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Interessenvertretung im politischen System Wie hat sich Populismus im Laufe der Zeit entwickelt?

01. August 2022, 14:26 Uhr

In einer alten Ausgabe des Rechtschreib-Duden von 1958 stehen Begriffe wie "populär", "Popularisierung" und "Popularität". Von "Populismus" findet sich dagegen keine Spur. Der Begriff wurde erst 1980 überhaupt aufgenommen. Doch natürlich gibt es Populismus nicht erst seit gut 40 Jahren. Der Begriff hat aber viele Veränderungen hinter sich, bis er bei seiner heutigen, eher negativen Bedeutung ankam. MDR MEDIEN360G begibt sich auf eine kleine Zeitreise und Spurensuche.

Nach der heutigen Definition des Duden ist Populismus eine "von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft demagogische Politik". Und die habe das Ziel, "durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen zu gewinnen", um so zum Beispiel Wahlen zu gewinnen oder die politische Stimmung für sich einzunehmen. Damit ist der Begriff Populismus heute klar negativ geprägt. Opportunismus und Demagogie sind schließlich keine besonders schönen Eigenschaften.

Populismus war früher positiv besetzt

Am Anfang war das ganz anders. Noch im 18. Jahrhundert war der Begriff Populismus deutlich positiver besetzt und bedeutete eine politische Bewegung, die sich der Demokratie und dem Volkswillen verschrieben hatte. Ursprüngliches Ziel war, die Interessen der Mehrheit gegen die nicht demokratisch gewählten Herrschenden durchzusetzen. Es ging um die Interessen und Rechte der einfachen Menschen, denn die waren immer noch in fast allen Ländern und Gesellschaften von der politischen Teilhabe ausgeschlossen. Das Sagen hatten Adelige sowie der Klerus. Zwar hatte schon die Magna Charta, die "große Urkunde der Freiheiten", 1215 in England bestimmte Rechte des Königs beschnitten und damit seine Macht eingeschränkt. Aber nicht zugunsten der Normalbevölkerung, sondern nur zum Vorteil anderer Adeliger, die mit dem Königshaus aneinandergeraten waren und sich schließlich durchsetzen konnten.

Volkswille und Volksregierung

Der französische Philosoph Jean-Jacques Rousseau nutzte schon Mitte des 18. Jahrhunderts in seiner Demokratietheorie den Begriff der volonté générale und meinte damit den auf das Gemeinwohl hin orientierten Volkswillen. Populismus bedeutete so auch noch im 19. Jahrhundert "volkstümlich", natürlich nicht im Sinne von Heimatabend und Trachtenverein. Populismus stand vielmehr für etwas, was dem Volk verständlich und für das Volk bestimmt war.

In so weit waren die Unabhängigkeitserklärung von 1776 und die damit erfolgte Gründung der USA sowie die Französische Revolution 1792 klar populistische Bewegungen. Erstmals ging hier die politische Gewalt vom Volk aus. Der US-Präsident Abraham Lincoln sprach in seiner berühmten Rede während des US-Bürgerkriegs in Gettysburg 1863 ("Gettysburg Address") von der "Regierung des Volkes, für das Volk und durch das Volk". Und mit Volk waren dieses Mal (fast) alle gemeint. Genauer gesagt: Die politische Mitbestimmung galt zunächst nur für Männer. In Deutschland erhielten Frauen erst 1918, in den USA 1920, in Großbritannien 1928 und in Frankreich sogar erst 1944 das uneingeschränkte Wahlrecht auf nationaler Ebene.

Populist Party in den USA

In den USA wurde 1891 die Populist Party begründet, die zwar nur bis 1908 existierte, den Begriff Populismus aber fest auf der politischen Bühne verankerte. Ihr ging es um die Vertretung der Menschen, die mit den beiden anderen großen Parteien der USA, den Demokraten und Republikanern, nichts anfangen konnten. Nachdem besonders die Demokraten viele Forderungen der vor allem von Farmern gewählten Populist Party in ihr Programm aufgenommen hatten, löste sich die Partei 1908 wieder auf.

Dieses Beispiel zeigt gut, dass es sich beim Populismus im heutigen Sinne nicht um eine ganz eigene, grundständige politische Ideologie oder Richtung handelt. Vielmehr lassen sich unterschiedliche politische Ziele mit den Methoden des Populismus verfolgen. Daher ist Populismus eher eine Strategie, eigene Überzeugungen, politische Ziele oder Handlungen durchzusetzen bzw. dafür politische Mehrheiten zu beschaffen. Als diskursive Strategie kann dieser Populismus also mit ganz unterschiedlichen Inhalten befüllt werden.

Störung der Demokratie

Problematisch wird es, wenn dabei Tatsachen verzerrt oder verkürzt dargestellt werden. Oder unter Berufung auf den angeblichen Volkswillen schnell vollendete Tatsachen ohne Rücksicht auf die im normalen politischen Prozess geltenden Spielregeln geschaffen werden sollen. "Um sich zu rechtfertigen und zu legitimieren, appelliert der Populismus direkt an die breite Masse, ohne auf die politische Gewaltenteilung ('Checks and Balances') oder die Rechte von Minderheiten Rücksicht zu nehmen", heißt es dazu in der 1995 erschienen US-"Encyclopedia of Democracy". 

Der amerikanische Politikwissenschaftler Marc F. Plattner bezeichnete Populismus daher schon vor rund zehn Jahren als "demokratische Störung", da er sich gegen kulturelle, sprachliche, religiöse oder ethnische Minderheiten wende. "Zum Populismus gehört meistens die Idee von der Volksgemeinschaft und eine Ablehnung von Migrantinnen und Migranten. Das Volk wird als einheitliche Gruppe begriffen - sowohl kulturell wie wirtschaftlich." Und wer davon abweiche, so Plattner, werde eher als Gegner gesehen.

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