Microfarming Marktgärtnerei: Viel Gemüse auf kleiner Fläche

syn. Marktgärtnerei, Market Gardening, Microfarming

13. September 2024, 18:05 Uhr

Eigentlich ist die kleine Landwirtschaft von Ference Benke und Elise Marwitz wie ein Hobby-Gemüsegarten - nur größer. Die beiden bauen in Weimar Schöndorf Gemüse an und die Erträge sind richtig gut. Ihre Strategie: Sie gärtnern wie unsere Vorfahren, setzen die Pflanzen dicht, lassen die Beete nicht leer stehen und arbeiten viel mit den Händen.

Mangold, Möhren, Bohnen, Fenchel, bunte Bete - auf einer Fläche von 2.500 Quadratmetern wachsen bei der Gemüsebande etwa 40 verschiedene Kulturen. Ference Benke und Elise Marwitz kultivieren vor allem unkompliziertes Gemüse, das hohe Erträge abwirft. Tomaten und Paprika wachsen im Folientunnel. Auf fruchtbarem Boden können sie durch enge Pflanzabstände und clevere Kulturfolgen zwei bis vier Mal pro Jahr und Beet ernten, je nachdem, was sie anbauen.

Drohnenaufnahme Gemüsebeet von oben
Microfarming ist harte Arbeit. Hier kommen nur kleine Geräte und die Hände zum Einsatz. Bildrechte: MDR/Daniela Dufft

Die Idee der Marktgärtnerei

Die beiden Gärtner nutzen die Anbaumethode der Marktgärtnerei. Diese Form des Anbaus wird auch als Microfarming oder Market Gardening bezeichnet und ist inzwischen weltweit ein Trend. Kurz gefasst bedeutet das: Viel Gemüse wird auf kleiner Fläche unter ökologischen Bedingungen angebaut. Das Wissen dazu haben sie sich von anderen im Internet abgeschaut und das Buch des Kanadiers Jean-Martin Fortie gelesen. "Bio-Gemüse erfolgreich direktvermarkten" ist sozusagen das Nachschlagewerk mit altem Wissen zum Gemüseanbau und Tipps für die richtigen Hilfsmitteln. 

Wir wollen die Menschen in der Region mit einer großen Vielfalt an frischem, hochwertigem Gemüse versorgen.

Elise Marwitz, Gemüsegärtnerin von der Gemüsebande

So natürlich wie möglich und dennoch effektiv gärtnern - ist Elises und Ference Philosohie. "Wir wollen die Menschen in der Region mit einer großen Vielfalt an frischem, hochwertigem Gemüse versorgen. Gleichzeitig verbessern wir kontinuierlich die Bodenfruchtbarkeit, indem wir immer wieder Grünschnittkompost aufschütten und mit Mulchmaterial arbeiten, damit der Boden nicht brach liegt."

Geschichte des Market Gardening Im Randgebiet von Paris bauten Gärtner schon im 19. Jahrhundert soviel Gemüse an, dass sie die ganze Stadt versorgen konnten und das Gemüse schließlich bis nach England exportierten. Um so viel vom Feld zu holen, nutzten sie spezielle Anbaumethoden. Dieses alte Wissen hat weltweit eine Bewegung ausgelöst. Auf der ganzen Welt gärtnern Menschen nach diesem Prinzip. Zu den Pionieren gehören der Kanadier Jean-Martin Fortier, Eliot Coleman aus den USA und der Engländer Charles Dowding.

Handarbeit und kleine Geräte statt High-Tech

Damit sie irgendwann von ihrem Gemüseanbau leben können, müssen Ference und Elise effektiv sein, also viel anbauen und schnell arbeiten. Sie verzichten auf große Maschinen und Traktoren. Stattdessen arbeiten sie mit den Händen und kommen viel näher an die kleinen Pflänzchen heran. So können sie ihr Gemüse dicht pflanzen und am Ende viel mehr von einem Quadratmeter ernten, als es in der konventionellen Landwirtschaft möglich wäre.

Möhren wachsen auf einem Beet
Möhren: eng, aber nicht zu eng, gesät. Bildrechte: MDR/Daniela Dufft

Tüftler auf der ganzen Welt haben sich für diesen intensiven Gemüseanbau praktische Geräte ausgedacht. Die Werkzeuge sind klein und genau auf die Beetgrößen abgestimmt: Ference lockert vor der neuen Aussaat den Boden nur oberflächlich. Die handliche Fräse wird mit einem Akkuschrauber betrieben und ist aus Amerika. Elise nutzt eine kleine, leichte Sämaschine, die ausssieht wie ein Roller für ihre Direktsaaten. Je nach Gemüse kann sie verschiedene Säwalzen einsetzen, die die Samen im perfekten Abstand fallen lassen, damit zum Beispiel Möhren später nicht mehr vereinzelt werden müssen. Das spart Zeit.

Eine Fräse mit Akkuschrauber betrieben
Die Fräse wird mit einem Akkuschrauber betrieben und ist auf die Beetgröße abgestimmt. Bildrechte: MDR/Daniela Dufft

Der Boden ist das A und O

Die Beete haben sie mit Grünschnittkompost aufgeschüttet, weil der Boden für den Gemüseanbau eigentlich unbrauchbar war, erzählt Ference von der langen Suche nach gutem Land. "Wir gärtnern sozusagen auf kleinen Wallen über dem verdichteten, schweren Boden." Für alle Gemüsearten nutzen Ference und Elise Kleegras und Schafwollpellets als Dünger. Nur die Dosis variiert. So müssen sie nicht jedesmal neu nachdenken, welchen Dünger und wieviel die Pflanzen brauchen. Sich die Arbeit einfach machen - auch das ist Marktgärtnern.

Gute Arbeitsbedingungen schaffen

Die Beete haben eine Breite von 75 Zentimetern, die Wege dazwischen sind 45 Zentimeter breit. "Bei dieser Beetbreite ist die Bewegung für die Hände kurz. So kann ich schnell pflanzen. Bei drei Reihen Salat kann ich die äußere und die mittlere Reihe super erreichen und sogar mitten im Arbeitsgang die Beetseite wechseln mit einem Schritt", erklärt Ference Benke.

Bei dieser Beetbreite ist die Bewegung für die Hände kurz. So kann ich schnell pflanzen.

Ference Benke Gemüsegärtner

Nicht alle Microfarmer arbeiten genau wie Elise und Ference. Auch wenn die Prinzipien des Anbaus immer gleich sind, setzt dieser jeder Microfarmer nach seinen eigenen Bedürfnissen und den Bedingungen auf seinem Land um.

Feld mit vielen Gemüsebeeten
Viel Gemüse auf schmalen Beeten. So lässt es sich schnell arbeiten. Bildrechte: MDR/Daniela Dufft

Die Saison durchplanen: Wann wird was gesät?

Ganz wichtig ist auch die Planung für die sich Elise den ganzen Winter Zeit nimmt. Mit einer App spielt sie durch, was wann auf die Beete kommt. Denn ganz wichtige Regel: Ein Beet sollte nie länger als 14 Tage unbepflanzt sein. "Bevor die Saison losgeht, muss das alles gemacht werden. Was passt auf dem Beet zusammen, in welcher Reihenfolge? Wenn ich im Frühjahr Salate ernte muss klar sein, was als nächstes aufs Beet kommt", sagt die Gemüsegärtnerin.

Wenn ich im Frühjahr Salate ernte, muss klar sein, was als nächstes aufs Beet kommt.

Elise Marwitz, Gemüsegärtnerin

Der Vertrieb des Gemüses

Auch die Wege zum Kunden sind kurz. Momentan verkaufen sie ihr Gemüse auf dem Markt in Weimar und haben 85 Mitglieder, die ihre Solidarische Landwirtschaft durch Monatsbeiträge überhaupt möglich machen. Manchmal helfen die Mitglieder - auch das steckt hinter der Idee der Solidarischen Landwirtschaft, zu erfahren, woher das Gemüse kommt und wie es wächst. Die Mitglieder bekommen einmal pro Woche Gemüse direkt vom Beet, garantiert immer frisch und hochwertig. "Jeder Handgriff, den wir machen, ist sinnvoll. Es ist einfach wunderschön, wenn man seine Arbeit schmecken kann", erklärt Ference Benke seine Motivation, jeden Tag hart in seiner Marktgärtnerei zu arbeiten.

Jeder Handgriff den wir machen ist sinnvoll. Es ist einfach wunderschön, wenn man seine Arbeit schmecken kann.

Ference Benke, Gemüsegärtner

Prinzipien der Marktgärtnerei Frische und Vielfalt: Marktgärtnereien bauen viele verschiedene Gemüsearten an und verkaufen es ohne lange Transportwege in der Region.

Resourcenschonender Anbau: Kleine Flächen werden vor allem mit der Hand und kleinen Maschinen bewirtschaftet, auf chemisch-synthetische Pestizide und Mineralische Dünger wird verzichtet. Die Bodengesundheit wird gefördert und Rücksicht auf die Artenvielfalt genommen.

Kundenbindung: Kunden kennen den Betrieb und und können bei der Arbeit auf dem Feld helfen. Sie unterstützen diese Art der Landwirtschaft. Zum Beispiel durch Abos von Gemüsekisten oder durch Mitgliedsbeiträge, wenn der Betrieb eine Solidarische Landwirtschaft ist.

Quelle: MDR Garten; Ference Benke, Elise Marwitz, Gemüsebande;

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Garten | 08. September 2024 | 08:30 Uhr