Wir haben aktuell zwei Wege über die sich Ratsuchende bei uns melden können. Das eine ist das Kontaktformular auf unserer Webseite: Da können Jugendliche eben einfach ihre Nachricht abschicken. Wenn sie möchten ganz anonym und bekommen dann eben innerhalb von wenigen Stunden ihre Antwort und können die dann über ein Passwort abrufen. Und der andere Weg ist unsere WhatsApp-Beratung: Die findet montags bis freitags immer von 18 bis 20 Uhr statt. Und da ist das quasi wie ein Life-Chat, der datenschutzkonform abgesichert ist, über ein Containersystem, das quasi noch mal dazwischengeschaltet ist.
MEDIEN360G: Gibt es Scouts, die sich bestimmte Themenfelder selbst aussuchen können oder wird das automatisch zugewiesen?
Lea Römer: Genau, das ist so: Also die Anfragen landen eben erst mal bei dem Team von JUUUPORT – das muss man vielleicht auch noch dazusagen: Es arbeiten Medienpädagoginnen und -pädagogen und Psychologinnen und Psychologen bei uns im Team. Und die schauen erst mal, wenn eine Nachricht reinkommt, ist das auch für unsere Scouts, wie soll ich sagen, jugendschutzkonform. Weil wir arbeiten ja, wie gesagt, mit Jugendlichen zusammen und auch da müssen wir auf den Jugendschutz achten. Wenn diese Anfrage aber sozusagen in Ordnung ist, dann geht sie raus an unsere Scouts und die können jederzeit eben schauen, wenn sie jetzt gerade nach der Schule ein bisschen Zeit haben und gucken, was für neue Anfragen sind reingekommen. Und können sich dann eine Anfrage aussuchen, können sagen: Ah, da habe ich eine gute Antwort drauf, damit kenne ich mich besonders gut aus. Und können dann diese Anfrage übernehmen. Und es gibt schon Scouts, die haben spezielle Lieblingsthemen, sage ich mal, wo sie Experten sind. Aber in den meisten Fällen können unsere Scouts eigentlich zu den meisten Themen was sagen.
MEDIEN360G: Und wie häufig werdet ihr kontaktiert? Ihr seid ja dann auch deutschlandweit tätig. Wie viele Anfragen kommen da jeden Tag rein, um da auch mal so eine Dimension erfassen zu können?
Lea Römer: Ja, wir haben aktuell so zwischen acht und zehn Anfragen täglich und man muss natürlich dazu sagen, die Größe der Probleme ist natürlich … oder die Dimension der Probleme ist deutlich größer, aber wir machen natürlich auch viel Aufklärungsarbeit. Wir haben Social-Media-Kanäle – also wir sind da, wo die Jugendlichen auch selbst unterwegs sind – auf Instagram, auf TikTok, auf YouTube und klären da auch durch Infoposts, durch Stories, durch Interviews über bestimmte Themen auf. Deswegen verstehen wir uns als Beratungs-Plattform, aber auch als Aufklärungs-Plattform.
MEDIEN360G: Haben die Scouts auch selbst persönlich Erfahrungen mit Cybermobbing gemacht?
Lea Römer: Das ist sehr unterschiedlich. Manche Scouts haben tatsächlich selber mal, wie soll ich sagen, Erfahrungen mit Mobbing gemacht, direkt oder indirekt. Aber wenn man sich mal Statistiken anguckt: Fast jeder Jugendliche hat irgendwie schon mal von Cybermobbing oder Hass im Netz, je nachdem wie man das jetzt definieren möchte, mitbekommen. Also das ist was, was Jugendlichen leider, leider nicht fremd ist. Und dementsprechend können die Scouts auch alle was mit diesem Thema anfangen. Und ihnen ist es wirklich wichtig, andere Jugendliche zu schützen. Vielleicht vor den Erfahrungen, die sie selber machen mussten. Manche sagen auch: Also was der Grund ist, weswegen sie sich engagieren, dass sie eben sich gewünscht hätten, dass sie so eine Unterstützung gehabt hätten in der Zeit, in der sie sie vielleicht gebraucht hätten. Und da merkt man auch wieder, dass einige Jugendliche sich eben nicht trauen, zum Beispiel Lehrer anzusprechen und sich da Hilfe zu holen oder auch die Eltern hinzuzufügen, hinzuzuziehen, weil natürlich manchmal auch Scham eine große Rolle spielt. Also sie wissen dann vielleicht: Ah, Mist, da habe ich vielleicht was falsch gemacht und jetzt möchte ich mich quasi da nicht so entblößen, sondern suche mir lieber vertraulich Hilfe, anonym, da, wo ich dann eben nicht unbedingt auch direkt zugeordnet werden kann.
MEDIEN360G: Es ist ja auch eine gewisse Unterstützung oder so eine Schulter zum Anlehnen, oder? Wenn jemand wirklich gemobbt wird und sich auch als Außenseiter dann immer mehr fühlt, denke ich, ist das auch ganz ermutigend einfach.
Lea Römer: Genau. Das ist eine ganz wichtige Aufgabe von unserem Projekt, zu sagen: Du bist nicht allein und du bist nicht schuld. Also erst mal wirklich sich der Sache anzunehmen und ins Gespräch zu kommen. Und dass da diese Hürde gar nicht so groß wird, sich Hilfe zu holen. Deswegen habe ich eben auch gesagt, wir verstehen uns als Erste Hilfe im Netz, wir hören erst mal zu. Und es hilft Jugendlichen auch extrem, sich erst mal das Problem von der Seele zu schreiben, also erst mal überhaupt das zu adressieren und loszuwerden. Und das ist schon mal ein ganz hilfreicher Schritt, um dann gemeinsam zu schauen, welche Schritte sind denn jetzt die nächsten oder was ist als nächstes wichtig zu tun?
MEDIEN360G: Die meisten der Scouts sind wahrscheinlich Schüler und Schülerinnen oder in der Ausbildung, vom Alter her zwischen 16 und 20. Ist das so die Altersspanne?
Lea Römer: Ja, 16 und 24. Wir haben tatsächlich auch jetzt öfter ältere, also ab 18, die dann Scout werden wollen. Wir sagen so im Großen und Ganzen bewegt es sich zwischen 16 und 24, wobei wir jetzt auch nicht die Schranke total runtermachen, sondern gucken eben immer, wie es passt, auch von Fall zu Fall.
MEDIEN360G: Und wie lange dauert dann in etwa so eine Beratung?
Lea Römer: Ja, das muss man tatsächlich im Einzelfall betrachten. Das ist sehr unterschiedlich. Manchmal ist es schon damit getan, dass man tatsächlich eine Antwort schickt und man hört gar nichts mehr von dem oder der Ratsuchenden. Und manchmal zieht sich dann so eine Kommunikation auch über mehrere Tage, manchmal sogar über mehrere Wochen. Also das ist wirklich sehr, sehr unterschiedlich.
MEDIEN360G: Musstet ihr auch schon mal weitere Schritte ergreifen, vielleicht die Eltern mit einbeziehen oder irgendwelche psychologischen Hilfestellungen in Anspruch nehmen für die Beratungssuchenden?
Lea Römer: Ja, es ist tatsächlich so, dass wir uns nicht in der Rolle sehen, mit den Eltern in Kontakt zu treten, sondern wir versuchen wirklich, die Jugendlichen erst mal zu unterstützen und zu stärken und ihnen anzuraten, was als nächstes zu tun ist. Aber es gibt tatsächlich auch Fälle, wo wir dann merken, das wird vielleicht zu schwierig für die jugendlichen Beraterinnen und Berater und dann übernehmen eben unsere erwachsenen Psychologinnen und Psychologen, die eben ganz wichtig auch sind für die Unterstützung der jugendlichen Scouts, die da auch mit dabei sind. Gerade in der Messenger-Beratung, also in der WhatsApp Beratung, stehen die eben auch beratend zur Seite.
Und dann wären eben unsere nächsten Schritte zu sagen: Okay, das übersteigt jetzt die Aufgaben von JUUUPORT und wir verweisen dann an andere Beratungsstellen, Fachberatungsstellen, die dann eben übernehmen. Deswegen sind wir auch in Kontakt mit verschiedenen anderen Kooperationspartnern mit den wir gut vernetzt sind. Und diese Verbindung ist natürlich dann auch sehr hilfreich, wenn es bestimmte Fälle gibt, die eben unseren Rahmen übersteigen.
MEDIEN360G: Gab es denn auch schon Fälle, die ihr eben nicht lösen konntet? Und wie geht man damit um, dann auch mit den Scouts?
Lea Römer: Was eher mal vorkommt ist, dass dann wirklich schon Anfragen reinkommen, wo man merkt: Da ist Gefahr im Verzug. Also, da ist Selbstverletzung ein Thema und da sind dann eben gleich unsere Psychologinnen und Psychologen am Drücker, sage ich mal, und die übernehmen diese Anfrage und können dann entsprechend darauf reagieren. Das ist dann schon mal eher der Fall. Aber wenn, ich sag mal, eine normale Anfrage reinkommt, die unsere Scouts bearbeiten und beantworten, da sind die Tipps soweit immer hilfreich gewesen. Und wie gesagt, meistens hilft es sogar einfach zu zeigen: Wir sind da, wir hören dir zu. Und damit ist vielen schon wirklich geholfen.
MEDIEN360G: Und wie ist das in der Ausbildung der Scouts? Wird denen auch Handwerkszeug beigebracht? Gibt es da irgendwie Workshops regelmäßig oder Fortbildungen?
Lea Römer: Ja, also erst mal haben wir eine Grundausbildung. Das ist quasi für jeden Scout verpflichtend. Da werden dann die Basics vermittelt. Zum einen natürlich: Wie funktioniert überhaupt unsere Online Beratung? Was ist bei einer Onlineberatung wichtig? Und dann wird auch so ein Beratungs-Training angeboten. Und natürlich gibt es auch eine Einführung in verschiedene Themen: Also, was sind eigentlich unsere Themen und was bieten wir für eine Beratung an? Und dann gibt es vertiefende Ausbildungen oder Weiterbildungen vor Ort, auch in Hannover. Und genau da kommen dann auch unsere Psychologinnen und Psychologen mal dazu und gehen auch darauf ein, wie man mit Ratsuchenden Gespräche führen kann, was man im Speziellen noch beachten kann. Und da werden dann auch mal aktuelle Fälle besprochen und bestimmte Themen noch mal nachgearbeitet, die vielleicht in bestimmten Beratungsgespräch noch aufgekommen sind.
MEDIEN360G: So, ich würde jetzt auch gerne noch mal über das Thema Cybermobbing konkret sprechen. Viele, ich glaube zu viele, tun es auch so ein bisschen als Hänseleien ab. Wo liegt denn da auch konkret der Unterschied? Was macht Mobbing oder Cybermobbing eben spezieller im Vergleich zur Hänselei?
Lea Römer: Ja, also erst mal definieren wir Cybermobbing so, dass es schon anfangen kann mit dem bewussten Ausschluss aus bestimmten Gruppen. Es gibt ja typischerweise die WhatsApp-Klassen-Chats zum Beispiel. Wenn da ganz bewusst jemand nicht mit eingeladen wird, dann geht das schon los, diese bewusste Ausgrenzung. Wir definieren Cybermobbing dann aber klassischerweise so, dass ein bewusstes Beleidigen, Bedrohen, Verleumden, Lustigmachen über einen längeren Zeitraum hinweg – und das eben online natürlich. Man muss dazu sagen, dass Cybermobbing sehr, sehr oft oder in den meisten Fällen aber zusammenhängt mit Mobbing offline, sozusagen. Also die Jugendlichen kennen sich meistens aus dem Schulkontext und das Mobbing wird dann im Grunde online weitergeführt. Und das Besondere an Cybermobbing ist natürlich, dass das rund um die Uhr passiert. Das heißt, es gibt keinen Schutzraum in dem Sinne. Früher war es vielleicht so, man wurde in der Schule gemobbt und hatte zumindest zu Hause dann diesen Schutzraum und Ruhe vor diesen Attacken. Aber sobald Jugendliche ein Smartphone haben, und das bekommen sie ja meistens schon in der Grundschule aktuell, oder viele bekommen es schon in der Grundschule. Und wenn dann eben die Eltern – jetzt kommt die Elternrolle dazu –, wenn dann nicht bewusst darauf geachtet wird: Was machen die Jugendlichen da? Wie lange sind sie am Handy? Was passiert da eigentlich? Dann kann Cybermobbing wirklich rund um die Uhr auf dieses Kind einprasseln. Und das ist eben natürlich diese große Dimension, die Cybermobbing hat. Und Nachrichten verbreiten sich rasend schnell: Wenn jetzt zum Beispiel ein Foto gemacht wurde, was ein Kind oder einen Jugendlichen in peinlicher Weise zeigt und das benutzt wird, um eben zu mobben, dann kann das natürlich an tausende, zehntausende Menschen verschickt werden, geteilt werden. Und das ist natürlich extrem belastend dann für die Betroffenen.
MEDIEN360G: Nehmen sie da auch die Eltern mehr in die Verantwortung?
Lea Römer: Ja, Eltern haben definitiv eine Verantwortung. Sie sind ja auch in gewisser Art und Weise Vorbild. Also es geht einmal auch darum, dass Eltern vielleicht auch ihre eigene Mediennutzung reflektieren an diesem Punkt – spätestens dann, wenn sie ihrem Kind was über Mediennutzung erzählen möchten, müssen Sie natürlich erst mal gucken: Wie mache ich das eigentlich? Ist das in Ordnung? Damit spreche ich vor allem Medienzeiten, also Mediennutzungszeiten an. Es sollte immer Pausen geben: Also beim Essen bitte mal Handy-Pause! Keiner sollte da vielleicht dann das Handy auf dem Tisch liegen haben. Also bewusst sagen: Wann ist Handynutzung in Ordnung und wann nicht und wie lange? Und da gibt es viele hilfreiche Tipps, auch von Kooperationsprojekten wie "klicksafe" zum Beispiel, die da ganz tolle Infos für Eltern haben. Und dann ist es natürlich so, wenn ich als Elternteil meinem Kind ein Smartphone gebe, dann muss mir auch bewusst sein, dass ich da ein Tor aufmache, durch das ich mit hindurchgehen muss. Ich muss mein Kind sozusagen mit an die Hand nehmen, gerade zu Beginn und muss erklären, dass es natürlich positive Seiten gibt: Man kann mit Freunden, mit Familie in Kontakt sein, gleichzeitig aber auch, dass da auch Risiken bestehen. Und das es Einstellungen gibt, die wichtig sind: Privatsphäre-Einstellungen und Möglichkeiten, sich selbst zu schützen, weil es genau wie in der realen Welt neben positiven Dingen auch Risiken gibt. Und Jugendliche unterscheiden eigentlich kaum noch zwischen realer Welt – so wie ich es jetzt gerade formuliert habe – und virtueller Welt, sondern das ist im Grunde ein Ganzes. Und genau da müssen Sie natürlich auch lernen: Wie gehe ich damit um?
MEDIEN360G: Nun gibt es ja keinen Tatbestand Cybermobbing. Was ist da das Problem?
Lea Römer: Das ist eine gute Frage. Vielleicht, weil es so unterschiedlich abläuft. Also Beleidigung ist natürlich greifbarer als der große Begriff Cybermobbing. Und dementsprechend ist das vielleicht gar nicht so ein Riesenproblem, würde ich jetzt sagen, weil viele Tatbestände, die mit Cybermobbing zusammenhängen, strafbar sind. Ich habe jetzt gerade Beleidigungen genannt, Verleumdungen natürlich, wenn es auch zu richtiger Gewalt kommt, ist das eine Straftat. Und es ist natürlich auch das Verbreiten von Videos und Gewaltvideos, was auch immer da gezeigt wird, strafbar. Also es ist auch das Recht am eigenen Bild, will ich noch mal nennen. Vielen ist gar nicht klar, dass ich gar nicht einfach so Videos und Fotos von anderen anfertigen oder auch verschicken darf, sondern es gilt das Recht am eigenen Bild. Und ich glaube, wenn man das auch klar kommuniziert, dann ist auch ganz klar, dass Cybermobbing nicht okay ist. Und ich glaube, man muss auch klar sagen, eigentlich ist das allen auch bewusst. Auch Jugendlichen ist bewusst, dass es nicht in Ordnung ist. Aber Mobbing gab es schon immer, Cybermobbing gibt es dementsprechend auch. Ich glaube es ist wichtig dafür zu sensibilisieren noch mal, auch in der Schule. Wir haben eben die Eltern angesprochen – die Schule ist natürlich einer der wichtigsten Orte, wo so was besprochen werden muss. Und es passiert da aus meiner Sicht noch viel, viel zu wenig. Ich habe immer das Gefühl, ich sage das ständig, aber irgendwie scheint es trotzdem immer noch mal wichtig zu sein, das auch zu betonen, dass es eigentlich, ja, wie soll ich sagen, eine verpflichtende Unterrichtseinheit – möglichst über einen langen Zeitraum, dass auch viel besprochen werden kann – für jede Schule geben sollte und dass jeder Schüler auf jeden Fall damit mal konfrontiert werden sollte, im positiven Sinne.
Ich höre aber auch immer wieder von Jugendlichen, die müssen das Gefühl haben, dass diese Lehrkräfte sich damit auch auskennen, sonst wirkt es manchmal wirklich lächerlich. Also ich höre da wirklich: Das ist dann peinlich und wird nicht ernst genommen. Also das muss natürlich dann auch gegeben sein, dass Lehrerinnen und Lehrer wirklich selber über das Thema informiert sind und dann auch entsprechend als Expertinnen vor Jugendlichen fungieren können.
MEDIEN360G: Sie bieten ja auch Seminare an. Machen Sie das auch in Schulen, oder kriegen Sie auch Anfragen von Schulen?
Lea Römer: Wir bekommen sogar sehr viele Anfragen und merken, dass da ein unheimlicher Bedarf ist von Schulen, sich dem Thema anzunehmen. Das ist ja schon mal sehr positiv. Also jede Schule hat mit diesem Thema zwangsläufig zu tun, wenn Lehrerinnen und Lehrer hinschauen, was unter Jugendlichen passiert. An manchen Schulen ist das viel präsenter als an anderen, aber jede Schule kennt das Thema. Und natürlich ist es wichtig, was zu tun. Und deswegen freuen wir uns, dass da die Anfragen auch so groß sind und so hoch sind. Das ist natürlich eigentlich nicht unsere Kernaufgabe, deswegen müssen wir auch immer schauen, inwieweit können wir den ganzen Anfragen überhaupt gerecht werden. Gleichzeitig können sich Schulen eben bei uns melden und so ein Online-Seminar buchen. Und wir bieten das zu verschiedenen Themen an. Das sind die Kernthemen aus unserer Sicht: eben Cybermobbing, Cyber Grooming, Mediensucht, Hass im Netz, Fake News und so weiter. Also da bieten wir auf jeden Fall was an.
MEDIEN360G: Hat sich schon mal ein Täter bei Ihnen gemeldet?
Lea Römer: Nein, das haben wir tatsächlich noch nicht gehabt. Was man manchmal so raushört, dass Jugendliche selber auch sagen: Ich habe auch schon mal was mitgekriegt. Oder: Ich habe vielleicht auch schon mal Gewaltvideos verschickt. Oder sonst was. Und ich finde es auch in gewissem Sinne: Das ist normal und es wäre auch wirklich eine falsche Vorstellung von: Wie sollen sich Jugendliche verhalten, wenn man immer denkt, jeder macht alles richtig? Ich glaube, das kennt man vielleicht auch aus der eigenen Jugend, dass man mal Fehler macht. Und das es auch vielleicht dazugehört, um dann aber auch irgendwann zu reflektieren: Das ist vielleicht nicht in Ordnung. Und dann auch diese Motivation zu haben: Ich möchte anderen helfen oder ich möchte anderen zeigen, wie es richtig geht, weil ich hätte es auch gern gewusst oder so. Und das finde ich eben auch das Gute daran.
MEDIEN360G: Wenn ich gemobbt werde und eine Anzeige wegen Beleidigung stellen will: Was ist dabei wichtig aufzuheben oder aufzubewahren? Gerade Verläufe etc.? Oder sollte ich Tagebuch führen? Auch wenn es sich dann mit dem realen Leben, mit der Schule zum Beispiel, verknüpft? Was ist wichtig da mit einzureichen?
Lea Römer: Also es ist erst mal wichtig, sich frühzeitig auch Unterstützung zu holen, damit man auch emotional nicht alleine bleibt. Und wenn man den Schritt zur Polizei machen möchte, dann sollte man, genau wie Sie es gesagt haben, Verläufe dokumentieren. Also: Was wird da über mich verbreitet? Was wird vielleicht verschickt? Werden vielleicht irgendwelche Fotomontagen erstellt? Und damit man eben Beweise an der Hand hat und dann auch zeigen kann, was da im Netz passiert. Weil wir sagen immer wieder: Es muss klar sein, das Internet ist kein rechtsfreier Raum, nur weil man da oft anonym agieren kann und vielleicht nicht, in Anführungszeichen, gesehen wird. Ich kann mir ja auch ein Fake Profil anlegen und mich "Werner" nennen und überhaupt als jemand ganz anderes erscheinen. Und da haben dann manche das Gefühl: Wenn das geht, dann bin ich ja irgendwie unsichtbar und kann machen, was ich will. Und das ist eben nicht der Fall, sondern die Polizei hat auch gerade diese Straftaten im Netz zum Glück immer mehr auf dem Schirm.
Es gibt auch viele junge Polizistinnen und Polizisten, mit denen wir auch in Kontakt stehen, wo man auch sich Gedanken macht, wie kann auch die Polizei online vielleicht noch präsenter werden und auch für Jugendliche ansprechbar werden. Dass da auch dieses Bewusstsein, dass im Internet nicht einfach alles getan werden kann, was man möchte, auch noch breiter wird?
MEDIEN360G: Die letzte Frage: Was wünschen Sie sich für Ihre Organisation in den nächsten Jahren? Denn es scheint ja weiter zu wachsen bei JUUUPORT.
Lea Römer: Ich würde mir wünschen, dass diese gesellschaftlichen Diskussionen und Empörungen, die es zum Teil ja gibt, über bestimmte Fälle im Netz und Cybermobbing – jeder weiß, dass das nicht in Ordnung ist und dass da so viel passiert. Ich würde mir einfach wünschen, dass das – es ist schon eigentlich in den Köpfen –, aber dass dem jetzt auch Taten folgen. Weil man fühlt sich als gemeinnütziger Verein – also man kämpft gegen Windmühlen und würde sich da zum Teil auch wirklich mehr Unterstützung, staatliche Unterstützung, wünschen in die Projekte und Vereine, die da ihre Expertise haben und diese gerne weitergeben. Aber, dass es vielleicht wirklich dann auch, wie ich es eben beschrieben habe, eine Art Verpflichtung gibt für Schulen, für bestimmte Unterrichtseinheiten, dass jede Jugendliche, jeder Jugendliche weiß: Wo finde ich denn Hilfe, wenn ich Probleme im Netz habe. Und noch viel besser: Wie kann ich überhaupt diese Probleme umgehen? Also Prävention viel stärker zu unterstützen – das wäre mein Wunsch.
MEDIEN360G: Das war noch mal eine schöne Einschätzung. Und ein schönes Statement von Ihnen, Lea Römer! Ich danke Ihnen vielmals für dieses tolle und wirklich auch ausführliche Gespräch!