Händel-Festspiele Halle Zeitzeugin Karin Zauft im Porträt
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30. Mai 2022, 17:06 Uhr
Karin Zauft wurde in Halle geboren und kommt früh mit Händels Musik in Berührung. Nach ihrem Studium wird sie als Dramaturgin an das Landestheater Halle engagiert. In dieser Rolle ist sie eng mit den Händel-Festspielen verwoben. Heute ist sie als Mitglied der Internationalen Händel-Gesellschaft der Tradition und Pflege um Händels Wirken und Schaffen verbunden und hält regelmäßig Vorträge im Seniorenkolleg des Händel-Hauses. Anlässlich des Jubiläums stellt MDR KLASSIK hier die Zeitzeugin vor.
Wenn Karin Zauft erzählt, strahlen ihre Augen. Die Liebe zu Händel hat sie nie verlassen. Bereits als Kind erlebt sie Opernaufführungen und die damit verbundene besondere Atmosphäre und Begeisterung, die sich in ihrer Stadt Halle verbreitet:
Ich habe im zarten Alter von zehn Jahren im Händel-Haus erstmals öffentlich Klavier spielen dürfen. Seitdem bin ich dem Haus und der gesamten Musik-Szene in Halle eng verbunden. Meine ersten Musiklehrer haben mich ganz gezielt auf diesen Weg geführt.
Realistisches Musiktheater
1948 findet das erste Händel-Fest nach dem Zweiten Weltkrieg statt, ab 1952 wird es jährlich gefeiert. Der Dirigent Horst-Tanu Margraf fordert damals eine Aufführungspraxis, wie sie wohl zu Händels Zeiten gehandhabt wurde. Er stellt einen Riesenapparat aus vier Theorben und vier Cembali zusammen und kreiert einen rauschenden, sinfonischen Klang.
Aus heutiger Sicht alles andere als original. Dennoch: die Aufführung der Oper "Poros", so Karin Zauft, sei legendär gewesen. Nicht zuletzt auch durch ein Musiktheater im Stile der damals vorherrschenden Regieschule eines Walter Felsensteins.
"Ich selbst durfte bei Felsenstein Seminare erleben. Er war eine faszinierende Persönlichkeit, dem keiner zu widersprechen wagte. Das Zauberwort war 'Realistisches Musiktheater'. Man versuchte, die überlieferte Grundstruktur des Werkes dem Publikum nahe zu bringen. Der Fabelbegriff war etwas Zentrales in der gesamten Felsenstein-Ästhetik: Eine Fabel kontinuierlich erzählen, kausal, logisch, so dass sie das heutige Publikum emotional nachvollziehen kann", erinnert sich Zauft. "Man hat dafür auch Kürzungen vorgenommen."
Somit greife man damals stark in Libretti ein. Zauft überträgt beispielsweise Texte von Floridante, Poros und Partenope ins Deutsche, kürzt – so wie damals vorgegeben – ganze Arien. Die Handlung soll nicht durch Kontemplation und Innehalten unterbrochen, sondern stetig vorangetrieben werden. Eine Haltung, die später jedoch revidiert wird.
Hoch-Kultur den Massen nahe zu bringen
In der DDR ist Kunst und Kultur ein Aushängeschild. Jede und jeder, egal welcher Herkunft, sollte Zugang dazu erhalten. Der sogenannte "Bitterfelder Weg" ebnet den Weg zu einer eigenständigen "sozialistischen Nationalkultur", angepasst an die Bedürfnisse der Arbeiterschaft. Karin Zauft erhält somit in ihrer Rolle als junge Dramaturgin den Auftrag, Händel unters Volk zu bringen.
"Ich hatte bloß einen kleinen Plattenspieler. Damit bin ich nach Leuna, nach Buna in die Pumpwerke gefahren. Die Arbeiter durften ihre Maschinen ausstellen und haben sich um mich versammelt. Ich habe ihnen über Händel erzählt und habe Musik vorgespielt. Ein gutes Beispiel von 1968: Bad Lauchstädt war ziemlich verwüstet gewesen. Die Buna-Arbeiter haben es toll saniert. Diese Arbeiter, die Bad Lauchstädt und auch das Theater wieder aufgebaut haben, mussten in die Premiere. Ob sie wollten oder nicht. Sie bekamen Freikarten. Es war ein riesen Erfolg, eine einzigartige Stimmung. Damals waren 30 Grad Hitze, die Türen wurden geöffnet und das Publikum war zu Tränen gerührt. Weil es sowas noch nicht erlebt hatte", erzählt die Zeitzeugin.
Die Händel-Festspiele werden dem Kulturplan der DDR untergeordnet. Die Künstlerinnen und Künstler, die Veranstalterinnen und Veranstalter suchen darin ihre Nischen und kleinen Freiheiten. Noch 1985, im großen Händel-Bach-Schütz-Jahr, übernimmt der damalige DDR-Staatschef Erich Honecker die Schirmherrschaft des Festjahres.
Händel als Vorbild
Zaufts ganzes Berufsleben sei von der Grundidee geprägt gewesen, das humanistisch positive Ethos von Händels Werk herauszustellen. Sie hält jedoch fest, das nicht vergessen werden dürfe, dass gerade zu DDR-Zeiten die Händel-Oper ein internationales Prestigeobjekt gewesen sei:
"Man musste also versuchen, den Rahmen, das Gleichgewicht zu wahren. Es richtetete sich immer danach, welches Händel-Bild gerade lebte: Händel der Aufklärer, Händel der Humanist, Händel, der Freude und Friede und Freundschaft in den Mittelpunkt stellt. Man war bemüht, diese positiven Eigenschaften herauszustellen. Ich denke, man tat Händel und auch seiner Musik damit nicht weh."
Händels Musik wird nun schon seit mehr als 300 Jahren gespielt. Dabei bleibt sie trotz aller politischen Strömungen und Einordnungen, denen sie immer wieder unterworfen wurde, unabhängig und unberührt. Nach Halle kommen jedes Jahr die Besucherinnen und Besucher aus aller Welt, um ihren Händel zu feiern.
Dieses Thema im Programm: MDR KLASSIK | MDR KLASSIK am Morgen | 31. Mai 2022 | 09:10 Uhr