Ein stilisierter Globus. Eine Lupe schwebt darüber und vergrößert die Symbole für Frau, Mann und Transmensch.
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Die Gender-Debatte im Ausland Andere Sprachen, ähnliche Diskussionen

14. Januar 2022, 16:53 Uhr

Das generische Maskulinum als alleinige Bezeichnung von Menschen mit unterschiedlichen Geschlechtern ist nicht nur in Deutschland bedroht. Ähnliche Debatten toben auch in Frankreich, Polen, Russland und Japan.

In Studien zur Wahrnehmung von Rollenbildern kommt regelmäßig heraus, dass Sprache das Denken beeinflusst: Phrasen wie "Geh mal lieber zum Arzt!" sorgen dafür, dass der helfende Mensch im weißen Kittel seit Jahrzehnten zuallererst als Mann gedacht wird. Ärztinnen haben dadurch zuweilen unter fehlendem Vertrauen zu leiden – ihnen wird weniger zugetraut. Beim Versuch, diese Wahrnehmungen anzupassen, führt der Diskurs um "gendergerechte" oder "gegenderte", inklusive Sprache in Wort und Schrift hierzulande seit Jahren zu heißen Debatten. Und das ist in vielen Ländern und Sprachen ähnlich.

Frankreich: Streit um Mediopunkte

Der französische Bildungsminister Jean-Michel Blanquer hat im Mai dieses Jahres verboten, Worte aus Gendergründen anders zu schreiben, als es die ursprünglichen Rechtschreibregeln vorsehen. In Frankreich mag man es komplexer als im Deutschen, wo meist ein Schriftzeichen wie der Doppelpunkt, das "Binnen-I" oder das Sternchen reichten, um eine zweite, weibliche Endung an ein Substantiv zu hängen (Politiker:innen). Die in Frankreich so genannte "inklusive Schreibweise" kann dagegen durch zwei Punkte an verschiedenen Stellen repräsentiert werden (député.e.s). Eigentlich sollte sich dieser so genannten "Mediopunkt" sogar genau in der Mitte der Zeile befinden – was viele Tastaturen, auch diese hier, schnell überfordert.

Diese Art der Schriftsprache sei ohnehin zu schwer zu vermitteln, sagte Blanquer, und führe bei Lernenden zur Verwirrung. Die Diskussion in Frankreich ist damit selbstredend längst nicht zu Ende – unter anderem Bildungsgewerkschaften werfen der Regierung Rückständigkeit vor, und nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts "Harris Interactive" sind drei Viertel der Franzosen und Französinnen für eine bessere Sichtbarkeit von Frauen in der Schriftsprache. Selbst unter den Regierenden herrscht Uneinigkeit: Auch wenn er das Gesetz des Bildungsministeriums unterstützt, bemüht sich Präsident Emmanuel Macron mit Formulierungen wie "chacun et chacune", "jeder und jede" darum, tatsächlich alle Bürgerinnen und Bürger anzusprechen. Und einige seiner Ministerinnen twittern und schreiben regelmäßig in der verpönten, "inklusiven" Form.

Polen: Die Kirche lehnt Gendern ab

Im Polnischen mit seinem extrem komplexen Genus-System ist die Sache noch viel kniffliger: Das Geschlecht des Substantivs verändert nicht nur seine Endung, sondern unter anderem auch die Endungen der untergeordneten Adjektive und die Verbformen. Wie im Deutschen, wird in Polen zudem traditionell das generische Maskulinum für geschlechtsdifferenzierte Gruppen benutzt, etwa "Ärzte" für eine Schar von 999 Ärztinnen und einem Arzt. Sogenannte "feminative Derivate", also die weiblichen Bezeichnungen etwa für einen Beruf, die wie im Deutschen oft durch das Anfügen eines Suffixes, gebildet werden (Lehrer/in), sind je nach Sozialstatus unterschiedlich gebräuchlich: Die Lehrerin ("nauczycielka") wird vom Lehrer ("nauczyciel") abgeleitet, aber die Ministerin ist die "Frau Minister" ("pani minister"), die Direktorin die "Frau Direktor" ("pani dyrektor") – je höher der Status, desto seltener sind eigene weibliche Bezeichnungen. Auch die traditionell starke katholische Kirche ist – bis auf neuerdings wenige Ausnahmen – gegen das Gendern, und verurteilt die "Krankheit Gender-Ideologie".

Ein Politiker steht vor Mikrofonen, lächelt in die Kamera und reckt beide Daumen nach oben. Das Foto hat mehrere digitale Bildfehler.
Eine überwältigende Mehrheit der Deutschen meint, Desinformation gefährde die Demokratie. Manche Experten halten die Angst vor Fake News für übertrieben. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Panthermedia

Doch selbst in Polen wächst die Gruppe der Menschen, die trotz der grammatikalischen Komplexität eine geschlechtergerechte Sprache fordern – entgegen der Haltung der konservativen Regierung und der regierungsnahen Presse und Öffentlichkeit. Im liberalen Warschau gendert zum Beispiel sogar die Stadtverwaltung, und einige kritische Zeitungen beginnen damit, zumindest manchmal die eine oder die andere Form zu benutzen. Formen wie der Unterstrich werden nur in wenigen Nischenbereichen akzeptiert.

Russland: Verkleinerung ist weiblich

Auch die russische Sprache beschreibt die "höheren" Berufe ausschließlich mit männlichen Bezeichnungen: Eine "Ärztin" gibt es nicht. Das Suffix "ka", das in den meisten slawischen Sprachen zum Beispiel an Namen gehängt wird, um das Geschlecht der Namensträgerin anklingen zu lassen, wäre zwar auch eine Möglichkeit für Berufe. Doch "ka" ist gleichzeitig auch eine Diminutiv-, also Verkleinerungsform. Und möchte man sich wirklich von einem "Ärztchen" untersuchen lassen?

Finnland und Schweden: Hen ist müde

Die Bewohnerinnen und Bewohner Finnlands sind im Thema schon recht weit: Finnen und Finninnen benutzen das geschlechtsneutrale Pronomen "hän" – es bedeutet "sie", "er", "es" und alles dazwischen. Allerdings hat die finnische Sprache es eh leichter, weil sie generell kein grammatikalisches Geschlecht kennt. Auch in Schweden wurde im Jahr 2015 das Pronomen "hen" offiziell eingeführt, es hatte sich bereits ein paar Jahre als geschlechtsneutrales Hybrid aus "han" (er) und "hon" (sie) eingebürgert.

Der Unterschied zum deutschen sogenannten Indefinitpronomen "man" besteht darin, dass "hen" und "hän" auch als Personalpronomen benutzt werden können, also auf vorher benutzte Individuen hinweisen können, ohne deren Geschlecht festzulegen. Etwa so: "Kai ist müde, (hen) hat zu wenig geschlafen". Die Nutzung dieses Pronomens ist den Menschen in Schweden mittlerweile sehr geläufig, und wird kaum noch diskutiert.

Japan: Nur wenige weibliche Berufsbezeichnungen

Die japanische Sprache kennt ebenfalls kein grammatikalisches Geschlecht, sondern gibt diese Information durch angehängte Prä- oder Suffixe für Mann oder Frau. Daraus auf eine grundsätzlich gleichberechtigte Gesellschaft zu schließen, wird allerdings schwierig: Die wenigen klar weiblichen Berufsbezeichnungen meinen meist traditionell von Frauen ausgeführte, karitative und schlecht bezahlte Tätigkeiten wie Krankenschwester oder Hebamme.

Spanien: Das geschlechtsneutrale @

Sehr viele Gedanken machen sich momentan spanischsprechende und -schreibende Menschen auf der ganzen Welt, denn ihre Sprache kennt klare Gender-Unterschiede, und ein einziger Mann in einer Gruppe zaubert, wie im Deutschen, alle Anwesenden generisch maskulin. Die Idee, aus dem geschlechtsdefinierenden Vokalen "a" und "o" ein "@"-Zeichen zu machen, scheiterte bislang beim Sprechen. Ähnlich wie die Deutschen bei den Bezeichnungen für "Studierende" oder "Lehrende" gibt es darüber hinaus aber die Möglichkeit, neue Pluralformen zu benutzen: "amigues" statt "amigos" oder "amigas".

Englischsprachige Länder: Keep calm and gender on

Pronomen heißen schon einmal "s/he", immer öfter sieht man auch das singuläre, altenglische "they". Und wenn der Brite eine Ärztin konsultiert, dann geht es zum "doctor". Egal, ob Gynäkologin oder Urologe: In der englischen Sprache können viele Nomen geschlechtsneutral benutzt werden. Bei anderen Berufsbezeichnungen bleiben die Briten oder Amerikanerinnen ebenfalls relaxed und tauschen geschlechtsspezifische Merkmale klammheimlich und sukzessiv aus: Statt der "Stewardess" erklärt einem der "flight attendant" die Sicherheitsgurte; wenn es brennt, kommt hoffentlich ein "firefighter" und nicht notwendigerweise ein "fireman". Und das Wichtigste: Drinks kann man nicht nur beim "Barman" bestellen, sondern ebenso gut beim "Bartender".

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