Rezension Familienkampf und bedingungslose Liebe: "Roméo et Juliette" am Theater Nordhausen
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29. Januar 2024, 15:41 Uhr
Keine opera comique wie Bizets "Carmen", keine grand opera wie in den Opern von Giacomo Meyerbeer, sondern etwas Neues, eine opera lyrique, eine lyrische Oper ist Charles Gounods 1867 uraufgeführte Oper nach dem wohl berühmtesten Liebespaar der Welt "Roméo et Juliette", Romeo und Julia. Diesem Liebespaar hat das Theater Nordhausen in der aktuellen Spielzeit einen Schwerpunkt gewidmet. Bernhard Doppler hat die Premiere besucht.
Einem Liebespaar hat das Theater Nordhausen in der Spielzeit 2023/24 einen Schwerpunkt gewidmet: Romeo und Julia werden unter anderem in einer Filmreihe, einer Orchesterwerkstatt und natürlich auch in William Shakespeares Schauspiel, das ab März in Nordhausen in einer Produktion des Partnertheaters Rudolstadt gezeigt wird, geehrt.
Im Mittelpunkt steht aber die Produktion von Charles Gounods 1867 uraufgeführter opera lyrique, "Roméo et Juliette". In Zeiten von Kriegen und sich zuspitzenden politischen Polarisierungen sind die privaten Schwierigkeiten und Probleme dieses Paars aus dem Verona des 16. Jahrhunderts, das zwei tödlich verfeindeten Clans angehört, aber dennoch in gegenseitiger bedingungsloser Liebe entflammt bleibt, durchaus wieder aktuell.
Der Kampf der Clans in filmischen Cuts
Bühne und Kostüme (Bernhard Burchhardt) führen in die Gegenwart, zitieren dabei aber eine Filmwelt, ein Eindruck, der durch die Raumanordnung im "Theater im Anbau", der Behelfsspielstätte während der Renovierung, verstärkt wird.
Während das Orchester hinter der Bühne Platz genommen hat und die Musik eingespielt wird, schließt Regisseur Benjamin Prins wie bei Cuts im Film den Vorhang immer wieder für neue Bilder, um den Ablauf der "Katastrophe des Liebespaares" zu erzählen. Das Nordhäuser Ensemble agiert dabei mit großer, trotz aller Tragik komödiantischer Spielfreude, vor allem Vater Capulet als Mafia-Boss oder Bruder Laurent, an den sich Roméo und Juliette wenden. Er ist weniger Priester, sondern ein in der Szene anerkannter langhaariger Freak.
Bisweilen wird man Leonard Bernsteins Romeo und Julia Musical "West Side Story" erinnert, zumal die Kampfszenen zwischen den Clans effektvoll vom Kampfchoreografen Cédric Brahmi (Künstlername: "Mister Puma") einstudiert wurden. Die Familie Capulet – so akzentuiert Bernhard Prins Inszenierung – ist dabei der beherrschende konservative Clan, während Roméo Montaigu mit seinen Freunden sich als verwaistes Einzelkind zu behaupten hat.
Betörung durch Liebe auf den ersten Blick
Zunächst muss man sich zwar an die Einspielung des abseits postierten Orchesters ein wenig gewöhnen, doch immer mehr verfällt man dem berührenden Sog von Gounods Opera und dem Loh-Orchester Sondershausen unter Pavel Baleff, dem die Inszenierung in den Zwischenspielen viel Platz lässt. Die Musiker werden dann bisweilen auf den Vorhang projiziert.
"Roméo et Juliette" hatte Gounod eine "opera lyrique" genannt und damit im Gegensatz zur bis dahin vorherrschenden "grand opera" beziehungsweise "opera comique" etwas Neues geschaffen. Das Feuer, das Liebe auf den ersten Blick auslöst, ist so Zentrum des dramatischen Geschehens, zumal das junge Sängerpaar Julia Ermakova (Juliette) und Kjounghan Sea (Roméo) betören, ergreifen – jugendlich zart, aber es auch verstehen, eindrucksvoll auszubrechen.
Vom Ensemble, das allesamt den Familienmitgliedern und ihrem Personal Profil zu geben verstand, imponierte unter anderem Hub Claessens als Mafiaboss und Thomas Kohl als Bruder Laurent sowie Rina Hirayama als Romeos jugendlicher Schützling.
Standing ovations bei der Premiere für eine Aufführung, die ohne vordergründig zu aktualisieren, unmittelbar zu berühren versteht.
Die nächsten Vorstellungen 2.2., 11.2., 10.3. und 23.3., 7.4. Die Schauspielpremiere von "Romeo und Julia", eine Produktion des Partnertheaters Rudolstadt findet in Nordhausen am 13.3. statt.
Dieses Thema im Programm: MDR KLASSIK | MDR KLASSIK am Morgen | 27. Januar 2024 | 09:10 Uhr