Anbau von Nutzpflanzen Umweltpädagogin: "Die Sorten-Vielfalt ist lebensnotwendig"
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03. März 2019, 08:30 Uhr
Muss es wirklich Zehntausende Obst- und Gemüsesorten geben? Unbedingt, sagt die Umweltpädagogin Milana Müller. Die Nutzpflanzen-Vielfalt ist nach ihren Worten lebensnotwendig, da sie die Ernährungsgrundlage für kommende Generationen bildet. Auch Hobby- und Kleingärtner sollten dazu beitragen, alte und weniger bekannte Sorten zu erhalten.
Milana Müller arbeitet für das Umweltbildungshaus Johannishöhe in Tharandt bei Dresden. Seit rund 15 Jahren organisiert sie Tauschbörsen für Saatgut. Im Interview mit dem MDR Garten spricht die Umweltpädagogin darüber, warum eine große Vielfalt an Gemüse-, Obst- und Blumensorten so wichtig ist. Nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für Kleingartenbesitzer, Balkon- und Hobbygärtner.
Frau Müller, es gibt eine fast unvorstellbar große Zahl an Gemüse- und Obstsorten, die zum Teil in Vergessenheit geraten sind. Warum brauchen wir eine solche Vielfalt?
Diesen Sorten-Schatz haben frühere Generationen von Bauern und Gärtnern im Laufe der vergangenen Jahrtausende erarbeitet. Es ist daher einerseits ein Kulturgut, für das wir ein Stück weit die Verantwortung tragen.
In der Vielfalt der Nutzpflanzen-Sorten ist andererseits auch Geschichte und Zukunft vereint. Denn für die kommenden Generationen ist sie eine lebensnotwendige Zukunftsversicherung. Wenn wir jetzt die Vielfalt nutzen und aussäen, können wir die künftige Ernährungsgrundlage sichern.
Spielen Sie auf mögliche Klimaveränderungen an? Schon jetzt stellen sich Landwirtschaft und Gartenbau auf steigende Temperaturen, trockenere Sommer und mildere Winter um.
Wir wissen ja nicht, was in Zukunft kommt! Das können Klimawandel und Erderwärmung sein, bisher nicht bekannte Schädlinge und Pilze, die den Nutzpflanzen zu schaffen machen. Wir müssen unsere Pflanzenvielfalt weiterentwickeln, damit wir auf künftige Veränderungen reagieren können. Und dafür brauchen wir die genetische Vielfalt der unterschiedlichen Sorten. Nur so können wir auf ein großes Reservoir zurückgreifen.
Was raten Sie den vielen Menschen, die im eigenen Garten hobbymäßig Obst und Gemüse anbauen?
Zuallererst rate ich ihnen dazu, beim Anbau auf samenfeste Sorten zu achten.
Was bedeutet samenfest?
Das bedeutet, dass die Pflanzen zu Hause über Samen vermehrt werden können und dabei wieder dieselbe Sorte herauskommt. Bei Hybrid-Sorten gelingt das nicht. Diese können nach dem einmaligen Anbau zwar auch vermehrt werden, doch das Ergebnis ist ungewiss. Sie bekommen nicht die Sorte heraus, von der Sie mal das Saatgut gekauft haben.
Welche Tipps haben Sie noch?
Ich rate dazu, auch mal etwas auszuprobieren, das Sie noch nicht kennen. Und dann empfehle ich noch, bei einer Sorte zu bleiben, wenn sie den Leuten gefällt, es schmeckt und der Anbau gut geklappt hat. Flexibilität und Kontinuität im Garten, das ist ein gutes Rezept.
Wo gibt es Saatgut für alte und ungewöhnliche Nutzpflanzen-Sorten?
Zum Beispiel im Frühjahr bei Saatgut-Tauschbörsen. Dort geht es nicht nur um den Austausch von Samen, die sich bewährt haben, sondern auch um das Wissen und die Erfahrungen mit dem Anbau. Und auch um die Zubereitung und Verarbeitung der Ernte. Wenn Sie bei einer Tauschbörse Samen bekommen haben, müssen Sie diese auch nicht sofort einpflanzen. Saatgut sollte man immer kühl und trocken lagern. Dann ist es recht lange haltbar, die meisten Sorten sogar mehr als ein Jahr. Ganz wichtig ist es, das Saatgut vor Feuchtigkeit zu schützen.
Saatgut-Tauschbörsen
Bei diesen Tauschbörsen werden nicht nur Samen, sondern auch Ratschläge, Informationen zu den Pflanzen und Anbautipps ausgetauscht. Das Saatgut wird überdies nicht verkauft. Es darf aber für die Verpackung und den Aufwand gespendet werden. Bei Saatgut-Tauschbörsen sind vor allem Raritäten, alte Sorten und regionale Sorten sowie ungewöhnliche Gewächse zu finden. Ein wichtiger Vorteil ist, dass das angebotene Saatgut aus der Gegend kommt. Die Sorten sind meist bereits ans Klima und an den Boden angepasst. Außerdem sind alle Sorten samenfest. Das heißt, sie können wieder sortenecht vermehrt werden.
Termine für Tauschbörsen in der eigenen Regionen werden zum Beispiel im Internet veröffentlich: www.lebendige-vielfalt.org
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Garten | 03. März 2019 | 08:30 Uhr