Hilfe für Eichhörnchen SOS: Eichhörnchen fallen aus ihren Nestern und brauchen Hilfe
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16. Oktober 2020, 08:48 Uhr
Von März bis August bekommen Eichhörnchen Nachwuchs. In diesem Jahr fallen besonders viele Jungtiere aus ihren Nestern, sagt Jaqueline Gräfe, die in Dresden eine Eichhörnchen-Auffangstation betreut. Vielleicht werden auch nur besonders viele hilfesuchende Tiere gefunden, weil Familien in der Corona-Zeit Erholung in der Natur suchen und die Eichhörnchenbabys am Boden finden. Jaqueline Gräfe päppelt die Kleinen wieder auf.
Zuerst die Eichhörnchenmutter suchen
Jaqueline Gräfe telefoniert mit einer Hofgemeinschaft. Ein sechs Wochen altes Eichhörnchen-Baby ist aus dem Nest gefallen und wird von Krähen attackiert. Übers Telefon versucht Jaqueline Gräfe die Lage einzuschätzen. Die wichtigste Frage: Wo ist die Eichhörnchenmutter? Lebt sie, wird sie alles versuchen, ihr Kleines zurück ins Nest zu holen und in Sicherheit zu bringen. Jaqueline Gräfe zögert nicht lange, wenn sie merkt, dass sie am Telefon nicht weiterkommt. Wenn möglich fährt sie vor Ort - denn klappt die Rückführung zur Mutter nicht, wird sie das Kleine in Obhut nehmen müssen.
Eichhörnchen-Nachwuchs Ein Weibchen bringt von März bis August bis zu sechs Junge auf die Welt, die es in einem Nest im Baum – dem Kobel - drei Monate lang umsorgt und vor Feinden beschützt.
Eichhörnchen-Notruf ist erste Anlaufstelle
Jaqueline Gräfe leitet in Dresden eine Eichhörnchen-Auffangstation. Eine von 200 bundesweit. Allein in dieser Woche sind vier Tiere dazu gekommen, die Kleinsten sind noch nackt, gerade ein paar Tage alt. Auch Eichhörnchenmütter betreut sie, die vom Auto angefahren wurden oder einfach kein Futter finden, weil die Gärtner ihre Gärten zu gut aufräumen. Ihre Arbeit ist ehrenamtlich. Überall stehen Körbchen und Käfige, die mit kuscheligen Decken ausgepolstert sind.
Den Kleinen Wärme zu geben, gehört zu den Erste-Hilfe-Maßnahmen, wenn die Jungtiere gefunden werden. Wärme ist das Allerwichtigste. Für die erste Versorgung vor Ort helfen auch Handwärme, eine mit lauwarmen Wasser gefüllte Plastikflasche oder die eigene Jacke.
Was tun, wenn man ein Eichhörnchen findet?
1. Umgebung nach Muttertier absuchen.
Lebt die Mutter und ist sie in der Nähe, wird sie das Jungtier innerhalb der nächsten vier Stunden holen und versuchen, es zurück ins Nest zu bringen.
2. Umgebung nach Geschwistertieren absuchen – auch sie könnten Hilfe brauchen.
3. Das Jungtier wärmen: Am besten einen kleinen Karton mit einer Decke auspolstern und das Eichhörnchen zudecken. Kalte und verletzte Tiere holt die Mutter nicht zurück. (Rotlichtlampen schaden den Tieren)
4. Aufpassen, dass keine Katzen oder Krähen kommen.
5. Kommt die Mutter nicht zurück, das Tier mitnehmen und schnell Kontakt zum Eichhörnchen-Notruf aufnehmen. Dort werden die Tiere aufgenommen und fachgerecht versorgt.
6. Die Tiere sollten auf keinen Fall gefüttert werden oder etwas zu trinken bekommen. Sind die Eichhörnchen unterkühlt, muss erst der Kreislauf wieder in Schwung kommen, sonst ist die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme lebensgefährlich.
Sind Eichhörnchen anhänglich, brauchen sie Hilfe
Eichhörnchen haben einen natürlichen Schutzmechanismus. Haben sie ihre Mutter verloren oder fallen sie aus dem Nest und sind kräftig genug, suchen sie menschliche Nähe und machen auf sich aufmerksam. Eine Zutraulichkeit, die vielen auch Suspekt ist.
Häufig denken Spaziergänger, das Eichhörnchen ist krank, aber die Tiere suchen instinktiv nach Hilfe. Der Kontakt zu Menschen ist die einzige Chance für sie zu überleben. Ein Irrglaube ist auch, dass schwarze und graue Eichhörnchen eingewandert sind und Krankheiten übertragen. Aber eingewanderte Eichhörnchen gibt es in Deutschland nicht. Egal ob braun, rot, schwarz oder grau - alle Eichhörnchen die hier leben sind auch heimisch.
Laien können Eichhörnchen nicht aufziehen
Zum Glück nehmen nur wenige Menschen die Eichhörnchen gleich mit nach Hause und versuchen die Tiere dort aufzupäppeln, weil sie ja so süß sind. Aber die richtige Versorgung der Tiere ist ein schwerer Job, der Wissen und Erfahrung voraussetzt, erzählt Jaqueline Gräfe. Tierliebe Helfer scheitern häufig daran und kommen erst, wenn es fast zu spät ist. Die kleinsten Eichhörnchenbabys, die Jaqueline Gräfe gerettet hat, wogen gerade mal knapp 10 Gramm.
Die Nackten sind die Königsklasse. Sie müssen rund um die Uhr versorgt werden. Sie bekommen stündlich am Tag in kleinen Mengen eine Spezialnahrung und wenn nötig Medizin. Auch nachts muss ich dann alle anderthalb Stunden raus. Das ist Rundumbetreuung.
Wie Gärtner den Eichhörnchen helfen können
Das Aufräumen der Gärten nach dem Winter ist für die Eichhörnchen verhängnisvoll. Jaqueline Gräfe hat von Gärtnern gehört, die sich wundern, dass sie Nüsse im Garten finden, obwohl doch gar kein Baum da ist. Das sind die Eichhörnchen-Vorräte, die sie bis zur nächsten Nussernte im August brauchen, erklärt Gräfe. Sie appelliert an alle Gärtner, nicht zu sehr aufzuräumen, auch mal wilde Ecken für alle Tiere zu lassen. Die Eichhörnchen kommen hierher zurück, um sich zu stärken. Zusätzlich können Eichhörnchen-Futterstationen helfen, die Tiere zu versorgen. Im Sommer ist eine Wasserstelle lebenswichtig. Wasserfässer können für Eichhörnchen allerdings gefährlich werden, sie sollten dringend abgedeckt werden, da die Tiere sonst ertrinken könnten, sagt Jaqueline Gräfe.
Was Eichhörnchen gern fressen und was nicht
Eichhörnchen sind Waldbewohner und eigentlich Baumsaatenfresser. Sie fressen Knospen, Baumspitzen, das frische Grün von der Fichte und verschiedene Beeren. Auch Zapfen und Nüsse stehen auf ihrem Speiseplan.
Walnüsse, Haselnüsse, Zirbelnüsse von der Zierbelkiefer, Kürbiskerne, Bucheckern, getrocknete Eberesche, Hagebutten, Esskastanien (Maronen)
Vogelfutter mit Getreidekörnern ist ungeeignet. Ebenso sollten keine Erdnüsse gefüttert werden, da sie keine Nüsse sondern Hülsenfrüchte sind. Sie verursachen bei den Eichhörnchen Blähungen. Auch Eicheln fressen Eichhörnchen nicht.
Nur die Inobhutnahme kann verletzte Tiere retten
Jaqueline Gräfe ist bei der Hofgemeinschaft angekommen. Krähen haben das etwa 100 Gramm schwere Junge hochgehoben und wieder fallengelassen. Jetzt, wo es verletzt ist, besteht keine Chance mehr, dass sich die Mutter um das Kleine kümmert. Sie wird es zurücklassen, damit die anderen Geschwister überleben können. Jaqueline Gräfe nimmt das Tier mit und bringt es zum Tierarzt. Er ist inzwischen ein guter Freund, der immer wieder hilft. Bis das Eichhörnchen zwei Monate alt ist, wird es mit spezieller Aufzuchtmilch und bei Bedarf mit Medizin versorgen. Ist es kräftig genug und gesund, zieht das Jungtier in eine Voliere nach draußen in den Garten und wird so an die neue Umgebung gewöhnt. Schritt für Schritt wird es schließlich ausgewildert. Die Besuche werden dann immer weniger, bis es schließlich nicht wieder kommt. Die Chancen in der freien Natur zu überleben, sind für die Eichhörnchen gut.
Bundesweiter Verein Eichhörnchen-Notruf | Telefon: 0700 - 20020012
Der Eichhörnchen-Notruf betreibt in Deutschland fast 200 Auffangstationen. Im Jahr werden dort 3.500 bis 4.000 Eichhörnchen aufgenommen. Gibt es in einer Region keine Station kümmert, sich der Verein um Ansprechpartner vor Ort in Wildtierstationen, Tierkliniken oder Tierparks.
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Radiogarten | 26. September 2020 | 10:20 Uhr