Tasten und Hören Von Halle bis Magdeburg: Zehn Kultur-Angebote für Blinde und Menschen mit Sehbehinderung

Im Zentrum der Franckeschen Stiftungen steht das Waisenhaus, das damals mit seiner barocken Architektur Maßstäbe für ähnliche Einrichtungen setzte. Heute beherbergt das Gebäude eine ständige Ausstellung zur Geschichte der Stiftung und zur Bewegung des Pietismus in der gesamten Welt. Dazu wurde auch ein Audioguide entwickelt, der es Menschen mit Sehbehinderung ermöglicht, die Ausstellung zu erkunden. 

Das Kunstmuseum Moritzburg in Halle konzentriert sich in seiner Sammlung vor allem auf Kunstwerke des 20. Jahrhunderts. Ein Highlight der Ausstellung ist mit Sicherheit "Die weiße Katze" von Franz Marc. Dieses Gemälde von einem weißen Tier, das auf einem gelben Kissen schläft, kann auch als Reliefbild ertastet werden. Dafür wurde das Bild auf einer Medienstation in Bereiche aufgeteilt und mit verschiedenen Oberflächen versehen – die Katze beispielsweise mit flauschigem Fell. Über eine Legende und eine Erläuterung zum Anhören können Besucherinnen und Besucher so einen Eindruck vom Bild bekommen. Regelmäßig werden auch Führungen angeboten, die zu den Tastbildern führen und weitere Bilder der Ausstellung präsentieren. 

Das Stadtmuseum gibt Einblicke in die reiche Geschichte der Stadt Halle. Dabei kommen berühmte historische Persönlichkeiten zu Wort und bekannte Orte der Stadt werden in ihrer Bedeutung erläutert. Ein Bodenleitsystem führt Menschen mit Sehbehinderung durch die gesamte Ausstellung "Entdecke Halle". An 56 Stationen können weitere Informationen zur Geschichte angehört werden. Außerdem sind mehrere Tastmodelle in die Schau integriert. 

Das Landesmuseum für Vorgeschichte ist das wichtigste Museum für Archäologie in Sachsen-Anhalt und beherbergt zahlreiche bemerkenswerte Objekte, die Menschen in vergangenen Jahrtausenden geschaffen haben. Die Dauerausstellung führt durch die Entwicklung der Menschheit, als sie beispielsweise sesshaft wurden oder das Feuer zähmten. Für Menschen mit Sehbehinderung werden Sonderführungen angeboten, bei denen die Lichtverhältnisse besser sind, wichtige Ausstellungsstücke beschrieben werden und teilweise sogar im Original oder als Modell berührt werden können. 

Die Himmelsscheibe von Nebra fasziniert Menschen auf der ganzen Welt. Bildrechte: picture alliance/dpa | Anne Pollmann

Der Merseburger Dom ist bereits mehr als 1.000 Jahre alt. In seinen Anfangsjahren war er ein Zentrum der Macht, weil Kaiser Heinrich II. sich oft hier aufhielt. Heute ist das Bauwerk ein wichtiger Vertreter der Romanik. Ein Audioguide bietet nähere Erklärungen zur Bauweise und Innenausstattung. Eine erste Anlaufstelle ist jedoch das Tastmodell im Eingangsbereich, wo Interessierte mit ihren Händen die Erscheinung des Kirchenbaus nachvollziehen können. 

Der Naumburger Dom ist weltweit berühmt und gehört mit zum Unesco-Weltkulturerbe. Grund dafür sind vor allem die berühmten Stifterfiguren im Westchor, wo auch die schönste Frau des Mittelalters steht, die Markgräfin Uta. Auch darüber hinaus fasziniert der Dom mit seiner Gestaltung und Ausstattung. Menschen mit Sehbehinderung können das Kirchengebäude mit einem Audioguide erkunden, wobei die Innenausstattung teilweise mit den Händen betastet werden kann.

Die Statue von Uta von Naumburg ist das Highlight im Naumburger Dom. Bildrechte: Vereinigte Domstifter, Falko Matte

Der Maler Lyonel Feininger hat wichtige Spuren in Sachsen-Anhalt hinterlassen: Er wirkte am Dessauer Bauhaus und schuf eine der wichtigsten Bilderserien zur Stadt Halle (heute im Kunstmuseum Moritzburg zu sehen). Im Museum Lyonel Feininger in Quedlinburg können Interessierte mehr über das künstlerische Schaffen des Malers erfahren, wo die weltweit umfangreichsten Bestände an Druckgrafik von Lyonel Feininger gezeigt werden sowie weitere Werke aus dem gesamten Leben des Künstlers. Über einen Audioguide können die wichtigsten Werke der Dauerausstellung "Meister der Moderne" erkundet werden.  

Die Himmelsscheibe von Nebra gilt als die älteste Darstellung des Himmels von Menschenhand, die uns heute bekannt ist (zu sehen im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle). Gefunden wurde sie eher durch Zufall im Saale-Unstrut-Tal. Dafür wurde vor Ort die Arche Nebra geschaffen, ein modernes Ausstellungs- und Informationszentrum zur Frühgeschichte des Ortes. Für Menschen mit Sehbehinderung wurde ein Audioguide entwickelt, der durch die Ausstellung führt und eine Erkundung der Umgebung ermöglicht. 

Direkt neben dem Dom in Magdeburg steht das Geschichtsmuseum Ottonianum. Benannt wurde es nach Otto dem Großen, der vor allem in Magdeburg residierte und dessen Herrschaftszeit eine wichtige Periode der deutschen Geschichte darstellt. Das Ottonianum will die Gefühlswelt des Mittelalters nachvollziehbar machen und zeigt zudem das Kunsthandwerk der damaligen Zeit, beispielsweise anhand von Grabbeigaben für die Bischöfe. Ein Audioguide führt mit genauen Wegangaben durch die Dauerausstellung und erklärt, welche Objekte zu sehen sind und was sie bedeuten. 

Direkt neben dem Dom lädt das Museum mit einem Audioguide zu einer Zeitreise ins Mittelalter ein. Bildrechte: picture alliance / zb | Andreas Lander

In Eisleben wurde Martin Luther geboren und dort hat er seine Kindheit verbracht. Das Elternhaus will mit seiner Ausstellung Einblicke geben: in das alltägliche Leben des 16. Jahrhunderts und darüber, was den späteren Reformator prägte. Die Sonderführung "Die andere Art der Wahrnehmung" ist auf Menschen mit Sehbehinderungen zugeschnitten, bietet genauere Beschreibungen und die Möglichkeit, Objekte mit den Händen zu fühlen. In einem Workshop können Interessierte selbst Objekte in der Art archäologischer Fundstücke aus Ton formen.