Web 2.0 Was ist Cybermobbing?
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30. Juni 2023, 15:19 Uhr
Wer verstehen will, welche Ausmaße Cybermobbing für Opfer, aber auch für Täter und Täterinnen annehmen kann, der findet Antworten in dem Extremfall "Drachenlord" um den Ex-Youtuber Rainer Winkler. Jahrelang schikanierten ihn seine Peiniger – erst virtuell, dann in der realen Welt. Bis heute wird er verfolgt.
Mobbing gab es schon immer. Durch das Web und die Sozialen Medien aber hat es längst schon eine erweiterte Dimension erreicht – das sogenannte Cybermobbing. Dabei wird eine Person über einen längeren Zeitraum hinweg beleidigt, bedroht, bloßgestellt oder belästigt. Oft schließen sich dazu mehrere Täter und Täterinnen zusammen. Bei Winkler waren es Tausende. Sie machten sich über seine Figur, sein Aussehen und seinen fränkischen Dialekt lustig. Die meisten Cybermobbing-Angriffe ereignen sich über Instant-Messenger-Dienste wie WhatsApp und soziale Netzwerke im engeren Sinne, zum Beispiel Facebook. Auch in Chaträumen, Foren und via E-Mail kommt es zu Vorfällen.
Cybermobbing ist ein Phänomen, das sich vor allem unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen abspielt. Eine im vergangenen Jahr veröffentlichte Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing zeigt, dass Schülerinnen und Schüler besonders häufig von Mobbingattacken betroffen sind – 38,1 Prozent. 2020 waren es noch 37,6 Prozent. Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen.
Nicht zu verwechseln sind Cybermobbing und Hate Speech, zu Deutsch: Hassrede. Obwohl die Grenzen fließend sind, Hatespeech typische Elemente von Cybermobbing enthält, sind davon vor allem Minderheiten oder marginalisierte Menschengruppen betroffen. Das Ziel ist, sie herabzusetzen, sozial zu unterdrücken und zum Schweigen zu bringen, sie aus dem öffentlichen Diskurs zu drängen. Hate Speech fußt also auf der Intoleranz gegenüber Andersaussehenden und Andersdenkenden. Es geht um Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Sexismus oder Homophobie.
"In der realen Welt kann ich davor flüchten."
Dass sich Mobbing zunehmend in die virtuelle Welt verlagert, liegt in der Anonymität des Internets, finden die für die Studie befragten Eltern. Polizeikommissarin Tracy Hering von der Dienststelle Magdeburg bestätigt das. "Man fühlt sich im Internet freier, man kann dort eher Dinge sagen, die man sich in einer Schule oder in einem Verein nicht trauen würde zu sagen", erklärt sie. Den größten Unterschied, den sie zwischen Mobbing in der tatsächlichen Realität und im Internet sieht? "In der realen Welt kann ich davor flüchten." Menschen würden aus verschiedenen Gründen Opfer, so Hering weiter. Religion, Hautfarbe, Status oder einfach, weil man anders aussehe als die große breite Masse – das könnten Gründe sein. Den typischen Cybermobber oder die typische Cybermobberin gebe es nicht. "Je nachdem, was der Anhaltspunkt des Mobbings ist, danach klassifiziert sich auch der Täter", sagt sie.
Zieht man die Studie zurate, gehen die Mobbingmotive überwiegend auf persönliche Differenzen und Konflikte mit den Betroffenen zurück. Es einer bestimmten Person heimzuzahlen, weil man von ihr einst selbst schikaniert wurde, zählt ebenfalls dazu. Das ist eng mit jenem erlernten Verhalten verbunden, wonach Opfer später zu Tätern werden können. Zumindest gaben fast 20 Prozent der Cybermobbing-Tyrannen und -Tyranninnen an, früher einmal Opfer gewesen zu sein. Daraus kann ein Leid entstehen, das sich durch die Gesellschaft zieht.
Oft geht es beim Mobben um Anerkennung, Machtausübung und ein Gefühl von Zusammengehörigkeit, wie die Medienpädagogin Marie-Kristin Hess von der Thüringer Landesmedienanstalt berichtet. Die Opfer litten sehr darunter und zeigten "ganz verschiedene Symptome", reagierten etwa mit Appetit- und Antriebslosigkeit oder Rückzug aus dem sozialen Umfeld. Viele würden außerdem die Freude an angenehmen Erlebnissen verlieren.
Medienfachleute lehren Schutzstrategien
Damit es gar nicht erst so weit kommt, ist Hess mit ihrem Team unterwegs an Schulen und Kitas und arbeitet dort mit Lehrkräften sowie Erzieherinnen und Erziehern an Medienbildungsprojekten. Den Schülerinnen und Schülern zeigt sie drei Wege auf, um mit Mobbing im Netz umzugehen: sich wehren, davor davonlaufen und den Kopf in den Sand stecken. Danach wird zusammen diskutiert, welche Strategie die richtige ist. "Eigentlich ist das eine Mischung aus allen dreien", bemerkt die Pädagogin. Wann immer Workshops und Projekte zum Thema Cybermobbing stattfinden, geht es ganz viel um das Thema Empathie. "In jemand anderen hineinfühlen und darüber nachdenken, was es mit mir machen würde, wenn mir das passiert, kann schon ganz viel bewirken."
Kindern und Jugendlichen sagen wir immer: Überlege, ob du möchtest, dass deine Großeltern sehen können, was du postest.
Die Polizei hat zwei Lösungen anzubieten: Den präventiven Weg, wo mit dem Opfer gesprochen wird, und den repressiven Weg, der die Tat zur Anzeige bringt. Tracy Hering mahnt zur Vorsicht, nicht zu viele Informationen über sich in den sozialen Medien preiszugeben. "Wenn ich das bedenke, dann habe ich da schon mal einen Vorteil und kann ein bisschen anonym bleiben", meint sie. Selbstreflexion als Mittel der Prävention also. Hess setzt dazu in ihren Seminaren auf die Omas und Opas der Schützlinge: "Kindern und Jugendlichen sagen wir immer: Überlege, ob du möchtest, dass deine Großeltern sehen können, was du postest."