Lesezeit | 29.07. bis 16.08. 2024 Joseph Conrad: Der Geheimagent
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26. Juli 2024, 04:00 Uhr
Beunruhigend aktuell: die Hintergründe von Terrorismus
London, Ende des 19. Jahrhunderts: Adolf Verloc betreibt einen kleinen Laden für Nippes, lebt zusammen mit seiner Frau Winnie und deren kranken Bruder Stevie. Doch die kleinbürgerliche Existenz ist nur Tarnung. Winnie hat Verloc nur geheiratet, damit ihr geliebter Bruder finanziell abgesichert ist. Verloc indes glaubt, um seiner selbst geliebt zu werden.
Was niemand ahnt: Verloc führt ein Doppelleben. Für die Polizei ist er als Spitzel unterwegs. In seiner Wohnung versammelt er regelmäßig Vertreter einer anarchistischen Untergrundorganisation, der er selbst angehört – und erstattet hinterher Bericht über deren Pläne. Dann betraut ihn ein ausländischer Auftraggeber aus einer Botschaft mit einer Mission. Er soll die Anarchisten zu einem Sprengstoffanschlag auf die Sternwarte in Greenwich anstiften, damit die Behörden Machthabe erhalten, diese zu verfolgen und auszubürgern. Verloc weiß jedoch, dass keiner sich dazu bereitfinden wird, leitet das Unternehmen selbst in die Wege und missbraucht dabei das Vertrauen von Winnie und Stevie. Er scheitert tragisch ...
Historischer Hintergrund Für das Bombenattentat auf das Royal Greenwich Observatory stützt sich Joseph Conrad auf ein Ereignis vom 15. Februar 1894. Der Franzose Martial Bourdin, Mitglied eines anarchistischen Clubs, stirbt vor dem Observatorium, als ein Sprengsatz in seinen Händen explodiert. Der Fall blieb unaufgeklärt.
Joseph Conrad – Seefahrer und Schriftsteller
Als Joseph Conrad am 3. Dezember 1857 als Józef Teodor Konrad Korzeniowski im Russischen Kaiserreich (heute das Gebiet der Ukraine) zur Welt kam, gab es zwar eine polnische Nation, aber keinen polnischen Staat. Die Großmächte Preußen, Österreich und das zaristische Russland hatten das Land zuletzt 1793 unter sich aufgeteilt, was von den meisten Polen als schmachvoll empfunden wurde. Conrads Vater, ein Verfechter eines freien und demokratischen Polen, setzte sich gegen die russische Herrschaft zur Wehr, wurde verhaftet und starb in der Verbannung.
Früh schon zog es den Sohn auf die Meere, arbeitete bei der französischen Handelsmarine und reiste zwischen 1875 und 1878 dreimal in die Karibik. Dann wechselte er zur britischen Handelsmarine und erwarb 1884 die britische Staatsbürgerschaft. Er legte alle notwendigen Seeprüfungen ab und besaß schließlich das Kapitänspatent. Seine Reisen führten ihn nach Borneo, Malaysia, Südamerika und zu verschiedenen südpazifischen Inseln. Auf den langen Expeditionen begann er zu schreiben, und im Alter von 36 Jahren beschloss er, sich ganz der Literatur zu widmen. Seit dieser Zeit nannte er sich selbst Joseph Conrad.
Literarischer Durchbruch mit "Spiel des Zufalls"
Conrad schrieb in englischer Sprache, obgleich er diese erst mit 21 Jahren zu erlernen begonnen hatte. Lange Zeit war er auf Gönner angewiesen, bis er 1914 seinen literarischen Durchbruch mit "Spiel des Zufalls" hatte. Seine Romane und Erzählungen zählen zu den wichtigsten Werken der englischen Literatur des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
Als Joseph Conrad endgültig die Leere der weiten Meere mit der Leere des weißen Papiers vertauschte, lagen 20 Jahre Seefahrt hinter ihm. Ab jetzt rang er nicht mehr mit den Kräften der ungebändigten Natur, sondern mit denen der Sprache. Doch das Schreiben war für ihn ein nicht weniger mühsames Geschäft, es nahm ihn ganz und gar gefangen, trieb ihn an die Grenzen der Erschöpfung.
Verfilmungen von Francis Ford Coppola und Alfred Hitchcock
Joseph Conrad starb am 3. August 1924 in Kent/England. Am 3. August 2024 jährt sich sein Todestag zum 100. Mal.Die meisten seiner berühmten Bücher sind später verfilmt worden. "Apocalypse Now" von Francis Ford Coppola etwa beruht auf Conrads Novelle "Herz der Finsternis", wobei die Handlung in die Zeit des Vietnamkrieges gelegt wurde. "Der Geheimagent" wurde schon 1936 von Alfred Hitchcock mit Oskar Homolka als Verloc unter dem Titel "Sabotage" verfilmt. 1996 folgte eine Fassung von Christopher Hampton mit Bob Hoskins, Patricia Arquette und Gérard Depardieu und 2016 produzierte die BBC eine dreiteilige Serie mit Toby Jones in der Hauptrolle.
Der Schauspieler Jürgen Holtz
Jürgen Holtz (10. August 1932 bis 21. Juni 2020) wurde in Berlin geboren und wuchs dort auf. Nach dem Abitur studierte er am Theaterinstitut Weimar und an der Theaterhochschule Leipzig. Theaterengagements führten ihn u. a. an die Volksbühne und dann ans Berliner Ensemble. Dort spielte er u. a. den Diener Jean in Strindbergs "Fräulein Julie" (1975). Diese Inszenierung von B. K. Tragelehn und Einar Schleef wurde verboten. 1977 kehrte er an die Volksbühne zurück und überzeugte hier vor allem in Heiner-Müller-Stücken. 1983 reiste Jürgen Holtz aus der DDR aus und erhielt am Residenztheater in München sein erstes bundesdeutsches Engagement. Seit 1995 arbeitete Jürgen Holtz wieder am Deutschen Theater Berlin, seit 2000 am Nationaltheater Mannheim.
Bekannt wurde er einem breiten Publikum als gesamtdeutscher Nörgler "Motzki" in der gleichnamigen ARD-Serie (1993), die Wolfgang Menge schrieb. Bei MDR KULTUR hat Jürgen Holtz als Sprecher unter anderem in der Hörspielinszenierung von Bulgakows "Der Meister und Margarita" (1998) und in Jósef Ignacy Kraszewskis "Gräfin Cosel" mitgewirkt. Holtz erhielt den Gertrud-Eysoldt-Ring, das Magazin "Theater heute" zum Schauspieler des Jahres, er wurde mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet, mit dem Theaterpreis Berlin für herausragende Verdienste um das deutschsprachige Theater sowie mit dem Konrad-Wolf-Preis für sein Lebenswerk.
Angaben zur Sendung
MDR KULTUR Lesezeit
29.07. - 16.08. 2024
Der Geheimagent
Von Joseph Conrad
Aus dem Englischen von Günter Danehl
Gelesen von Jürgen Holtz
(15 Folgen)
Produktion: MDR 2004 (Gekürzte Lesung)
Sendung im Radio: 29.07. - 16.08. 2024 | Montag bis Freitag 9:05 Uhr und in der Wiederholung: Montag bis Freitag 19:05 Uhr
Die Lesung steht hier bis zum 26. Oktober 2024 zum Hören bereit.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR Lesezeit | 29. Juli 2024 | 09:05 Uhr