Theateraufführung: Ein Mann in Clownskostüm auf einem Seil, während es Konfetti schneit.
Die Oper Magdeburg zeigt eine clowneske und gleichzeitig tiefgründige Inszenierung. Bildrechte: Gianmarco Bresadola

Empfehlungen Theater in Dessau, Magdeburg und der Altmark: Fünf Highlights im Oktober

24. September 2024, 13:42 Uhr

In Sachsen-Anhalt gibt es im Oktober 2024 wieder großes Theater, das Sie nicht verpassen sollten: In Magdeburg gibt es eine besondere Oper in bunter Inszenierung und eine Roman-Adaption mit ähnlich starken Farben. In Dessau gibt es eine klassische Geschichte aus weiblicher Sicht und ein Ballett stimmt auf die nahende Weihnachtszeit ein. Und in Stendal gibt es eine folgenreiche Begegnung. Hier unsere Tipps mit Adressen und Terminen, die monatlich aktualisiert werden, damit Sie kein Highlight verpassen:

Schauspiel in Magdeburg: "Blutbuch" nach dem Roman von Kim de l'Horizon

Jahrelang hat Kim de l’Horizon an dem Roman "Blutbuch" gearbeitet, hat jedes Wort genau bedacht. Dafür wurde das Buch 2023 mit dem Deutschen Buchpreis belohnt und das zahlt sich nun auch auf der Bühne des Theaters Magdeburg aus. In "Blutbuch" spricht eine Person, die sich weder als Mann noch als Frau identifiziert, mit der eigenen Großmutter. Hier prallen Welten aufeinander, die sich kaum verstehen können. Das Buch erzählt von der großen Suche nach sich selbst, nach der eigenen Identität. Letztlich verlässt sich die Inszenierung von Jan Friedrich ganz auf diesen Text. Zeitweise stehen sechs Kims auf der Bühne und teilen die Erzählung unter sich auf. Die Stimmen und Stimmungen wechseln immer wieder, Schrift wird auf Fadenvorhänge projiziert, die Bühne erstrahlt in vielen Farben. MDR KULTUR-Kritiker Matthias Schmidt ist fasziniert davon, wie sehr der Abend das Publikum in die Gedankenwelt von Kim de l’Horizon zieht: "Das passiert in einer solchen Intensität nicht so oft."

Weitere Informationen "Blutbuch"
nach dem Roman von Kim de l'Horizon

Adresse:
Kammer 1
Otto-von-Guericke-Straße 64
39104 Magdeburg

Dauer: 125 Minuten, keine Pause

Termine:
25. Oktober, 19:30 Uhr
26. Oktober, 19:30 Uhr

Schauspiel in Stendal: "Eine Sommernacht" am Theater der Altmark

Es klingt nach einer Romcom: Helena sitzt allein in der Bar und wurde gerade von ihrem Freund versetzt – eigentlich erwartbar, immerhin ist dieser mit einer anderen Frau verheiratet. In der gleichen Bar sitzt auch Bob, ein kleiner Gangster in den mittleren Dreißigern, der sich gerade mit dem eigenen Altern auseinandersetzen muss. Beide fragen sich, ob das nun ihr Leben ist und was die Zukunft nun bringen soll. Diese Verzweiflung bringt die beiden zueinander, ob das der Beginn von Liebe oder Ausdruck von Verzweiflung ist, bleibt noch unklar. Unterbrochen wird diese Annäherung in "Eine Sommernacht" immer wieder von Songs mit eher simpler Liebeslyrik. Die Gefahr von Kitsch war für den Kritiker Gunnar Decker in "Die deutsche Bühne" bereits greifbar: "Und doch passiert etwas so nicht Erwartetes bei diesem mal tänzelnden, mal kriechenden Gang durch zwei regnerische Nächte, einen Tag und einen Morgen: Die Poesie behauptet sich gegen alle falschen Versuchungen des Kitsches." Das liegt laut dem Kritiker zum einen an der guten Arbeit der Autoren David Greig und Gordon McIntyre, zum anderen aber auch an der eher spröden, aber gekonnten Regie von Jochen Gehle. "Doch dass der Abend dann geradezu abhebt, liegt an der Intensität des Spiels von Alexandra Sagurna (auch stimmlich von großer Ausdruckskraft) und Fynn Zinapold, die diese beiden verlorenen Seelen zum idealen Nicht-Paar zu machen verstehen."

Ein Mann in T-Shirt und eine Frau in rotem Kleid singen Rücken und Rücken in Mikros.
Das musikalische Schauspiel in Stendal lebt von der Dynamik zwischen den zwei Hauptfiguren. Bildrechte: Nilz Böhme

Weitere Informationen "Eine Sommernacht" von David Greig und Gordon McIntyre

Adresse:
Theater der Altmark
Karlstraße 6
39576 Hansestadt Stendal

Dauer: 120 Minuten, eine Pause

Termine:
20. Oktober, 18 Uhr

Ballett-Klassiker in Dessau: "Der Nussknacker" am Anhaltischen Theater

Die Lebkuchen stehen schon lange im Supermarkt – Weihnachten wirft seine Schatten voraus. Also ist es auch nicht zu früh für den "Nussknacker" von Peter Tschaikowsky, in Dessau in einer neuen Choreografie von Stefano Giannetti zu erleben. Im Zuhause von Klara ist wieder Bescherung. In der Nacht lockt der Nussknacker des Familienfreundes Drosselmeier das Mädchen in eine Fantasiewelt, wo ein Krieg mit dem Rattenkönig tobt. "Giannetti und sein Dramaturg Yuri Collosale haben die originale 'Nussknacker'-Handlung mit Heiligabend-Bescherung, nächtlichem Spielzeugkrieg, Reise ins Märchenland und Verherrlichung der schönen Illusionen erst genau überprüft und dann dezent Richtung Gegenwart gekickt", freut sich Roland Dippel in der "Mitteldeutschen Zeitung". Erst am Ende eines leichtfüßigen und schön ausgestatteten Balletts wird die aktuelle Konsumwelt hinterfragt.

Ein Paar steht auf einer leeren Bühne vor einer Gruppe von Kindern.
Der Dessauer "Nussknacker" überrascht am Ende auch mit dezenter Kapitalismus-Kritik. Bildrechte: Anhaltisches Theater Dessau / Claudia Heysel

Weitere Informationen "Der Nussknacker"
Ballett von Stefano Giannetti mit Musik von Peter Tschaikowsky

Adresse:
Anhaltisches Theater Dessau
Friedensplatz 1a
06844 Dessau-Roßlau

Dauer: 90 Minuten

Termine:
19. Oktober, 17 Uhr
25. Oktober, 19 Uhr

Figurentheater in Dessau: "Nibelungen – Solo für Kriemhild"

Die Nibelungensage ist inzwischen acht Jahrhunderte alt und hat eine wechselhafte Geschichte hinter sich. Als Rittergeschichte geriet sie zwischendurch in Vergessenheit, bevor sie im 18. Jahrhundert zum deutschen Nationalepos wurde. Richard Wagner komponierte darauf aufbauend eines der größten Werke der Musikgeschichte und die Nazis nutzten es für ihre Propaganda. Es geht um Liebe, Verrat und Rache: Der Dank eines Bades in Drachenblut unverwundbare Siegfried kommt nach Xanten, wo er sich in Königstochter Kriemhild verliebt. Um sie heiraten zu dürfen, hilft er ihrem Bruder, die unabhängige Brünnhilde als Ehefrau zu unterwerfen. Es folgen viele Intrigen und Siegfried wird erschlagen – auch mit Kriemhilds Hilfe. Diese schließt sich den Hunnen an, um Rache zu üben. Bis heute wird die Geschichte auf ihre Aktualität abgeklopft und in Dessau in der Fassung von Karin Eppler radikal aus der Sicht von Kriemhild erzählt, die im Puppentheater mit starren Puppenköpfen streitet. "Das machte Eppler durch gut durchdachte Präzisierungen und Ergänzungen aus dem berühmten Trauerspiel 'Die Nibelungen' von Friedrich Hebbel (1861) deutlich. Diese zielen darauf, Kriemhild vom Image der aus Liebe und Rache blinden Furie zu befreien", schreibt Roland Dippel in der "Mitteldeutschen Zeitung". "Die Fassung aus Frauenperspektive hat es in sich."

Eine Frau mit schwarzer Weste und rosa Rock streckt ein Schwert nach vorn. Im Hintergrund ist Text mit weißer Schrift auf schwarze Stelen geschrieben und Büsten stehen auf schwarzen Sockeln.
Wie die Kriemhild im Epos staht auch Kerstin Dathe allein da. Bildrechte: Ray Behringer

Weitere Informationen "Nibelungen - ein Solo für Kriemhild"
von Karin Eppler frei nach Motiven des mittelhochdeutschen Nibelungenliedes
und Friedrich Hebbel

Adresse:
Altes Theater
Lily-Herking-Platz 1
06844 Dessau-Roßlau

Dauer: 75 Minuten, keine Pause

Termine:
20. Oktober, 18 Uhr
21. Oktober, 15 Uhr

Musiktheater in Magdeburg: "Das schlaue Füchslein" im Opernhaus

"'Das schlaue Füchslein' ist ein Musiktheater-Ereignis, das man sich keinesfalls entgehen lassen sollte", urteilt Kritikerin Irene Constantin in der "Magdeburger Volksstimme". Es ist eine originelle Oper eines besonderen Komponisten: Leoš Janáček schuf die Oper auf Grundlage einer Bildergeschichte und erzählt darin von einer Füchsin, die von einem Förster gefangen wird, sich wieder befreit und später von einem Wilderer erschossen wird. Es ist jedoch nicht einfach nur ein Tiermärchen, sondern eine Allegorie auf die Natur und der Bedeutung des Lebens. In Magdeburg kommt die Geschichte als eine Art Zirkus auf die Bühne, als "eine poetisch vielfarbige Clownerie", so Constantin. Unter dem permanenten Regen aus Konfetti und wegen der bunten Kostüme verschwimmen die Grenzen zwischen Mensch und Tier zusehends. Dazu schuf Janáček eine wunderbare Musik, die man in Magdeburg voll auskosten kann, meint Constantin: "So schön das alles anzuschauen ist, den wirklichen Duft und Zauber gießt die Musik über dieses Werk. Zwischen Dur und Moll schwebend, in luftigstem Klangkolorit leuchtend, macht die Instrumentalmusik allein die Hälfte des Werkes aus. Es schien, als sei Anna Skryleva mit ihrem Orchester in jeden Ton und jede Phrase verliebt. Selten konnte man den Magdeburger Orchesterklang so fein gesponnen und leuchtend erleben."

Theateraufführung: Drei Schauspieler auf der Bühne, Konfetti liegt am Boden.
Alle Figuren dieses Stücks schweben zwischen Mensch, Tier und Clown. Bildrechte: Gianmarco Bresadola

Weitere Informationen "Das schlaue Füchslein" von Leoš Janáček

Adresse:
Opernhaus
Universitätsplatz 9
39104 Magdeburg

Dauer: 120 Minuten, eine Pause

Termine:
6. Oktober, 16 Uhr
12. Oktober, 19:30 Uhr
27. Oktober, 16 Uhr

FÜR KURZENTSCHLOSSENE:

Schauspiel in Magdeburg: Andreas Kriegenburg inszeniert "Timon von Athen"

Im Theater Magdeburg wird jeder Mensch herzlich begrüßt – und zwar durch den Herren selbst: Timon von Athen. Er ist ein reicher Mann, der es liebt, Feste zu feiern und andere an seinem Wohlstand teilhaben zu lassen. Doch obwohl sein Haus immer voll ist, erhält er keine Unterstützung, als er plötzlich vor der Pleite steht. So verwandelt er sich vom Menschenfreund zum Menschenhasser. "Timon von Athen" ist eines der selten gespielten Stücke von William Shakespeare – vermutlich auch, weil es voller Ungereimtheiten steckt und die Meisterschaft anderer Werke vermissen lässt.

Ein Mann in einem roten Anzug steht auf einer Bühne und spricht in ein Mikro. Im Hintergrund stehen weitere Personen und Holzstühle.
Timon von Athen ist ein herzlicher Gastgeber – solange er es sich leisten kann. Andreas Kriegenburg bringt das Stück in Magdeburg neu auf die Bühne. Bildrechte: Katrin Ribbe

Dennoch hat sich Andreas Kriegenburg dieses Stück vorgenommen für seine Rückkehr nach Magdeburg – denn die ersten Schritte vor seinem großen Durchbruch in der Theaterwelt hat der Regisseur an der Elbe gemacht. Kriegenburg inszeniert den Text mit Witz und Selbstironie. So überwindet er auch die Ungereimtheiten, meint der Theaterkritiker Michael Laages bei "nachtkritik": "Auch mit den dramaturgischen Absonderlichkeiten ist dies ein grandioser und explosiver Shakespeare-Abend; Kriegenburg hält ihn mit dem wirklich fabelhaft aufgelegten Magdeburger Ensemble geschickt in der Schwebe zwischen Farce und Furor."

Weitere Informationen "Timon von Athen" von William Shakespeare

Adresse:
Kammer 1
Otto-von-Guericke-Straße 64
39104 Magdeburg

Dauer: 185 Minuten, eine Pause

Termine:
28. September, 19:30 Uhr

Operette in Dessau: "Der Vogelhändler" am Anhaltischen Theater

Am Anhaltischen Theater in Dessau können Operetten-Fans voll auf ihre Kosten kommen: Intendant Johannes Weigand hat "Der Vogelhändler" von Carl Zeller inszeniert und sich dabei ganz auf die klassische Geschichte verlassen. Adam handelt also tatsächlich mit Vögeln und kommt in die Stadt, um seine Christel zu heiraten, die ihr Postgeschäft mit viel Geschick führt. Im Versuch, eine gute Stellung für Adam zu finden, entzweien sich die beiden über vermeintliche Affären mit Menschen, die eigentlich nicht die sind, für die sie sich ausgeben – eben typisch Operette. "Die Inszenierung sitzt so perfekt auf der Musik, dass man nicht vom Wege abkommt, sondern immer auf dem Laufenden bleibt", meint Kritiker Joachim Lange in der "Mitteldeutschen Zeitung" überzeugt von dem Musiktheaterabend.

Ein Paar in einem ausgestellten, rosa Kleid und einer Art Jagdkleidung stehen nebeneinander auf der Bühne, im Hintergrund viele weitere Menschen in Kostümen.
Die Inszenierung von "Der Vogelhändler" Bildrechte: Claudia Heysel

Weitere Informationen "Der Vogelhändler"
Operette von Carl Zeller

Adresse:
Anhaltisches Theater
Friedensplatz 1a
06844 Dessau-Roßlau

Dauer: 170 Minuten, eine Pause

Termine:
29. September, 16 Uhr

Schauspiel in Stendal: "Das große Heft" am Theater der Altmark

Das war ein kleiner Skandal: Die Premiere von "Das große Heft" in Stendal musste in der vergangenen Spielzeit nach der Hälfte abgebrochen werden, nachdem die Darstellerinnen und Darsteller wegen der Schminke schwere Hautverletzungen erlitten. Nun kann die Inszenierung wieder gezeigt werden. Aber die ist nicht leichter: In ihrem Text erzählt die Autorin Ágota Kristóf von einem Zwillingspaar, das im Krieg bei der Großmutter aufwächst und sich mit "Übungen" für die schweren Zeiten abhärten will. Ein harter Stoff, den Johanna Schall in einer eigenen Fassung auf die Bühne bringt. Über die erste Hälfte schrieb MDR KULTUR-Theaterkritiker Wolfgang Schilling: "Obwohl die Regisseurin und das Ensemble dafür künstlerisch sehr überzeugende, niemals naturalistische Bilder und Formen des Erzählens finden, geht einem das Geschehen an die Nieren."

Szene aus dem Theaterstück "Das große Heft" am Theater der Altmark: ein Mann ist nur halb beleuchtet von einer Lampe und spricht auf eine Frau ein
Szene aus dem Theaterstück "Das große Heft" am Theater der Altmark in Stendal Bildrechte: Nilz Böhme

Weitere Informationen "Das große Heft"
nach Ágota Kristóf

Adresse:
Theater der Altmark Karlstraße 6
39576 Hansestadt Stendal

Dauer: 130 Minuten, eine Pause

Termine:
28. September, 19:30 Uhr

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | artour | 19. September 2024 | 22:10 Uhr

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